Corona verändert die Weltwirtschaft: Grenzen der Globalisierung
Die Coronakrise belastet den Welthandel massiv. Das trifft vor allem die exportlastige Wirtschaft der Deutschen. Ist das nicht eine Chance?
Die Freude könnte aber nur kurz währen. Denn Probleme gibt es weiter bei vielen Zulieferern. „Alle unsere Partner haben uns signalisiert, dass sie anlaufbereit sind“, versichert Brandstätter. Doch garantieren kann er das nicht. Zu komplex und engmaschig sind die globalen Lieferketten.
In Norditalien etwa, einem Zentrum der europäischen Zuliefererindustrie, sind wegen der Coronapandemie viele Betriebe auch weiterhin dicht. Hinzu kommt: Der Automarkt ist rund um die Welt um mehr als die Hälfte eingebrochen. Es wird Monate brauchen, bis sich die Branche erholt – wenn überhaupt. Experten rechnen damit, dass die Krise exportlastige Industriezweige nachhaltig verändern wird.
Kaum ein Land hat in den vergangenen drei Jahrzehnten so sehr von der Globalisierung profitiert wie Deutschland. Sie hat vor allem die Industrien beflügelt, in denen die Deutschen stark sind: Autoindustrie, Maschinen- und Anlagenbau. Die Exportquote liegt in beiden Branchen bei über 80 Prozent. Die Deutschen machen nicht einmal 1 Prozent der Weltbevölkerung aus, ihr Land ist aber die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ohne Globalisierung wäre das nicht möglich gewesen. Umso heftiger ist nun der Einbruch.
Der Seeverkehr ist im März im Vergleich zu den Vormonaten um 48 Prozent eingebrochen, der Eisenbahnverkehr sogar um 67 Prozent. Ökonomen rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal um 7 Prozent schrumpfen wird, das dickste Minus seit dem Krieg.
Keine Deglobalisierung
Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, geht zwar davon aus, dass sich die hiesige Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte erholen wird. Doch an der Art des Wirtschaftens werde sich einiges ändern. „Als eine Folge der Coronakrise werden deutlich mehr Produktionsstätten direkt in Abnehmerländern entstehen“, vermutet der Ökonom. „Die Strukturen werden regionaler.“
Diese Entwicklung setzte zwar schon vor der Krise ein. Der von den USA ausgelöste Zollstreit hat bereits dazu geführt, dass der globale Handel zurückgeht. Die Viruskrise beschleunigt diesen Trend aber, sagt Felbermayr. „Sie zeigt, wie groß das Problem ist, wenn systemrelevante Produkte wie Atemschutzmasken oder Penicillin nur noch in China hergestellt werden, dieser Warenstrom aber plötzlich unterbrochen ist.“ Viele Länder dürften ihre Lehren daraus ziehen und Industrien zurückholen.
Ein Ende der Globalisierung muss das aber nicht bedeuten. Für die Digitalwirtschaft könnte die Krise sogar zum Trendbeschleuniger werden. Viele Unternehmen machen Erfahrungen mit Homeoffice und der Nutzung digitaler Arbeitsplattformen. Das werde sich dauerhaft auswirken, vermutet Felbermayr. „Wir kommen nicht in eine Deglobalisierung, sondern könnten aus der Krise sogar globalisierter hervorgehen.“
Für die deutsche Wirtschaft sind beide Entwicklungen schlecht. Der Standort Deutschland punktete bislang mit einer guten Infrastruktur, dem dualen Ausbildungssystem und der zentralen Lage in der Mitte Europas. Diese Vorteile spielen nun aber eine geringere Rolle. „Plötzlich haben Länder wie Indien, die in der Old Economy chancenlos waren, viel bessere Karten“, sagt Felbermayr. „Das wird Deutschland wehtun.“
Weniger Welthandel durchaus Positives abgewinnen kann Thomas Eberhardt-Köster, Handelsexperte des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Solange sich es um Produkte mit fairen Löhnen geht, die nur in bestimmten Gegenden angebaut werden können, seien längere Transportstrecken in Kauf zu nehmen, sagt Eberhardt-Köster. Wenn aber gehandelt werde, weil Lohnstückkosten in anderen Ländern wegen schlechter Arbeitsbedingungen oder niedriger Umweltstandards geringer sind, habe das gesamtgesellschaftlich keinen Mehrwert: „Man muss nicht“, betont Eberhardt-Köster, „einen Joghurt um die halbe Welt transportieren.“
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