piwik no script img

Mieter muss Banner abhängenDie Firma bekommt Recht

Ein Mieter muss ein Banner mit der Aufschrift „Wir bleiben alle““ an der Hausfassade abhängen. Gericht sieht die Interessen des Vermieters gestört.

War schon oft Schauplatz von Auseinandersetzungen: Die Friedelstraße 54, hier ein Bild von 2017 Foto: dpa

Die Verwertungsinteressen von Immobilienfirmen sind wichtiger als die Meinungsfreiheit der MieterInnen. Das entschied am Mittwoch das Landgericht. Es gab der Pine­hill s.a.r.l., einer luxemburgischen Immobilienfirma, recht. Die hatte den Mieter Klaus Strohwig* (*Name von der Redaktion geändert) abgemahnt, weil er aus seiner Wohnung in der Friedelstraße 54 seit 2015 an seinem Balkon direkt über dem linksalternativen Neuköllner Kiezladen Friedel54 ein Banner angebracht hatte. Die Aufschrift: „Wir bleiben alle! Widerständige Orte und Häuser erhalten und verteidigen.“

In der ersten Instanz hatte der Mieter noch recht bekommen. Doch die Eigentümer zogen vor den Bundesgerichtshof, der das Urteil mit der Begründung aufhob, dass die Argumente der Gegenseite nicht genügend gewürdigt wurden. Die Pinehill s.a.r.l. sah sich durch das Transparent in ihren Verwertungsrechten bei einem Weiterverkauf beeinträchtigt.

Dem schloss sich die Richterin des Landgerichts nun an. Die Abmahnung bleibt bestehen. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Da Strohwig Rechtsschutz durch die Berliner MieterInnengemeinschaft bekommen hat, bleibt er zumindest nicht auf den Gerichtskosten sitzen.

Schon bei der Urteilsverkündigung äußerte Strohwig sein Unverständnis über die Entscheidung und verließ den Gerichtssaal vorzeitig. Der taz erklärte Strohwig, er habe eine gütliche Einigung angestrebt und den VertreterInnen der Gegenseite drei Vorschläge für ein Transparent-Motto gemacht, darunter die Parole „Die Häuser denen, die drin wohnen“ oder den Artikel des Grundgesetzes, der Zensur ausschließt. Die Firma habe alle Vorschläge abgelehnt und die Verhandlungen abgebrochen, berichtet Strohwig.

Kiezladen geräumt

Der Konflikt zwischen den MieterInnen und der Immobilienfirma ist älter. Im Erdgeschoss der Friedelstraße 54 war im Sommer 2017 der Kiezladen geräumt worden. Vorher hatten MieterInnen und LadenbetreiberInnen vergeblich versucht, das Haus im Rahmen einer Genossenschaft zu kaufen. Stattdessen bekam die Briefkastenfirma den Zuschlag.

Nachdem der Laden geräumt worden war, erhöhte sie die Mieten der BewohnerInnen. Zurzeit sind immer noch einige Transparente am Haus zu sehen. Wenn das Urteil nach der Zustellung rechtskräftig wird, müssen sie abgehängt werden. Strohwig droht bei einer weiteren, zweiten Abmahnung die Kündigung. Aber ohne Protest wird auch das Abhängen der Transparente nicht vonstatten gehen. „Wir überlegen uns da noch, ob wir sie im Rahmen einer Kundgebung oder einer Demonstration an einen anderen Ort aufhängen“, erklärt der ­Mieter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Dabei dient es doch nur der Transparenz, wenn ein potentieller Käufer des Hauses vorher weiß, dass er sich Ärger einhandelt, wenn er das Haus kauft!?!