Diskriminierung in Medien: Fremdgemacht und romantisiert
Immer wieder berichten deutsche Medien diskriminierend über Sinti:ze und Rom:nja, machen sie fremd. Es braucht Gegenerzählungen und Sensibilisierung.
Es gibt also ein Problem. Es nennt sich Diskriminierung durch Journalismus. An diesem Donnerstagabend im Studio des Berliner Senders ALEX TV geht es um eine besondere Ausprägung: um die diskriminierende Berichterstattung über Sinti:ze und Rom:nja, um Sprache und Bilder, die sie fremdmachen und kriminalisieren. Doch wie tiefgreifend das Problem ist, darüber ist man sich auf der Bühne uneinig.
Es sei strukturell verankert, betonen die Journalistin Ferda Ataman von der Organisation Neue Deutsche Medienmacher:innen,der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch und die Politikwissenschaftlerin Andrea Wierich. Es gehe um einzelne Journalist:innen und Medien, wie etwa Spiegel TV und Sat.1, meint dagegen Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. So strahlte Sat.1 im August 2019 etwa eine Dokumentation von Spiegel TV aus, sie hieß „Roma: Ein Volk zwischen Armut und Angeberei“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma befand die Doku diskriminierend, auch ein Gutachten des Politologen Hajo Funke bestätigte das.
Die Konfliktlinien verlaufen am Donnerstagabend in Berlin vor allem entlang der Frage, die in Diskussionen um Antiziganismus und andere Formen der Diskriminierung immer wieder verhandelt werden muss: Handelt es sich um die Vorurteile einzelner Individuen? Oder sind es Denkkonstrukte, die historisch gewachsen sind und sich übergreifend in das kollektive Bewusstsein gefressen haben? Wer gehört zu unserer Gesellschaft? Und wer muss seine Zugehörigkeit unter Beweis stellen?
Der Abend zeigt, dass es unmöglich ist, über Repräsentation im Journalismus zu sprechen, ohne zuvor politische Zuschreibungen zu klären. Deutlich wird dies, als der Journalist und Moderator Mohamed Amjahid von seinen Gästen wissen will, wie sie zu der Herkunftsnennung von Verdächtigen und Straftäter:innen stehen. Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln 2015/16 hatte der Presserat seine Empfehlungen gelockert: Wenn ein allgemeines Interesse bestünde, könne die Herkunft der Täter:innen benannt werden. Doch was bedeutet überhaupt Herkunft?
Gleichwertig behandeln
Sinti:ze würden seit über 600 Jahren in deutschen Städten leben, sagt Rose. Dennoch würden Journalist:innen sie auf ihre vermeintliche Abstammung reduzieren, anstatt sie als gleichwertige Deutsche zu behandeln. Wenn es jedoch um den Schutz des Rechtsstaats gehe, befürworte er, dass die Nationalität von Menschen ohne deutschen Pass benannt werde – oder der Aufenthaltsstatus von Geflüchteten. Ataman hält dagegen: Dies solle nur genannt werden, „wenn es für den Tathergang wichtig ist.“ Andernfalls würden Journalist:innen nur gehaltlose Stereotype verbreiten.
Die Veranstaltung zeigt auch, wie schwierig es ist, bestehende Narrative hinter sich zu lassen, sich nicht an ihnen abzuarbeiten, eigene Erzählungen zu erschaffen. „Wir dürfen nicht weiter über Kriminalität reden“, sagt zwar Ataman zu Recht nach der ersten Hälfte, doch die Diskussion wird sich die meiste Zeit um das Bild der stehlenden, betrügenden Sinti:ze und Rom:nja drehen. Es ist ebenjenes Kriminalitätsframing, das den Zuschauer:innen von diesem Abend vermutlich in Erinnerung bleiben wird. Für Gegenerzählungen und neue Assoziationen bleibt keine Zeit.
Wie lässt sich dieses Journalismusproblem also lösen? Zumindest werden Ansätze besprochen: etwa Sensibilisierungsworkshops in Redaktionen, die Wierich gemeinsam mit der Jugendorganisation Amaro Foro ab März anbieten wird. Ataman fordert diversere Redaktionen. Diese könnten auch Softwares installieren, die automatisch rassistische Begriffe markieren und erklären, schlägt Stefanowitsch vor. Dann könne niemand mehr behaupten: Die Zeit war zu knapp, ich wusste es nicht besser.
Man brauche mehr positive Repräsentationen von Sinti:ze und Rom:nja in den Medien, fordert ein Zuschauer aus dem Publikum. Rund 50 Personen schauen im Studio live zu. Doch hilft das allein gegen eine Homogenisierung von Minderheiten, dagegen, dass sie – wenn auch gut gemeint – wieder fremd gemacht, vielleicht romantisiert werden? „Wir wollen eine normale Berichterstattung“, sagt Wierich, eine, die Individualität zulasse. Zumindest darin sind sich alle auf der Bühne einig: Dahin ist es noch ein langer Weg.
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