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Ein einfachesVersprechen

Fairtrade soll Gewinn für alle Beteiligten bedeuten. Aber tut er das auch? Und wann stößt das System an seine Grenzen? Ein Besuch bei einem Hamburger Start-up und in Südafrika

Die süd­afrikanischen Zeder­berge sind das weltweit einzige Gebiet für den Anbau von Rooibos

Aus Hamburg und Nieuwoudtville Caroline Wiemann, Hannah Steinharter (Text) und Fabian Sommer (Fotos)

Hamburg, Sankt Pauli. Charitea-Firmengründer Felix Langguth öffnet die Glastür zu seinem Büro, das an ein Wohnzimmer erinnert. Zwei grüne Samtsessel stehen um einen Tisch aus zusammengebauten Getränkekisten. Felix Langguth lässt sich in einen der Sessel fallen und schraubt sich eine Flasche mit rotem Eistee auf, „Rooibos-Tee mit Pas­sions­frucht, biologisch angebaut und frisch aufgebrüht“ steht darauf.

Kaum eine deutsche Getränkefirma kommt so hip daher wie Charitea. Der Tee ist fair gehandelt, bio, vegan. Das verspricht die weiße Schrift auf der 0,3-Liter-Glasflasche. Es gibt ihn in Rot, Gelb und Braun. Der Name des Getränks soll ausdrücken, dass die Kon­su­men­t*in­nen mit ihrem Kauf anderen eine Wohltat erweisen: „Charitea“ – ein Wortspiel aus „Gemeinnützigkeit“ und „Tee“.

Eine Flasche Charitea kostet 2,60 Euro. Davon gehen 5 Cent an einen gemeinnützigen Verein, der soziale Projekte in den Partnerländern von Charitea fördert, etwa Schulen in Paraguay und Solaranlagen in Südafrika.

„So wurden bis heute mehr als 4 Millionen Euro für Sozialprojekte in den Anbauregionen gesammelt“, schreibt das Unternehmen auf der Website. Seinen Produzenten zahlt es faire Preise und unterstützt auf diese Weise Kleinbauern und ihre Familien.

Ein Konzept mit Erfolg. Charitea findet man nicht nur in Bioläden, auch große Supermarktketten haben die Fairtrade-Limo ins Sortiment aufgenommen. Immer mehr Menschen legen Wert darauf, dass die Produkte, die sie kaufen, unter guten Bedingungen hergestellt wurden. 20,50 Euro gaben Verbraucher*innen in Deutschland 2018 im Schnitt für Fairtrade-Waren aus. Rund 15 Prozent mehr als noch 2017.

Das Versprechen von Fairtrade und Charitea ist einfach: Ein Wirtschaftssystem, das allen guttut. Doch macht Fairtrade tatsächlich einen Unterschied für die Rooibos-Bauern in Süd­afrika? Wann stößt das Versprechen von einer besseren Welt an seine Grenzen?

Antworten soll ein Besuch in Südafrika bringen. Bei den Geschäftspartnern von Charitea, einem Bauern, der trotz Fairtrade zu wenig Einnahmen hat, und auf einer Rooibosfarm, die für den freien Markt produziert.

Nieuwoudtville, Südafrika. Hamburg ist weit weg, Kapstadt etwa 300 Kilometer. Die Gemeinde liegt in den Zederbergen, dem weltweit einzigen Anbaugebiet für Rooibos, einen drahtigen kleinen Busch mit feinen Nadeln, der an Rosmarin erinnert.

„Wir bieten den Mitgliedern und ihren Familien viel“

René Marinus

Die Gemeinde Nieuwoudtville ist auch die Zentrale der Heiveld-Kooperative, des Partners von Charitea in Südafrika. Ein Zusammenschluss aus 64 Klein­bäue­r*in­nen, die Rooi­bos­tee biologisch anbauen und zu Preisen exportieren, die über denen auf dem freien Markt liegen. Nicht nur an Charitea, sondern auch an die Weltläden in Deutschland und die französische Biokette Jar­dins de ­Gaïa.

Die Geschäfte der Kooperative führen zwei Frauen. René Marinus und Alida Afrika sind die Managerinnen von Heiveld und seit mehr als zehn Jahren mit Felix Langguth im Geschäft. An diesem Morgen sitzen sie im Schatten eines langen Vordachs, rauchen und schauen auf die sandige Dorfstraße von Nieu­woudt­ville.

