Renaissance des Autokinos im Norden: Vier Wände aus Blech

Die Behörden stehen der Eröffnung von Autokinos nicht überall gleich wohlwollend gegenüber. Eine große Hürde sind die sanitären Anlagen.

Das Autokino auf dem Schützenplatz in Hannover.

Das Autokino am Schützenplatz in Hannover bietet neben Filmen auch Live-Veranstaltungen Foto: dpa

HAMBURG taz | Seit Mitte März sind die Kinos geschlossen – im Dienste der Coronabekämpfung. Wer seitdem Filme ansehen will, der hat TV-Konserven, Streaming-Dienste oder DVD-Abende. Hinzutreten könnte mancherorts eine Alternative, die vor Kurzem noch kaum denkbar erschien: das Autokino. Denn wo die Menschen in ihren Fahrzeugen bleiben, sind die Abstands- und Hygieneregeln ja beinahe schon von selbst eingehalten.

Sechs Jahrzehnte ist es her, da eröffnete das erste Autokino in Gravenbruch bei Frankfurt am Main. Vor der Coronakrise gab es gerade noch eine Handvoll derartiger Filmtheater in Deutschland. Und nun? Teilt die Bundesnetzagentur auf taz-Anfrage mit: Seit 1. März seien bundesweit „in 64 Fällen Frequenzen für den Betrieb von Autokinos zugeteilt“ worden. Solche Frequenzen sind nötig, denn im Autokino kommt der Ton aus dem Autoradio und dorthin gelangt er per UKW.

Von der rührigen Kulturinitiative bis hin zum routinierten Eventveranstalter: Autokino-Projekte gibt es auch im Norden. In Bremen etwa hat die Cineplex-Gruppe recht geräuschlos eines gestartet. Anders in Hamburg, für das die Bundesnetzagentur angibt, eine Frequenz freigegeben zu haben: Pläne für einen Kinobetrieb auf dem zentralen Heiligengeistfeld hat der Veranstalter Uwe Bergmann schon Mitte April in einem Radiointerview geäußert. Das Konzept sei angesichts der Coronakrise risikoarm entwickelt worden: Tickets sollten online gebucht und durch die Autoscheibe gescannt werden. Essen und Trinken werde man to go anbieten.

Zunächst holte sich Bergmann einen Korb seitens der Stadt. Die Wirtschaftsbehörde verwies auf die für Gesundheit zuständige, Ende April legte deren Chefin, Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) Bedingungen fest: Neben dem obligatorischen Ticketkauf im Internet dürfe es auf der Bühne kein Gruppengeschehen geben, Sanitäreinrichtungen müssten hygienisch einwandfrei sein.

Steven Wiechoczek, Autokino Wismar

„Viele Leute sagen: ‚Wir wollen, dass ihr damit weitermacht!‘ Paaren gefällt es, zu zweit kuscheln zu können.“

Bewegung kommt in die Sache, seit am Dienstag der Senat entsprechende Lockerungen beschloss: Autokinovorführungen unter freiem Himmel dürfen stattfinden – sofern sich nur Personen in einem geschlossenen Auto aufhalten, die in der gleichen Wohnung leben. „Das Auto darf auf dem Veranstaltungsgelände nur zur Nutzung von Sanitäranlagen verlassen werden“, heißt es weiter. Und: Diese Genehmigung kann mit weiteren Auflagen versehen werden, abhängig von den „besonderen Gegebenheiten vor Ort“.

Bergmanns Firma signalisierte am Mittwoch gegenüber der Hamburger Morgenpost Zuversicht und Tatendrang: „Wir wären schneller bereit, als wir dürften“, wird eine namenlose Sprecherin zitiert. Zu einem konkreten Starttermin sagte sie demnach aber noch nichts.

