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Kommentar von Alexander Diehl über Verwerfungen in der politischen MitteGelbe Eintracht und schwarze Scharmützel

Es ist wieder viel die Rede von der Mitte. Im jüngsten Wahlkampf beanspruchte die FDP wie selbstverständlich einen Platz auf jener grünen Weide der politischen Vernunft und des in maßvoller Lautstärke ausgetragenen Disputs. Sie sei gar die einzige Partei, die den dort sich heimisch fühlenden Menschen noch Heimat biete. Wie überzeugend das war? Nun, die FDP ist in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr in Fraktionsstärke in der Bürgerschaft vertreten. Einzig Anna von Treuenfels wird einen Platz einnehmen; täte sie es nicht, käme Fabrice Henrici zum Zuge, Chef der Jungen Liberalen in Altona.

Die Julis aber – in eigenen Worten die „selbstständige Jugendorganisation, die der FDP nahesteht“ – haben jetzt ihre Wahlnachlese betrieben. Und? Zusammenhalt wollen sie demonstrieren und der absehbar einzigen Abgeordneten beistehen. Und überhaupt, so der frisch bestätigte Juli-Vorsitzende Carl Cevin-Key Coste, „ging es bei den Wahlen nie um Diäten. Uns geht es darum, unsere Inhalte und Positionen politisch einzubringen.“

Was diese jungen, wilden Liberalen also nicht taten, war nachzutreten, nun, da die Niederlage der ihnen nahestehenden Erwachsenen nicht wegzuverhandeln ist (und das Nachtreten billig). Womit sich die derzeitigen Verhältnisse am liberalen Abendbrottisch größtmöglich unterscheiden von denen der anderen großen Wahlverlierer*innen: den Chrisdemokrat*innen. Auch Hamburgs Junge Union – aka die „unabhängige Jugendvereinigung der CDU und CSU“ – hat über die Schlappe nachgedacht.

Die sieht anders aus als die der FDP, aber für eine Irgendwie-immer-noch-Volkspartei sind schmale 11,2 Prozent beinahe, wie gar nicht reinkommen. Hier aber wurden die Messer gewetzt und Köpfe sollen rollen: Wer, wie Spitzenkandidat Marcus Weinberg, „unsere Inhalte nicht erfolgreich im Wahlkampf vermitteln konnte, dies auch in möglichen Koalitionsgesprächen nicht schaffen kann“. Weinberg empfand das übrigens ganz ausdrücklich als Nachtreten, aber da muss er sich geirrt haben. So was machen sie nicht, da in der Mitte, wo die Vernunft zu Hause ist.

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