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Bedingungsloses GrundeinkommenLinke plant Urwahl

Die Linke will das Thema Grundeinkommen endlich grundsätzlich entscheiden. Der Parteitag im Juni soll verschoben werden.

„Grundeinkommen! Nehmt's von den Reichen“-Transparent in Berlin Mitte Foto: Stefan Boness/Ipon

Berlin taz | Es ist ein hoch umstrittenes Thema in der Linken, doch nun soll es endlich per Mitgliedervortum entschieden werden: Das bedingungslose Grundeinkommen. Derzeit verhandeln der Parteivorstand und die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens über einen Termin. In seiner Sitzung am Dienstag will der Parteivorstand entscheiden, ob man mit den Grundeinkommensbefürwortern eine entsprechende Vereinbarung trifft.

Über das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen konnten sich die Mitglieder in der Vergangenheit trefflich streiten. GewerkschaftlerInnen lehnen es ab, weil es den Mindestlohn versauen und ihrer Klientel wenig bringen könnte. Die Befürworter sehen es als Grundvoraussetzung, um Menschen von Abhängigkeiten zu befreien und ihnen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Zu ihnen gehören beispielsweise die Vizepräsidentin des Bundestags Petra Pau aber auch Parteichefin Katja Kipping

Der Parteivorstand, dem auch Kipping angehört, hätte am liebsten offen gelassen, ob die Linke nun für oder gegen ein solches Bedingungsloses Grundeinkommen ist, um die Partei in dieser Frage nicht zu spalten.

Doch die Grundeinkommensbefürworter wollen eine Entscheidung, sprich einen Mitgliederentscheid. Und sie haben die dafür nötigen Unterschriften zusammen, wie Tilmann Loos einer der Vertrauensleute der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen der taz bestätigte. 3650 Parteimitglieder hätten unterschrieben und möchten über das strittige Thema abstimmen. Das reicht: Laut Satzung müssen es mindestens 5 Prozent der Parteimitglieder sein, das entspricht etwa 3.000 der derzeit 60.000 Mitglieder.

Urabstimmung nach der Bundestagswahl

Geprüft und eingereicht sind die Unterschriften noch nicht. Doch spätestens ein halbes Jahr, nachdem das erledigt ist, muss laut Satzung die Urabstimmung stattfinden. Es sei denn man einigt sich gütlich auf eine Fristverlängerung. Denn ein Mitgliedereintscheid mitten in der Pandemie und kurz vor einem wichtigen Wahljahr? Schwierig.

Der Parteivorstand möchte deshalb mit den Grundeinkommensfans einen Kompromiss aushandeln und die Urabstimmung um mindestens ein Jahr verschieben. In einem Beschlussentwurf für den Parteivorstand, der der taz vorliegt, heißt es: Der Parteivorstand werde auf dem Bundesparteitag beantragen, einen Antrag über einen Mitgliederentscheid herbeizuführen. „Dieser Mitgliederentscheid soll nach der Bundestagswahl, jedoch spätestens ein Jahr danach stattfinden.“ Frühestens im Herbst 2021, spätestens jedoch 2022 will die Linke ihre Mitglieder also befragen, ob die Partei offensiv für ein Grundeinkommen wirbt.

Linken Geschäftsführer Jörg Schindler ist eines von vier Mitgliedern des Parteivorstands, die derzeit mit der AG Grundeinkommen über eine Terminsetzung verhandeln. Er halte eine Festlegung in der Frage des Grundeinkommens zwar nicht für klug, da es in der Linken nun mal sehr verschiedene Auffassungen zu dem Thema gebe. Dennoch müsse man das Rebellische in der Partei zur Kenntnis nehmen, sprich, dass die AG Grundeinkommen, die nötigen Unterschriften für einen Mitgliederentscheid zusammen habe. „Aber vor der Bundestagswahl müssen wir uns das nicht geben, da kommt es auf ein geschlossenes Auftreten an“, sagte Schindler der taz. Als Bundesgeschäftsführer wird es seine Aufgabe es sein, die Linke in den Wahlkampf zu führen. „Hier gilt unser Konzept für einen neuen Sozialstaat, das Partei und Fraktion gemeinsam vertreten.“

Kritiker sehen gravierende Nachteile

Schindler selbst ist ein Kritiker des Grundeinkommens. „Das Anliegen, dass niemand ohne Einkommen sein darf, ist zwar richtig. Das Grundeinkommen hat aber gravierende Nachteile.“ Der Staat würde Milliarden mit der Gießkanne ausschütten und es berge die Gefahr, dass Unternehmen künftig den Mindestlohn ignorierten und auf das Grundeinkommen verwiesen.

Das von Teilen der Linken erarbeitete Grundeinkommenskonzept sieht vor, dass alle Menschen monatlich einen mindestens existenzsichernden Betrag aufs Konto überwiesen bekommen. Um es zu finanzieren möchte die Partei hohe Einkommen und Vermögen stärker besteuern. Weitere Säulen des Sozialstaats wie Sozialversicherungen und der Mindestlohn sollen erhalten bleiben.

In seiner Sitzung am Dienstag will der Parteivorstand auch über eine Verschiebung des ursprünglich für Juni geplanten Parteitages in den Herbst entscheiden. Zur Begründung heißt es in dem Antrag: „Eine sachgemäße politische und organisatorische Vorbereitung ist derzeit nicht möglich.“ Anders als beim Grundeinkommen herrscht in diesem Punkt Einigkeit.

