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Böllern in BerlinVerbot umstritten

Kurz vor Silvester ist ein Plakat gegen das Böllerverbot in Teilen Berlins aufgetaucht: „Jetzt erst recht!“ – Fake oder Drohung?

Plakat gegen das Böllerverbot in der Steinmetzstraße: Echt oder Fake? Foto: Archiv

Ein Foto, das zurzeit in den sozialen Netzwerken kursiert, gibt Rätsel auf: Auf einer orangefarbenen BSR-Mülltonne klebt ein Plakat. Zu sehen ist darauf eine riesige Feuerwerksexplosion vor dem Schöneberger Wohnblock Pallasseum, zwei Polizisten betrachten die Szene. „Böllerverbot? Jetzt erst recht!“ steht auf dem Plakat, das mit einem Anarcho-A und „gegen Staat und Faschismus“ untermalt ist. Die Hausfassade im Hintergrund der Mülltonne lasst vermuten, dass das Foto von dem Plakat in der Schöneberger Steinmetzstraße aufgenommen worden ist. Aber wurde das Plakat wirklich geklebt? Oder ist das Ganze ein virtueller Fake?

In Schöneberg Nord hat die Polizei für kommendes Silvester erstmals ein Böllerverbot erlassen. Seit Jahren kommt es in dem Kiez zu heftigen Straßenschlachten. Geschäfte, Autos, Passanten und Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr werden von randalierenden Jugendlichen und Jungerwachsenen regelmäßig mit Feuerwerk beschossen. Das Böllerverbot, das auch für den nördlichen Teil des Alexanderplatzes gilt, ist ein Experiment. Publik gemacht wurde es in den betroffenen Gebieten unter anderem durch Flyer.

Ist das „Jetzt erst recht“-Plakat“ eine Reaktion der Gegenseite? Von der taz am Freitag mit dem Foto konfrontiert, konnte sich der für Schöneberg zuständige Abschnittsleiter Uwe Berndt darauf keinen Reim machen. Er sehe das Bild zum ersten Mal, so Berndt. „Interessant, aber möglicherweise Fotoshop“, so sein Kommentar. Seine Leute würden sich in dem Kiez aber danach umsehen, ob das Plakat irgendwo hängt.

Die taz war schneller. Eine am Freitag durchgeführte Orts­be­sichtigung ergab: ln der Steinmetzstraße hängen viele orangefarbene Mülltonnen. „Häufchenhalter“ und ähnliche Sprüche der BSR stehen auf den Dingern. Dazu die üblichen Graffiti und Krakeleien. Das Plakat mit dem Anarcho-A indes klebte nirgendwo. Auffällig waren aber die rot-weißen Absperrgitter, die in dem Kiez bereits gestapelt sind. Wenn sich hier jemand für Silvester warmläuft, dann ist es die Polizei.

Das Böllerverbot an Silvester gilt von 18 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Mithilfe der Absperrgitter werde die Polizei Kon­troll­stellen einrichten, sagte Abschnittsleiter Berndt. Nur Wunderkerzen, Tischfeuerwerk und Knallerbsen sind in der Zone erlaubt. Kurz vor Weihnachten explodierte auf der Kreuzung Potsdamer Ecke Pallasstraße eine sogenannte Kugelbombe. Für Berndt belegt das: „Bei einer gewissen Klientel ist das Böllerverbot nicht angesagt.“

Zumindest in den autonomen Foren wird über das Plakat und das Böllerverbot diskutiert. „Sorry, aber diese Scheiß-Böllerei geht mir auch auf die Ketten“, schreibt einer. „Zustimmung“, antwortet ein anderer. „Aber deswegen muss man keinen Kiez in ein EU-Grenzgebiet umwandeln.“

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts You­Gov sind 57 Prozent der Deutschen für ein Böllerverbot an Silvester.

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12 Kommentare

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  • Nachttrag zur Böllerei: Wenn es wirklich so sein sollte, daß die Mehrheit für ein Böllverbot ist, dann ist es schon komisch, warum denn dann diese Mehrheit wie wild geböllert hat.

  • Liebe TAZ, ich war wirklich peinlich berührt diesen Artikel zu lesen. Freunde und ich wohnen in dem besagten Kiez. Und nur weil ihr diese Plakate nicht gefunden habt, bedeutet es nicht, dass es diese nicht gibt. Interessanterweise haben wir NOCH heute morgen zwei in der Bautznerstr. BEI Rewe gesichtet. Eins befindet sich eventuell noch im Mülleimer... wir lassen es gerne der Redaktion zukommen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Als jemand, der Zeitzeuge von Summerhill und der antiautoritären Erziehung - zum Glück nicht am eigenen Leib - gewesen ist, konnte ich das große Geschrei gegen Regelungen nie nachvollziehen.