„Wir bieten den Mitgliedern und ihren Familien sehr viel“, sagt René Marinus. „Sie können ihr eigenes Land selbst bewirtschaften, auch wenn es noch so klein ist, und unsere Geräte zur Verarbeitung benutzen.“

Die Heiveld-Kooperative läuft unter dem FLO-Siegel. Das Label der Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) ist das bekannteste Siegel für fairen Handel. Wer es nutzen will, muss faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und langfristige Handelsbeziehungen nachweisen. Dazu kommt eine Fairtrade-Prämie, die die Abnehmer an die Produzenten zahlen.

Ihren Mitgliedern zahlt die Kooperative 100 Rand für das Kilo Rooibos, umgerechnet rund 6 Euro. Anderswo werden zwischen 5 und 25 Rand gezahlt. Auch die Arbeiter, die in der Produktion der Kooperative arbeiten, werden besser bezahlt als in kommerziellen Betrieben. Sie erhalten 25 Rand pro Stunde, etwa 1,40 Euro. Deutlich mehr als den südafrikanischen Mindestlohn. Die Kooperative handelt zudem ihren eigenen Exportpreis für den Rooibos aus – der deutlich über den Preisen kon­ven­tio­nel­ler Großfarmen liegt.

Was sich simpel anhört, ist für die Mitglieder der Kooperative ein Meilenstein. Denn die Heiveld-Kooperative ist ein Zusammenschluss aus Landwirten, die lange unter der rassistischen Zuschreibung der „Co­loureds“ zusammengefasst wurden. Bis in die 90er Jahre war ihnen der Anbau von Rooibos verboten. Noch heute liegen 98 Prozent des Anbaugebiets in den Händen von weißen Farmern.

Die Geschichte der Heiveld-Kooperative sei „wie David und Goliath“, schreibt Charitea auf seiner Website. Klein gegen groß, Fairtrade gegen den globalisierten Großhandel.

Eine Geschichte, die jahrelang gut funktionierte – bis zum Sommer vor zwei Jahren. Seither ist alles anders. Denn in Südafrika herrscht Dürre: Das Wasser ist knapp und der Boden trocken. Die Lagerhallen der Kooperative stehen leer, die Vorräte sind aufgebraucht. Ein Problem, nicht nur für die Landwirte der Kooperative, sondern auch für Charitea.

25 Tonnen Rooibos braucht das deutsche Unternehmen jedes Jahr für die Produktion. Die südafrikanische Kooperative kann diese Menge liefern, wenn es zur richtigen Zeit regnet, wenn keine Schädlinge die Pflanzen befallen, wenn der Tee zuverlässig wächst. Seit einigen Jahren ist auf viele dieser „Wenns“ kein Verlass mehr.

Für Mari Roussow ist der Rooibos-Anbau ein lukratives Geschäft

Statt wie in guten Zeiten 100 Tonnen, konnte Heiveld 2018 nur 14 Tonnen ernten. 2019 immerhin 24 Tonnen. Auch in diesem Jahr wird die Ernte vermutlich niedrig ausfallen. Ein Engpass, der auch die Fairtrade-Beziehung von Charitea und der Kooperative belastet.

Exportmanagerin René Marinus spricht nicht gern über die Ernteausfälle der vergangenen Jahre. Doch das ist wichtig, will man die Probleme, vielleicht auch die Grenzen einer fairen Geschäftsbeziehung verstehen.

Kurz nach dem schlechten Ernteergebnis von 2018 informierte die Kooperative Langguth und seine Firma. Sie teilte ihm außerdem mit, dass ihr Rooibos teurer sei, die Mitglieder der Kooperative sollten ja weiterhin von der Ernte leben können.

In Hamburg erinnert sich Felix Langguth zurück an diese Zeit. „Es war für beide Seiten eine unschöne Situation“, sagt er. Sie hätten damals nicht gegen ihre Überzeugungen handeln wollen, aber auch nicht gegen die eigene Wirtschaftlichkeit. Man müsse in so einer Situation verhandeln, meint Langguth: „Den Preis, den ihr jetzt aufruft, braucht ihr den wirklich? Uns tut er weh. Könnt ihr nicht noch auf etwas verzichten, und wir verzichten auch auf etwas?“

Die Dürre trifft die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen der Kooperative besonders hart. Verzicht ist da schwierig.

