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Opposition wird zu klein

Nach dem FDP-Aus können in Hamburg Linke und CDU ihre Minderheitenrechte ohne AfD-Stimmen nicht wahrnehmen

Von Kaija Kutter

Zu 99 Prozent war gestern sicher, dass die FDP nicht in die Bürgerschaft kommt, die AfD indes schon. „Anders herum wäre es besser gewesen“, sagt Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Linken. Denn eine neue rot-grüne Koalition wird eine Zweidrittelmehrheit haben und die Opposition aus CDU und Linke – ohne die AfD – zu klein, um ihre Rechte wahrzunehmen.

Für eine Öffentliche Anhörung etwa, für ein Aktenvorlageersuchen oder für einen Parlamentarischen Untersuchungsauschuss, braucht die Opposition ein Viertel der Stimmen, also 31 der 121 Abgeordneten. Doch Linke und CDU kommen künftig wohl nicht über 30 Sitze und wären auf die AfD angewiesen.

„Das ist für uns ein Problem. Ein Abstimmen mit der AfD kommt nicht in Frage“, sagt Boeddinghaus. „Ich erwarte, dass uns eine neue Regierung entgegenkommt“. Dies könne durch geänderte Quoren oder durch eine Vereinbarung geschehen. „Es ist eine Grundlage der Demokratie, dass es für die Opposition auch Minderheitenrechte gibt“, ergänzt die Linke Heike Sudmann. Diese dürften nicht von AfD abhängig sein. „Gerade nach Thüringen erwarte ich jetzt eine klare Ansage von der SPD.“ Dort hielt man die Frage gestern für zu früh. Erst müsse man das amtliche Ergebnis und die Sondierungsgespräche abwarten, so Felix Koopmann, Sprecher der SPD-Fraktion.

Das gleiche Problem hat übrigens Niedersachsen. Seit 2017 bildet dort die SPD mit der CDU eine Große Koalition,­ während Grüne und FDP mit der AfD in der Opposition sitzen. Auch ihnen fehlen die nötigen Stimmen. Hier traf die Große Koalition­ eine „Vereinbarung“ und versprach, FDP und Grünen, wenn es eng würde, Stimmen zu leihen.

„Wir haben die Zusagen, dass Aktenvorlageersuchen­ mitgetragen werden. Das ist bisher immer erfolgt“, berichtet Helge Limburg von den Grünen. Nicht durch Leihstimmen unterstützt wurde allerdings eine Normenkontrollklage gegen das Polizeigesetz. „Für uns in Niedersachsen war wichtig, dass die demokratischen Parteien eine effektive Kontrolle wahrnehmen können, ohne von der AfD abhängig zu sein“, sagt Limburg.

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