Kommentar von Ralf Pauli zum Exitaus dem Corona-Shutdown: Lasst die Schulen zu!
Zugegeben: Es ist eine Steilvorlage für zynische Kommentare, wenn eine Arbeitsgruppe aus 24 Männern und zwei Frauen empfiehlt, die Kitas bis zu den Sommerferien geschlossen zu halten – die baldige Wiederöffnung von Läden und Gasthäusern hingegen für unbedenklich hält. Den Wissenschaftler:innen der Nationalen Akademie Leopoldina, die am Montag einen möglichen Corona-Exit-Fahrplan skizziert haben, scheint entgangen (oder gleichgültig) zu sein, welchem der beiden Elternteile diese Empfehlung eine bis zu dreimonatige Zwangspause im Beruf bescheren dürfte. Entsprechend ist die Stimmung im Netz.
Die Argumentation der Leopoldina gegen eine baldige Kita-Öffnung ist zwar stichhaltig: Kleine Kinder halten sich nicht an Hygienevorschriften, also ist eine Öffnung der Kindertagesstätten – gesamtgesellschaftlich – unverantwortlich. Verwunderlich ist, dass dasselbe Argument bei älteren Kitakindern und Grundschüler:innen plötzlich keine Rolle mehr spielt. Die nämlich sollen baldmöglichst wieder unterrichtet werden, zwar in kleineren Gruppen, zeitversetzt und mit Mundschutz. Wie das aber – allein personell – umgesetzt werden soll, bleibt unklar. Zumal auch schwer vorstellbar ist, dass Drittklässler:innen auch nur eine Stunde den gebotenen Abstand wahren könnten.
Paradoxerweise sollen dafür ältere Schüler:innen und Studierende, die sich sehr wohl an Schutzmaßnahmen halten können, zunächst weiter zu Hause lernen. Logischer wäre es genau andersherum: Erst sollten die weiterführenden Schulen öffnen, dann die Grundschulen und zum Schluss die Kitas. Sinnvoll ist aber auch das nicht. Richtig wäre, bei den aktuellen Infektionszahlen alle Schulen weiter geschlossen zu halten. Denn wie viele Schüler:innen, Lehrer:innen, Eltern und Großeltern zur Risikogruppe gehören, ist den Behörden gar nicht bekannt. Und selbst wenn: Muss ein Jugendlicher ernsthaft selbst abwägen, ob er die Schule schwänzen oder seinen Vater in Lebensgefahr bringen möchte? Wenn die Schulen jetzt öffnen, dürften also nur diejenigen hingehen, die wirklich niemanden gefährden können. Allein diese Benachteiligung verbietet eine rasche Wiedereröffnung.
Man kann also nur hoffen, dass sich die Ministerpräsident:innen, die am Mittwoch mit Kanzlerin Merkel über erste Coronalockerungen beraten, nicht den Empfehlungen der Akademie für den Bildungsbereich folgen. Das jedoch muss man befürchten. Zumindest sprach Bildungsministerin Anja Karliczek von einer „exzellenten Beratungsgrundlage“ für die anstehenden Bund-Länder-Gespräche. Die meisten Länder halten sich mit Ankündigungen, was nach dem 19. April passiert, bedeckt. Nur NRW hat angekündigt, ab Montag wieder die Schulen zu öffnen.
Wahrscheinlich läuft es genau wie vor den flächendeckenden Schulschließungen im März. Die Länder einigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen, und dann macht jedes Land, was es für das Beste hält.
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