Das Problem ist der Wassermangel. Künstliche Bewässerung ist selbst für reiche Farmer wenig wirtschaftlich. Sie ist zu teuer und aufwendig. Die Rooibos-Bauern sind daher auf Regen angewiesen. Bleibt dieser aus, wird die Pflanze anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Weil die Kooperative biologisch anbaut und keine Pestizide oder genetisch verändertes Saatgut verwendet, sind ihre Ernteausfälle oft gravierender als die konventioneller Großfarmer. Daran ändert auch die Fairtrade-Partnerschaft mit Charitea nichts.

Auch Andreas Kotze bangt um seine Ernte. Über einen sandigen Feldweg führt der Kleinbauer zu seinem Hektar Land. Der 31-Jährige ist seit 2008 in der Kooperative. Auf seinem Acker wächst der Rooibos wild durcheinander statt in geraden Linien wie auf den konventionellen Farmen. Kotze hat keine Maschinen, die die Saat für ihn ausfahren. Er wirft jeden Samen von Hand ins Beet, die Pflanzen sprießen dort, wo die Samen landen.

„Irgendwann stößt man als Unternehmen auch an seine Grenzen“

Felix Langguth

Obwohl noch viel Zeit bis zur Ernte ist, weiß Kotze jetzt schon, dass das nächste Jahr schwierig wird für ihn und seine Familie. Vermutlich wird er als Tagelöhner auf anderen Teefarmen arbeiten müssen. Weil sein Land nur etwa einen Hektar groß ist, kann er Ernteausfälle schwer ausgleichen. „In guten Jahren ernte ich zwischen 400 und 500 Kilogramm Rooibos“, sagt er. Sein Gewinn liegt dann bei rund 2.000 Euro. Nicht genug, um seine Familie zu ernähren, trotz Fairtrade.

Das liegt vor allem daran, dass An­dreas Kotze zu wenig Land besitzt: „Weil ich co­loured bin, will mir niemand welches verkaufen“, sagt der 31-Jährige. „Den Hektar, den ich besitze, hat mir mein Vater vererbt.“ Andreas Kotze ist Nachfahr der ursprünglichen Einheimischen, der Khoisan, die seit Generationen den Rooibostee als Heilpflanze anbauen und das Wissen darüber an ihre Nachkommen weitergeben. Im Zuge der Apartheid verloren viele Khoisan ihre Anbaugebiete an die europäischen Einwanderer, auch Kotzes Vorfahren. Er deutet in die Ferne. „Die weiße Nachbarfarm gehörte einst meiner Familie.“

Der Kleinbauer glaubt nicht, dass er sie jemals zurückbekommt – dabei ist genau das offi­ziell geplant. Der süd­afri­ka­ni­sche Präsident Cyril Ramaphosa will umsetzen, was seit Ende der Apartheid in der südafrikanischen Verfassung steht: Land, das seinen Besitzern unrechtmäßig entzogen wurde, soll zurückgegeben werden. Gegebenenfalls auch ohne Entschädigung.

Viele Nachfahren der Khoisan in Südafrika besitzen kein eigenes Land und müssen sich auf großen Farmen anstellen lassen. Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die Rooibosfirmen 2019 immerhin bereit erklärt, 1,5 Pro­zent des Abnahmepreises an Gemeinschaften der Khoisan zu zahlen.

Nicht weit von Kotzes Haus in Nieuwoudtville entfernt steht eine dieser Farmen. Eine 500 Meter lange Pinien­allee führt von der Hauptstraße des Dorfs zum Anwesen von Mari Roussow und ihrem Mann. Die hohen Bäume wirken wie Fremdkörper zwischen den kargen Büschen auf rotem Sand. Das große Metalltor zum Anwesen öffnet sich elektrisch, Rasensprenger bewässern sattgrüne Wiesen und eine Pferdekoppel neben dem Wohnhaus der Familie. Weiß getünchte Mauern umranden die Oase.

2012 hat sich das Ehepaar entschlossen, Rooibosfarmer zu werden. Als weiße Südafrikaner war es für sie – anders als für An­dreas Kotze – kein Problem, die 400 Hektar große Farm in Nieuwoudtville zu kaufen. Sie haben das Geld und die Kontakte. Und sie sind weiß.

Mari Roussow ist stolz auf ihr Anwesen. Sie läuft quer über den Hof in die angrenzenden Pferdestallungen, wo sich ihr Büro befindet.