    Damals war es noch halbwegs putzig, sich darüber zu streiten. Heute geht dies im Zeitalter der Sprachkeulen nicht mehr.

    Schade, dass ich zu alt bin, um das große Gezeter der "Freunde der Freiheit" noch mitzubekommen, wenn ihnen die nachfolgenden Generationen "Freiheitswünsche" um die Ohren schlagen.

    Ein Gemeinwesen ohne Regelungen funktioniert nicht. Die dafür nötige Vernunft fehlt.

    Wenige Vernünftige können die Dummheit der Vielen nicht kompensieren.

    Ein Hoch auf die Kultiviertheit von Ameisen!

  • Verbieten verbieten.

  • Das vermeintliche Anarcho-A steht diesmal wohl für AfD:



    www.neues-deutschl...boellerverbot.html

  • hier eine petition zu dem thema.

    (ich bin den scheiss sooooo leid)

    www.change.org/p/r...erk-mehr-in-berlin

  • Ein Verbot zu fordern, komm mir irgendwie billig und wohlfeil vor. Es gibt so viele Sachen, die direkt oder indirekt umweltschädlich sind. Wenn man denn das Ballern verboten haben wird, wird man wieder was finden usw. Auch dieses Posting verbraucht Strom, Energie, verschmutzt die Umwelt. Wo endet das?

    • @Thomas Schöffel:

      Es ist auch verboten bei Rot über die Ampel zu fahren und es ist verboten vor der Feuerwehrausfahrt zu parken. Je rücksichtsloser Menschen sind, desto mehr Verbote brauchen wir. Daher brauchen wir auch Ampeln.

      • @Maria Burger:

        Nichts gegen Ampeln. Aber wenn so eine Art von Begründung ertsmal raumgreift, wird mit der derselben Argumentation nächsten Sommer das Grillen verboten. Auch im Prinzip alles überflüssig, nicht ungefährlich und umweltverschmutzend, oder? Wieder ein Jahr später könnte der Motorsport dransein. Und wieder paßt die Kette: Überflüssig, gefährlich, umweltverschmutzend. Meinen Sie die Verbieter hören mit dem Verbieten auf?

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Ich habe beim Böllerverbot nie an allgemeine Umweltschädlichkeit gedacht. Der Lärm ist einfach nicht auszuhalten!

      Und von dem sind nicht nur Menschen, sondern auch andere Tierarten betroffen, sowohl Haus- als auch Wildtiere.

      Ich wüßte zumindest in meiner Wohngegend nichts, was soviel Lärm macht wie die Böllerei. Nicht die beknackte Kirche um die Ecke, die ihre drei Protestanten auch telefonisch zum Gottesdienst rufen könnte statt die ganze Welt zu beglocken. Nicht die bekloppten Harley-Biker, die zu unsportlich sind, um ein richtiges Bike zu radeln. Nicht die beschissene Alarmanlage des SUVs des Nachbarn, die gerne mal mitten in der Nacht einen Fehlalarm auslöst. Die Böller sind sehr viel lauter und sollten allein deshalb generell verboten werden.

      • @90618 (Profil gelöscht):

        Ich habe mal im Stahlbau gearbeitet. Riesenhafte Röhren wurden in gigantischen Hallen unter ohrenbetäubendem Lärm zusammengesetzt. Dort gab es Spezialohrenstöpsel, die warmgemacht werden mußten, damit man sie ganz kleine zusammenrollen konnte. Diese Minniwürstchen hat man sich dann in die Ohren geschoben. Nach kurzer Zeit dehnten sie sich aus und verschlossen den Gehöhrgang dermaßen wirkungsvoll, daß man das Gefühl hatte in lautloser Stille durch die Hallen zu schweben. Schwer beeindruckend. Gibt es bestimmt heute noch. Guten Rutsch.

    • @Thomas Schöffel:

      Dann schreiben Sie doch nicht mehr :-). Es gibt viele Verbote, z.B. den Nachbarn in den Garten zu pinkeln, im Supermarkt was mitgehen lassen oder zu dünnes Eis einen See zu betreten. Man kann natürlich immer über Sinnhaftigkeit von den einzelnen Verboten diskutieren, über Verbote an sich wohl nicht.