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Kürzungen beim NDRWeniger Geld, mehr Arbeit

Der NDR soll in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro sparen. Gleichzeitig ist ein Ausbau der Netzinhalte geplant. Das sorgt für Irritationen.

Das Mikro mit dem NDR-Logo ist dann wohl seltener zu sehen Foto: imago images/Gabor Krieg

Ich glaube, ich übergebe ein gut bestelltes Haus“, sagte Lutz Marmor, der langjährige Intendant des NDR, bei seiner Verabschiedung am 9. Januar dieses Jahres. Eine knappe Woche später verkündete Joachim Knuth, sein Nachfolger: „Wir müssen jährlich 60 Millionen Euro einsparen.“ In der vergangenen Woche teilte Knuth den Mitarbeitern dann mit: Es werden in den kommenden vier Jahren noch jeweils 15 Millionen Euro mehr sein.

Dass der NDR insgesamt 300 Millionen Euro einsparen muss, stößt unter Mitarbeitern auf Verwunderung. „In den vergangenen Jahren hieß es immer wieder, der NDR sei dank ­Sparmaßnahmen für die Zukunft gut gewappnet“, bemerken die Journalistengewerkschaften Verdi und DJV sowie die Organisation Freie im NDR. Sendersprecher Frank Jahn sagt dazu, erst als die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) im Februar 2020 ihren aktuellen Bericht vorgelegt habe, „stand der Umfang der erforderlichen Einsparungen letztendlich fest“. Die „weitere Verschärfung der Sparmaßnahmen“ hänge mit der Coronapandemie zusammen.

Unklar ist aber unter anderem, wie viel Geld jeweils durch die konkret geplanten Einzelmaßnahmen eingespart wird, die im NDR Fernsehen unter anderem die Kulturmagazine, das Medienmagazin „Zapp“, das Auslandsmagazin „Weltbilder“ und die Doku-Redaktion „Die Box“ betreffen. „Eine umfangreiche Information aller Mitarbeiter*innen über die genauen Einschnitte in allen Bereichen“ gebe es bisher nicht, kritisiert der Redakteursausschuss im Intranet des Senders.

Der NDR hat bei der Begründung seiner Sparmaßnahmen herausgestellt, dass er von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass sich Zweitwohnungsinhaber von der Zahlung des Rundfunkbeitrags befreien können, überpropor­tio­nal betroffen sei. Aber um wie viel Geld geht es da? „Für den NDR wird mit Einnahmeausfällen von rund 8,8 Millionen Euro pro Jahr gerechnet“, sagt Frank Jahn. 2019 hätten sie bei „rund 6,5 Millionen Euro“ gelegen. Klingt eigentlich nicht dramatisch.

Kritik an fehlender Strategie

Auf taz-Nachfrage zu den konkrete anvisierten Einsparsummen bei den betroffenen Sendungen sagt Sprecher Jahn: „Eine Einzelbetrachtung der anfallenden Kosten bestimmter Formate könne „leider nicht erfolgen, auch weil es sich in Teilen um Auftragsproduktionen handelt. Mit einer Veröffentlichung von Zahlen würden Geschäftsgeheimnisse Dritter berührt“ – obwohl das für die Magazine aus dem Spätprogramm nun gerade nicht gilt.

Zapp etwa muss dabei mit einem Drittel weniger auskommen

Jahn sagt auch, „genaue Summen hinsichtlich einer neuen multimedialen Ausrichtung“ von etwa „Zapp“ könnten „noch nicht beziffert werden“. Die Redaktionen würden „in den kommenden Monaten entsprechende Konzepte erarbeiten“. Prinzipiell keine schlechte Idee. Die Gewerkschaften sowie die Freien im NDR bemängeln aber: „Seit Jahren fehlt eine klare Strategie für die Bereiche Online und Social Media. Nun soll das ganz schnell gehen.“

Die Redaktionen müssen jetzt mit viel weniger Geld sehr viel mehr machen: ihr Onlineangebot verbessern und die lineare Sendung am Leben enthalten. „Zapp“ etwa muss dabei mit einem Drittel weniger auskommen. Das Auslandsmagazin „Weltbilder“ büßt nach taz-Informationen sogar mehr als die Hälfte des Jahresetats ein, der bisher im mittleren sechsstelligen Bereich liegt. Das ist ohnehin mickrig; die durchschnittlichen Produktionskosten eines einzigen „Tatorts“ reichen für drei Jahre „Weltbilder“.

Wo soll da noch gespart werden? Autorenhonorare fallen bei „Weltbilder“ nicht an, weil die Beiträge von festangestellten Auslandskorrespondenten der ARD stammen. Zudem sind rund die Hälfte der Beiträge Zweitverwertungen – diese Filme laufen auch im „Weltspiegel“ und im „Europamagazin“ der ARD. „Weltbilder“ist eines der wenigen Formate, in denen die Korrespondenten noch Beiträge jenseits von Nachrichtensendungslänge unterbringen können. Andere Landesrundfunkanstalten haben die Auslandsmagazine in ihren Dritten Programmen längst abgeschafft – obwohl die Hierarchen der ARD in Sonntagsreden ja gern das außergewöhnliche Netz ihrer 30 Auslandsstudios besingen.

Kein Wunder, dass der Redakteursausschuss im Intranet ein düsteres Bild malt: Es bestehe „die Gefahr, dass relevante und berichtenswerte Themen weniger stark berücksichtigt werden“.

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1 Kommentar

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  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Die „weitere Verschärfung der Sparmaßnahmen“ hänge mit der Coronapandemie zusammen.“"

    Kann mir das jemand erläutern? Die Einnahmen sind doch stabil, abgesehen von den 8.8Mio/a, die sich aus dem Urteil zu Zweitwohnungen ergeben. Dass die Coronapademie zu höheren Ausgaben führt, kann ich aus dem Artikel jetzt auch nicht erkennen.

    Eine Erklärung wäre, dass die Rückstellungen für die Betriebsrenten in Zeiten niedriger Zinsen nicht mehr so viel abwerfen.

    " Die Betriebsrenten müssen bezahlt werden. Bei stark gesunkenen Zinsen und damit gesunkenen Erträgen aus dem angesparten Kapital ist das schwierig. Allein die ARD-Anstalten müssen in den kommenden vier Jahren laut ihrer Finanzplanung knapp 1,4 Milliarden Euro an Pensionen auszahlen. Dazu kommen noch die Rückstellungen, die für künftige Rentner gebildet werden, so dass für die Altersversorgung insgesamt mehr als drei Milliarden Euro in vier Jahren kalkuliert sind. Wie groß die Lasten einmal werden, kann man an den Rückstellungen der Sendeanstalten ablesen. Die ARD allein hat insgesamt 7,4 Milliarden Euro auf der hohen Kante für künftige Pensionen, ZDF und Deutschlandradio zusammen noch einmal eine Milliarde. Und es wird immer mehr angespart."

    www.faz.net/aktuel...e=true#pageIndex_3