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Vorwahlen in den USAEin Zauber in allen Dingen

Der Präsidentschaftswahlkampf ist ein Quell ewigen Vergnügens, aber auch der Verstörung. Ein Riesenzirkus – und am Ende? Biden gegen Sanders.

Wahlen in den USA: Ein riesen Zirkus, damit am Ende wieder nur dasselbe raus kommt Foto: Ringo H.W.Chiu/ap

S teckdosen. Rollatoren. Wasserhähne. Gehstöcke. Mülltonnen. Krankenhausnachthemden. Stehlampen. Lkws. Klobrillen. ­Klokabinen. Klokabinentüren. Klokabinen­türriegel. So weit meine unvollständige Auf­zählung der Dinge, die aus mir unerklärlichen Gründen in den USA vollkommen anders aussehen als in ­Europa. Und das ist eine ebenso wertungsfreie wie bereichernde Beobachtung: Alles funktioniert im Grunde genauso gut, nur eben anders.

Wenn man sich wie ich gerade in einem anderen Land aufhält, kommt einem das irgendwann nicht mehr faszinierend vor, sondern gewöhnlich. Ab und an wird man mal den Wasserhahn fast aus der Wand reißen, weil man schlaftrunken vergessen hat, dass man ihn hier nicht nach vorne kippt, sondern im Uhrzeigersinn aufdreht, ansonsten aber verlieren die Dinge leider sehr bald ihren Zauber. Anders verhält es sich mit der Politik. Der Präsidentschaftswahlkampf ist ein Quell ewigen Vergnügens, aber auch der Verstörung.

Eine kurze Bestandsaufnahme: Im Rennen sind, von ursprünglich 29 Kandidat*innen, Stand Redaktionsschluss dieser Ausgabe – und es ändert sich bekanntlich schneller, als Sie „primary“ sagen können – noch 3. Eine Frau, zwei Männer. Erstere, 38, hat bisher null Delegierte auf sich vereinen können, die anderen beiden liegen inzwischen bei 1.178 und sind zusammen 155 Jahre alt. Ich möchte mich jetzt gar nicht darauf einlassen, warum einer womöglich der geeignetere Präsident wäre als die oder der andere. Wie sollte ich darüber auch ein qualifiziertes Urteil abgeben können, wenn ich schon vor Klobrillen und Motorhauben in Staunen verharre? Es ist aber doch erstaunlich, mit welcher Kraft – man möchte fast sagen: Naturgewalt, aber dazu später – sich das doch einigermaßen diverse Kandidat*innenfeld der Demokratischen Partei in diesem Jahr fein säuberlich teilte, wie Magnetstaub, so dass am Ende übrig blieben: zwei alte weiße Männer, die schon seit vielen Jahrzehnten dasselbe machen. Was nicht heißt, dass sie das Falsche machen. Aber andere, die es vielleicht noch besser machen, kommen nicht durch (und ich spreche nicht von Tulsi Gabbard).

Ein Riesenzirkus wurde in den vergangenen Monaten veranstaltet, die Leute spendeten Geld und lasen Programme, sie gingen zu Infoabenden und fuhren zu Kundgebungen und saßen auf Wahlpartys herum, ein dritter alter weißer Mann machte 500 Millionen Dollar von seinem Taschengeld locker, um auch mal seine eigene Präsidentschaftskandidatur gehabt zu haben – und das alles, damit am Ende wieder nur dasselbe raus kommt, irgendwas mit „Establishment“ gegen „Revolution“, das viele Leitartikel produziert, aber keine progressive Politik. Was machen diejenigen, die Amy Klobuchar oder Elizabeth Warren ihre Stimme gaben? Sie müssen jetzt notgedrungen einen der beiden wählen, den sie nicht wollten, oder sich enthalten und den Vorwurf ertragen, sie hätten Donald Trump zu einer zweiten Amtszeit verholfen.

Bestraft für ihre Kompetenz

Elizabeth Warren war, daran zweifelten oft nicht mal ihre stärksten Gegner, eine der fähigsten Kandidat*innen, vielleicht sogar die beste. Aber das war wieder mal nicht genug. „Amerika hat Elizabeth Warren für ihre Kompetenz bestraft“, titelte das Magazin The Atlantic in dieser Woche sehr schön und leider auch sehr wahr. „Wenn ich sie sprechen höre“, wird in dem Text eine Frau (!) zitiert, „möchte ich sie ohrfeigen. Auch wenn ich eigentlich mit ihr übereinstimme.“ Das könnte man im Rahmen der deutsch-amerikanischen Politkomparatistik als ein weiteres Kuriosum belächeln. Tatsächlich habe ich genau diese Aussage schon mal gehört – in Bezug auf Andrea Nahles.

Schon komisch, wie sich die Dinge und Gewohnheiten auf einmal dort ähneln, wo man das überhaupt nicht braucht (anders als etwa bei Steckdosen). Und dass sie anderswo wiederum so liegen, wie man es auch daheim gebrauchen könnte. Während Thüringen schon wieder kurz vor der Demokratieperversion stand, gingen hier in Tennessee die Menschen wählen, obwohl in der Nacht eine tatsächliche Naturgewalt durch ihre Häuser gefegt war. Der Tornado tötete 25 Menschen, er zerstörte Existenzen und ganze Blocks, es sieht an manchen Ecken aus wie in einem Roland-Emmerich-Film kurz nach der Invasion hässlicher Aliens. Aber neben Notunterkünften wurden am Dienstag mit beinahe derselben Priorität Wahllokale eingerichtet. Für, wohlgemerkt, „nur“ Vorwahlen. Da war er wieder, der Zauber.

Ich muss übrigens zugeben: Mir fiel es auch gelegentlich schwer, Elizabeth Warren zuzuhören, ihre Stimme ist immer ein bisschen zittrig und ein bisschen vorwurfsvoll, irgendwie widerstrebte mir das, und vor ein paar Tagen erst ertappte ich mich bei dem Gedanken: Kannst du dir echt vorstellen, dass DIE im Oval Office sitzt? Aber dann ohrfeigte ich kurzerhand MICH. Da ging’s plötzlich wieder.

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Johanna Roth
taz-Autorin
ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.
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1 Kommentar

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  • Bernie ist das Original. Warren war ein schlechter Abklatsch. Keiner kann Bernie das Wasser reichen. Es reicht ein Blick auf sein Curriculum.