Die Dürre wird für den Rooibos-Bauern Andreas Kotze zum Problem

Ursprünglich waren Roussow und ihr Mann Schaf-Farmer, das betreiben sie im Nebengeschäft noch weiter, ein sicheres Standbein neben dem unsicheren Rooibosanbau. Aber auch Mari Roussow macht sich wegen der Dürre langsam Sorgen um ihr Teegeschäft und überlegt, demnächst auf Trauben umzusteigen. Die lassen sich einfacher bewässern. Aber erst einmal versuchen sie es noch mit dem Tee.

Ihren Rooibos bauen die Roussows nicht in erster Linie fair an wie die Heiveld-Kooperative, sondern ökologisch. Dafür hat die Farm ein UTZ-Siegel bekommen, das für die Umweltverträglichkeit des Anbaus steht. Zusätzlich sieht das Siegel soziale Kriterien vor, etwa das Verbot von Kinderarbeit. Eine Prämie, die am Ende der Saison an die Arbeiter ausgeschüttet wird, gibt es nicht. Für die Kon­su­men­t*in­nen in Europa sind die Unterschiede der Siegel auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar, vor Ort aber stehen sie für Unterschiede der Arbeitsplätze.

So bestätigt das UTZ-Label der Roussows zwar Umweltverträglichkeit, erlaubt aber Gentechnik und hat keine klaren Biokriterien festgelegt, denen die Rohstoffe entsprechen müssen. Auch ein Mindestpreis für die Rohware ist nicht festgelegt, den Preis regelt der freie Markt.

Für Mari Roussow beginnt der Arbeitstag im Sommer zwischen sechs und sieben Uhr. 15 Feldarbeiter streifen durch die gleichmäßigen Reihen der kilometerlangen Rooibosfelder. Sie jäten Unkraut und stutzen die Teepflanzen an diesem Morgen von Hand. Ein Vorarbeiter und Mari Roussows Schwiegersohn stehen im Schatten und beobachten die Gruppe. Die Arbeiter machen schweigend ihren Job.

Mari Roussow dagegen redet laut und überschwänglich. Mit ihrem schwarzen Pick-up prescht sie über ihr Grundstück, präsentiert Ländereien und High­­tech­trak­to­ren. Noch ist der Rooibos-Anbau für sie ein lukratives Geschäft. Zumal sie sogar aus den Abfällen Geld macht. Den Staub, der bei der Verarbeitung des Tees abfällt, verkauft sie seit Kurzem an eine Kosmetikfirma.

Lena Kotze ist Mitglied der Heiveld-Kooperative und kann gut vom Rooibos leben

Nicht so gern redet sie hingegen über die Arbeitsbedingungen auf ihren Plantagen. „Ich verstehe nicht, warum die Leute immer nur das interessiert“, sagt sie und wirkt aufgebracht. „Ich behandle meine Arbeiter sehr gut.“

Anders als bei der Heiveld-Kooperative sind die 15 Arbeiter auf Roussows Farm angestellt. Sie verdienen laut Mari Roussow exakt den Mindestlohn, 20 Rand pro Stunde. „Aber dafür lasse ich ihre Uniformen waschen, stelle ihnen Unterkunft und Verpflegung und organisiere einmal im Jahr einen Bus, der die Arbeiter zu ihren Familien nach Johannesburg fährt.“

Fragt man die Arbeiter selbst in einer ruhigen Minute abseits des Vorarbeiters, reagieren sie zurückhaltend. Er wisse nichts von einem Mindestlohn, sagt einer.

Andreas Kotze ist froh, dass er nicht bei Mari Roussow auf der Farm arbeiten muss. Die Heiveld-Kooperative und sein Stück Land bewahren ihm ein Stück Freiheit. Auch wenn er allein von seinem Rooibosfeld nicht leben kann.