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8 Kommentare

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  • Das Grundeinkommen wäre mal was Revolutionäres, eine Alternative zu der von den Besitzenden indoktrinierten Alternativlosigkeit. Ein Paradigmenwechsel - Arbeit geben statt nehmen. Schlecht bezahlte Jobs würden weniger nachgefragt und müssten besser bezahlt werden. Und es würde die Existenzangst vieler Menschen verringern...



    Wann wenn nicht jetzt?



    Mich selbst betrifft es weniger, aber ich kenne Alleinerziehende, die eine entwürdigende Behandlung bei HartzIV erfahren haben. Da muss sich was Grundlegendes ändern. Ich sehe keinen Grund hier mal regional begrenzte Tests durchzuführen!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Welch ein Armutszeugnis.

    Das Thema Grundeinkommen steht schon seit Ewigkeiten auf der Agenda. Mindestens seit Anfang der 1990er Jahre, als es von Erwerbslosen-Initiativen dorthin lanciert wurde.

    Was seitdem NICHT geschehen ist, kann jeder sehen und fühlen.

    Das Vorgehen der Parteien von rinks bis lechts ist so etwas von schäbig für alle Betroffenen. Ohne Not wäre es möglich, sich zunächst auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, damit erst einmal überhaupt etwas passiert. Schrittweise Verbesserungen könnten folgen.

    Jeder Mensch mit einem Minimum an mediativen Kompetenzen könnte das initiieren. Am Besten ein Nicht-Politiker.

  • Das Problem mit dem Mindestlohn lässt sich doch aber leicht umgehen, indem die Politiker*innen eine Zusatzsteuer einführen, die allen Menschen, deren Nettoeinkommen mehr als monatlich 2000 oder 2500 Euro beträgt, das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) komplett wieder abzieht. Niedrige Einkommen zahlen entsprechend deutlich weniger. Auf diese Weise wären alle Menschen mit niedrigeren Einkommen als dem festgelegten Grenzbetrag besser gestellt als vorher. Und wer für die eigene Arbeit deutlich mehr erhält, könnte entsprechend auch mehr als das BGE beitragen.

    Diese Zusatzsteuer kann dann durchaus auch auf andere Einkommensarten erhoben werden; z.B. Kapitalerträge und andere Sozialleistungen als das BGE.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Quo vadis, LINKE?

    Solche Positionen, wie hier von Herrn Schindler vorgetragen, sind sicher alles andere. Aber nicht links.

    Manch einer ist in der falschen Partei und merkt es nicht. Er braucht offenbar Anschubhilfe.

    Die Zeiten dafür sind doch ideal.

  • Ich bin ganz klar für das bedingungslose grundeinkommen .damit die linke stärker wird und damit die grundeinkommensbefürwörter*innen in ihr stärker werden und die abstimmung gewinnen sollten alle die für das grundeinkommen sind der linken beitreten.so kommt sie zu vielen neuen mitgliedern.die wegen der corona-virus epidemie notwendige verschiebung der abstimmung lässt für eine solche strategie genug zeit.das laboristische lager das nicht für ein bedingungsloses grundeinkommen ist kann selbstverständlich auch versuchen laboristisch gesinnte menschen dafür zu gewinnen der partei beizutreten.es wird dabei aber meiner einschätzung nach weniger erfolg haben-denn das präkariat ist gross und die zahl der arbeitsnehmer*innen deren interessen von den gewerkschaften noch vertreten werden ist schon seit jahrzehnten gesunken und sinkt weiter



    wenn die linke für ein bedingungsloses grundeinkommen eintritt wird sie eine richtig starke partei.



    eine solche wird auch gebraucht um sowohl die neoliberalen als auch die rechtspopulisten entschieden und kompromisslos zu bekämpfen.

  • ".... und es berge die Gefahr, dass Unternehmen künftig den Mindestlohn ignorierten und auf das Grundeinkommen verwiesen.".



    Was ist das für ein bescheuertes Argument? Der Mindestlohn ist gesetzlich vorgeschrieben. Wer sich nicht daran hält macht sich strafbar. Schindler redet Blödsinn.

  • Seriös wäre es, wenn man als Befürworter eine b.Grundeinkommens mal großangelegte Versuche fordern würde. Und nicht nur die möglichst baldige Umsetzung.

    Für so ein Konzept fehlt JEDE praktische Erfahrung.

    Man kann das doch mal in einem kleineren Bundesland für 10 Jahre oder so testen als Modellversuch.

  • "Der Staat würde Milliarden mit der Gießkanne ausschütten und es berge die Gefahr, dass Unternehmen künftig den Mindestlohn ignorierten und auf das Grundeinkommen verwiesen.". Es ist doch nur eine Frage der Geldverteilung. Seit wann hat der Staat Probleme, Gelder aufzutreiben? Geht doch immer für Banken etc. Wenn man die Zukunftsvisionen der großen z. B. Amazon sieht, wo es Kaufhäuser ohne Personal gibt, wo sollen denn die Leute hin und vor allem, woher soll das Geld kommen, wenn nicht über Arbeit? Grundeinkommen lässt sich gar nicht vermeiden, nur verschieben.