Weiter westlich, auf der Trabrennbahn im Stadtteil Bahrenfeld, wollen Joachim Doose und Dirk Evers von der Firma Outdoor Cine ihr temporäres Autokino eröffnen. „Der Antrag liegt der Behörde vor, wir warten nur noch auf das Okay“, sagte Doose am Dienstag der taz. Man sei zuversichtlich, am 15. Mai starten zu können, vielleicht auch früher. Das Areal hat Evers zufolge Platz für 500 Autos, wenn sie jeweils zwei Meter voneinander entfernt stehen. Allerdings weicht das Konzept an wesentlicher Stelle ab von den Vorstellungen der Gesundheitssenatorin: „Wir haben keine Toiletten“, sagt Evers. „Wer aufs WC muss, verlässt mit dem Auto das Gelände und ordnet sich später wieder in der letzten Reihe ein.“

Das Programm sei schon klar: „Wir beginnen mit zwei Filmen im täglichen Wechsel“, sagt Evers: „‚Die Känguru-Chroniken‘ und ‚Nightlife‘. Wir werden immer ausverkauft sein, vom Start weg bis September oder Oktober.“ Karten gebe es nur online für zwei Personen und Kinder aus dem eigenen Haushalt. Der Preis: 22 Euro pro Auto.

Ob in Hamburg-Bahrenfeld wirklich kommende Woche die Leinwand leuchtet, ist aber noch nicht klar: Im Bezirk Altona, zu dem das Gelände gehört, sind die Grünen stärkste Fraktion – und die sind gegen jeden zusätzlichen Autoverkehr.

Weiter gediehen sind die Autokinopläne des Cine k im niedersächsischen Oldenburg – inklusive stiller Örtchen. „Zunächst war das Ordnungsamt skeptisch“, sagt Wolfgang Bruch, einer von zwei Chef*innen, „doch unser Konzept hat die Bedenken ausgeräumt.“ Er möchte Dixi-Klos auf dem Gelände der Weser-Ems-Hallen aufstellen – dort soll vom 21. bis 31. Mai sogar gleich ein Autokino-Festival stattfinden. „Hier haben bei gebotenem Sicherheitsabstand etwa 200 Autos Platz.“ Alles ganz unproblematisch? Ja – wäre da nicht ein „tragisches“ Moment, wie Bruch es nennt: „Uns wurde der Verkauf von Getränken und Popcorn nicht genehmigt.“ Das Kino bietet daher spezielle Premiumkarten an, um das Publikum zum Beispiel mit Cocktails vom Lieferservice zu versorgen.

Popcorn verboten

Nach Auskunft der Bundesnetzagentur sind in Niedersachsen vier weitere Frequenzen vergeben, in Hannover etwa will die Astor-Gruppe um Cinemaxx-Gründer Hans-Joachim Flebbe auf dem Messegelände Filme zeigen. Aus Schleswig-Holstein nannte die Behörde der taz zunächst keine Zahl – mindestens drei Projekte gibt es aber auch dort: in Ratzeburg, in Flensburg und in Husum.

Zum Zeitpunkt der Anfrage hatte die Bundesnetzagentur zwei Frequenzen in Mecklenburg-Vorpommern erteilt: In Wismar hat ein Autokino schon am 22. April eröffnet. Auch in Schwerin läuft der Betrieb bereits. Die Organisation in Wismar liegt bei dem Veranstaltungstechniker Steven Wiechoczek und einem sechsköpfigen Team. „Wir zeigen ungefähr 20 Streifen in der Woche. Da ist Aktuelles wie ‚Bohemian Rhapsody‘ genauso dabei wie der Klassiker ‚Dirty Dancing‘.“ Waren an den ersten zwei Tagen noch alle Plätze belegt, so habe es sich auf zuletzt 40 bis 60 Autos je Vorstellung eingependelt.

Der Mecklenburger sieht für Wismar sogar eine Chance über die Krise hinaus. „Viele Leute sagen: ‚Wir wollen, dass ihr damit weitermacht!‘ Paaren gefällt es, zu zweit kuscheln zu können.“ Für Dauerbetrieb seien die Kosten zu hoch – aber ein Festival einmal im Jahr komme infrage.

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