Kommentar von Sabrina Winter über Videoüberwachung in Hannover: Die Statistik schöngeschummelt
Es ist richtig und wichtig, dass Michael Ebeling gegen die Polizei in Hannover klagt. Damit setzt er sich als Privatperson für ein Recht ein, dass alle betrifft. Oder im konkreten Fall: all jene, die sich durch öffentlichen Raum in Hannover bewegen. Mit der Überwachung von Straßen und Plätzen verletzt die Polizei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – also ein Grundrecht. Es gewährt jeder*m, selbst über seine*ihre Daten zu verfügen.
Dass die Polizei Grundrechte nicht einhalten will, ist eine Schande. Doch in Polizei-Logik nicht verwunderlich: Mehr Videomaterial bedeutet mehr Daten und mehr Ansätze zur Ermittlung. Doch zu welchem Preis? Menschen in Hannover ständig zu überwachen und so ihre Rechte einzuschränken, kann keine Lösung sein.
Vor Gericht argumentiert die Polizei denkbar schwach für die Videoüberwachung. Im Kern sagt sie: Es gebe mehr Straftaten, also brauche man Videoüberwachung. Dabei ist bis zum Ende des Prozesstages nicht klar, in welchem Gebiet sich die Zahl der Straftaten erhöht haben soll. Mit ihren widersprüchlichen Plänen und Zahlen verwirrte die Polizei nicht nur die Richter*innen, sondern schließlich sich selbst.
Die Prüfberichte für die Kameras legte die Polizeidirektion dem Gericht einfach nicht vor. Besonders konstruiert wirkt aber die Unterscheidung zwischen einem Wirkungs- und Sichtbereich der Kameras, genau wie die schwammige Definition dieser beiden Bereiche. Es hat den Anschein, als wolle die Polizei die Statistik schönschummeln, um in Hannover weiter überwachen zu dürfen.
Hinzu kommt, dass die Polizei vor Gericht mit Zahlen argumentieren darf, die sie selbst erstellt. So wäre es ein Leichtes, die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik nach oben zu schrauben – zum Beispiel durch häufigere Fahrkarten- oder Drogenkontrollen etwa um den Königsworther Platz.
Bleibt zu hoffen, dass es weiterhin Menschen wie Michael Ebeling gibt, die sich gegen Grundrechtsverletzungen wehren.
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