Künstler*innen in Corona-Krise: Überwindet Eure Geld-Scham!
Kulturschaffende bieten ihre Werke gerade oft umsonst an. Sie sollten beim Publikum faire Bezahlung einfordern.
E s trifft viele Künstler*innen und Kulturbetriebe hart im Moment. Dazu kommt, dass sie von der Politik zwar unterstützt werden, aber eher stiefmütterlich. Kultur ist wichtig, jedoch nicht „systemrelevant“. Angesichts dieser wenig rosigen Aussichten reagieren viele Künstler*innen seit Wochen mit einem merkwürdigen Reflex: Sie stellen ihre Arbeit umsonst zu Verfügung. Nicht einmalig, nicht als besonderes Ereignis wie zu Anfang der Krise, sondern als ständige Alternative, um ihrem Publikum nicht verloren zu gehen.
In der Folge vollzieht sich ein Akt der Selbstausbeutung. Lesungen, Performances und Texte werden kostenfrei online offeriert. So werden ticketfreie Konzerte gespielt, im Netz oder live auf dem Balkon. Staatliche Einrichtungen befördern das noch: Filme gibt es kostenlos, und Archive werden geöffnet.
Oft abwesend ist dabei die Beantwortung der Frage, warum das jetzt umsonst ist – und wie man diese Mentalität nach der Krise wieder ändern will. Wenn Kunst und Kultur zum inneren Bestand unserer Gesellschaft gehören, warum gibt es dann diese Scham beim Thema Geld? Ist es mangelndes Selbstbewusstsein? Oder überbordendes Sendungsbewusstsein? Beides wäre fatal.
Es geht nicht um die Frage, wie man zum Kapitalismus steht, sondern wie man als Künstler*in überlebt. Hinter Künstler*innen stehen Menschen, die ihre Kunst schätzen und brauchen, auch Publikum genannt. Die lassen sich aktivieren. Nicht als mitleidige Helfer*innen, sondern als Rezipient*innen, die wissen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Es gibt nicht nur Autokinos als Ideen, neue Erlösmöglichkeiten zu beschreiten. Zuerst sollte aber die Erkenntnis stehen, aufzuhören mit umsonst.
Gerade jetzt, wo Menschen zu Hause viel mehr lesen, Filme sehen, Bilder betrachten, Musik hören als gewöhnlich, ist Kultur eine große Kraft. Es herrscht also keine Kulturkrise, sondern eine ökonomische Krise – mit Chancen. Daher ist Selbstbewusstsein gefragt: Wir dürfen keine Spenden einfordern, sondern faire Bezahlung für Arbeit, die gerade jetzt besonders gebraucht wird.
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