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CDU-Streit zur Regierung in ThüringenErmöglichen, nicht zerstören

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Das Beharren der CDU-Parteifühung auf ihrem Parteitagsbeschluss zur Zusammenarbeit mit der Linken blockiert das Land – und sie selbst.

Die CDU muss sich nach rechts abgrenzen, sonst aber wieder zu mehr innerer Einheit finden Foto: dpa

W as sich die Bundes-CDU gerade leistet, ist selbstzerstörerisch. Wegen einer offenen Führungsfrage wird ein ganzes Bundesland mit Mann und Maus vor die Wand gefahren. Statt zu begreifen, was es jetzt politisch braucht in Thüringen, bedient man lieber die guten alten antikommunistischen Reflexe des alten Westdeutschland. Diesen Schaden an der Demokratie werden die WählerInnen der CDU nicht vergessen.

Eben noch war die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Thüringenwahl nach Erfurt geeilt, um klarzustellen, was zwar laut Parteitagsbeschluss auf gar keinen Fall geht. Aber: Man möge sich nicht länger stabilen Verhältnissen verweigern. Nun, nach Kramp-Karrenbauers angekündigten Rückzug von der Parteispitze, tritt Generalsekretär Paul Ziemiak nach vorn und erklärt, auch der mit Rot-Rot-Grün in Erfurt gefundene Kompromiss sei unvereinbar mit der Beschlusslage der CDU.

Dies ist keine Parteiführung mehr, die ermöglicht. Es ist eine, die blockiert – und zwar sich und das Land, das nach CDU-Selbstverständnis eigentlich stets Vorrang haben sollte.

Dabei geht es gar nicht um eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei. Sondern darum, Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen, auf dass endlich Neuwahlen herbeigeführt werden können und die ThüringerInnen wieder wissen, wer ihre Angelegenheiten politisch regelt.

In den Kommunen und Landkreisen in ganz Deutschland, wo CDU und Linke längst pragmatisch zusammenarbeiten, wird man sich die Augen reiben. Wenn der Unvereinbarkeitsbeschluss tatsächlich jedes Mitglied bindet, müssten jetzt reihenweise Stadträte, Bürgermeister und Landräte nach Hause gehen. Aber komisch, wenn die Linke der CDU nützt – etwa bei der Wahl des Görlitzer Oberbürgermeisters –, ist deren Hilfe willkommen.

Der ganze Vorgang zeigt, wie dringend zum einen die Führungsfrage bei der CDU geklärt werden muss. Und dass dann aber mal pronto das Verhältnis zur Linken auf den Tisch des Hauses zu kommen hat. Immer nur zu sagen, was nicht geht, und als Lösung auf bereits gescheiterte Vorschläge zu verweisen, funktioniert einfach nicht mehr.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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8 Kommentare

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  • Zum wiederholten Male erleben wir ein Ergebnis der Unkenntnis der Mitglieder und Mitgliederinnen der



    West-CDU hinsichtlich der Ost-CDU. Ich wette, mein Anfang der 2.000er Jahre



    ca.20fach wiederholtes Experiment würde auch heute noch funktionieren! D.h. man



    nehme 20 MitgliederInnen der z.b. Dortmunder CDU setze sie in einen Bus und



    fahre sie für 14 Tage nach Brandenburg- und zwar jeden Abend in eine



    andere Stadt (über 10.000EW) und besuche jeweils die augenblickliche



    Gemeinderatssitzung. Dann stelle man an die Westdeutschen jeweils die



    Frage;" welcher Partei gehört der Mensch an, der jeweils gerade



    spricht?" Ich bin sicher, es wird selbst heute nicht anders als vor 20



    Jahren sein. Die Westdeutschen tippen bei Ost-CDUlern auf PDSler/DIE LINKE/SED



    und bei der LINKEN tippen sie auf die CDU. Die Wahrscheinlichkeit für



    dieses Ergebnis liegt bei etwa 70-80%. Und das erklärt auch zum Teil das, was



    wir heute in Thüringen beobachten.

  • Wenn die CDU heute Abend in Hamburg ihr Wahlergebnis studiert, dann erkennt sie sehr schnell, dass sie schief liegt

  • auch die minderheitsparteien,haben sich nicht demokratieförderlich verhalten-ansonsten hätten sie nach der wahl von thomas kemmerich,eine überparteiliche regierung angeregt-aber stattdessen haben sie ihn nicht zur wahl gratuliert,und von susanne henning-wuslow wurde zudem der blumenstrauß vor die füße von thomas kemmerich geworfen-dies ist ein verachtungswürdiges verhalten,und für einen aufrichtigen demokraten nicht angemessen-durch das sture verhalten der minderheitsparteien,wurde der afd nur unnötige aufmerksamkeit ermöglicht-mit einer minderheitsregierung,ist man immer vom wohlwollen der opposition abhängig-wie kann man nur,ein unkalkuliertes risiko eingehen-kein vernünftiger mensch,würde das tun-

  • Zu DDR-Zeiten haben die Spitzen der westdeutschen Politik sehr wohl mit den Linken in der DDR zusammengearbeitet bzw. Verträge gemacht. Z. B. Brandt, Kohl, Strauß,...



    Das war auch richtig so, zum Wohl der DDR-Bürger. Das Vergessen die Westdeutschen gerne.



    Heute in Thüringen wird das den Politikern nicht mehr zugestanden. Zum Wohl der Thüringer ist es auch richtig miteinander zu arbeiten und Verträge zu schließen. Heißt ja nicht gegenseitig die politische Seite zu wechseln.



    Also AKK, Ziemiak, Merz und Co. Denkt noch mal nach...

  • "Diesen Schaden an der Demokratie werden die WählerInnen der CDU nicht vergessen."

    Mal sehen, ob die CDU heute zweistellig wird :-)

  • Chapeau, kurz und knackig das Wesentliche geschrieben. Nicht die Grünen sind die Verbotspartei, die Union ist es, die CSU ist nicht besser. Schade, dass es noch Jahre dauern muss, bis das auch beim Uneinsichtigsten angekommen ist.

  • Ein Schaden der Demokratie wird offenbar nur dann gesehen, wenn nicht das gewünschte Wahlergebnis zustande kommt. Was für ein Gesülze.

  • Hurra - die CDU lässt ihre Blockparteitradition wieder aufleben: Berlin kommandiert, Erfurt pariert.



    Und dann sag noch einer, dass der Westen nichts aus der DDR übernimmt...



    ;-)