Eine, die es dagegen geschafft hat, ist seine Cousine: Lena Kotze ist 46 Jahre alt, kinderlos und hat von ihrer Familie viermal so viel Land geerbt wie Andreas Kotze. Sie lebt ausschließlich vom Rooibos-Anbau. Als sie von ihrer Hochzeit erzählt, lacht sie, die goldenen Schneidezähne glitzern in der Sonne. Seit Kurzem wohnt Lena Kotze mit ihrer Frau in einem kleinen Steinhaus auf der abgelegenen Farm, auf der auch Andreas Kotze sein Rooibosfeld hat. Insgesamt leben rund 40 Menschen hier in selbst gebauten Häusern und Hütten. Dazwischen Sand und Rooibospflanzen, so weit das Auge reicht. Auch Lena Kotze macht bei Heiveld mit, sie ist Vizevorsitzende der Kooperative. „Jede Frau, die in der Kooperative ist, hat ihr eigenes Bankkonto und bewirtschaftet ihr eigenes Land“, sagt sie stolz und führt in Flipflops über ihr Feld.

Felix Langguth ist Mitgründer von Charitea und verkauft gutes Gewissen in Flaschen

Die Heiveld-Kooperative legt großen Wert auf die Gleichberechtigung der Geschlechter. Rund die Hälfte der 64 Mitglieder sind Frauen, viele davon in Führungspositionen. „Wir sind stolz darauf, dass Frauen bei uns die gleichen Chancen haben wie Männer“, erzählt Lena Kotze. „Ich kann jeden Monat etwas Geld zurücklegen und mich so absichern. Und mir auch mal was gönnen“, sagt sie.

Lena Kotze bewirtschaftet nicht nur ihr Land, sie ist außerdem auch ­Mentorfarmerin, eine Führungsperson, die ihr Wissen über den Rooibos-Anbau an die Mitglieder der Kooperative weitergibt.

Von ihrem Einkommen kann die Farmerin gut leben. Durch die Kooperative ist sie unabhängig und verdient mit ihrem Tee genug Geld. Würden Charitea und die Kooperative nicht mehr zusammenarbeiten, sähe das vermutlich anders aus. Dann müsste sie Teile ihrer Ernte an die großen Farmen in der Umgebung verkaufen. Dort würde sie bis zu 95 Rand weniger für das Kilo bekommen als bei der Kooperative. Auch als Angestellte bei einer kommerziellen Farm würde sie rund ein Viertel weniger verdienen – wenn sie als Frau überhaupt angestellt würde.

Im letzten Jahr konnten sich Charitea und die Heiveld-Kooperative schließlich einigen. Nach zähen Verhandlungen.

Im Besprechungsraum der Kooperative erinnert sich René Marinus an ihre Bemühungen, Fairtrade und Wirtschaftlichkeit auszubalancieren. „Als wir wussten, dass unser Tee nicht reicht, haben wir versucht, Tee nach unseren Standards dazuzukaufen. Wir wollten Charitea mehr Rooibos anbieten können“, erklärt sie.

Der Rooibos wird im Januar geerntet

Charitea war dieses zusätzliche Angebot zu teuer. Sie wollten Heiveld nur einen Teil des Rooibos abnehmen und den Rest dazukaufen, von einem weißen Farmer mit Fairtrade-Lablel. „Das hat uns getroffen“, sagt René Marinus. Es war der Moment, in dem die Geschäftsbeziehung zwischen Charitea und der Kooperative fast zerbrochen wäre.

In Hamburg sitzt Felix Langguth im Samtsessel und dreht am Flaschenverschluss seiner Rooibos-Limo. „Natürlich versuchen wir unseren Geschäftspartnern zur Seite zu stehen, aber irgendwann stößt man als Unternehmen auch an seine Grenzen“, sagt er.

Schließlich müsse das Unternehmen in Deutschland Löhne für hundert Mitarbeiter zahlen, Mieten und Produktionskosten decken. „Da können wir natürlich nicht die Hälfte der Menge für den fünffachen Preis einkaufen. Niemandem ist geholfen, wenn wir als Unternehmen nicht mehr bestehen ­können.“

Am Ende kaufte Charitea zwei Drittel des benötigten Rooibos von Heiveld, zu einem Preis, der rund 25 Prozent ­höher war als in den Jahren davor. ­Langguth grinst, als er an die Verhand­lungen mit der südafrikanischen ­Kooperative denkt. „Wir sitzen da schon lange Geschäfts­partnern auf Augenhöhe gegenüber, die wir nicht mal eben so unter den Tisch quatschen können.“

Die Handelspartner wollen auch in Zukunft zusammenarbeiten. Sofern der Regen sie nicht im Stich lässt.

Caroline Wiemann, 27, und Hannah Steinharter, 27, sind freie Journalistinnen. Für ihre Reise haben sie das Friedrich und Isabel Vogel Stipendium erhalten.

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