: Oh Tannenbaum
Millionen Weihnachtsbäume dünsten pestizidbelastet in Wohnzimmern aus. Der Nabu rät zu Öko-Weihnachtsbäumen. Dazu passt auch nachhaltiger Schmuck
Von Andrea Maestro
Schon dieser Geruch! Wenn die Tanne, in den dritten Stock gewuchtet, endlich in der warmen Stube steht, sich die grünen Zweige langsam senken und den Duft nach Weihnachten verströmen. Die Geister scheiden sich zwar bei der Frage, ob neumodische, bequeme Nordmanntanne oder traditionelle, pieksige Blaufichte, für die meisten Familien aber gehört ein Weihnachtsbaum zum Fest dazu.
Laut dem Portal Statista gab es im vergangenen Jahr in Deutschland 29,8 Millionen Stück. Der Absatz klettert langsam, aber immer weiter nach oben. Im Jahr 2000 waren es noch rund 24 Millionen Bäume. Die meisten davon werden in Monokulturen hochgezogen und dort intensiv mit Insektiziden, Herbiziden und Mineraldünger behandelt. Diese Tannenbaumfelder schaden den Böden, Gewässern und Ökosystemen.
Das Bundesumweltministerium warnt sogar: „Nicht zuletzt kann es auch die menschliche Gesundheit belasten, wenn der mit Chemikalien behandelte Weihnachtsbaum mitten im Wohnzimmer steht.“
Ein konventioneller Tannenbaum ist also nicht wirklich ökologisch vertretbar – von dem vielen Müll, der durch den Schmuck entsteht, noch gar nicht gesprochen. Und nun? Eine Plastiktanne, die Jahr für Jahr aus dem Keller geholt wird? Zumindest fiele dann der Transport weg und er nadelt nicht den Teppich voll. Laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) sind inzwischen „die Weihnachtsbäume zu etwa zwölf Prozent künstlich“.
Die Pressesprecherin des Naturschutzbundes Nabu, Kathrin Klinkusch, rät entschieden davon ab: „Aus ökologisch recyceltem Kunststoff habe ich solche Bäume noch nicht gesehen.“ Die Plastiktannen würden günstig produziert, über weite Strecken transportiert und „halten am Ende doch nicht lange“, sagt Klinkusch.
Der Nabu schlägt vor, stattdessen die Tanne in einem Wald in der Region selbst zu schlagen. „Viele Förster bieten das an“, sagt sie. „Der ist dann vielleicht nicht der geradeste, vielleicht hat man aber sogar mehr Freude daran.“
Außerdem gibt es vielerorts auch Öko-Tannenbaumanbau – ohne Pestizide. Laut Nabu sorgen Schafe dafür, dass die Gräser zwischen den Bäumen kurz bleiben und düngen die Fläche, nun ja, natürlich. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald rät dazu, auf die Zertifikate FSC, PEFC, Naturland oder Bioland zu achten. Im Gegensatz zur Plastiktanne muss der echte Tannenbaum nach dem Rauswurf auch nicht verbrannt werden. Laut der Hamburger Stadtreinigung werden sie geschreddert und als „Strukturmaterial für die Kompostierung im Biogas- und Kompostwerk Bützberg und als Feuerungsmaterial in Biomassewerken genutzt“. Sie sind also am Ende ihre Lebens noch nützlich.
Doch so weit sind wir noch nicht: Zunächst steht die Bio-Tanne perfekt im Ständer austariert mit der Wandseite zum Schrank hin in der Stube und kann geschmückt werden. Jetzt bloß beim Schmuck keinen Fehler machen: Dass Lametta in den Baum gehängter Müll ist, versteht sich von selbst. Wer Glitzer- oder Schneespray benutzt, macht den Baum zudem unkompostierbar.
Strohsterne und Holzschmuck sind klassische Alternativen. Mit Pappkugeln und altem Notenpapier lassen sich hübsche Kugeln selbst basteln. Und wer auf neue, bunt funkelnde Kugeln in seinem Baum nicht verzichten möchte, sollte darüber nachdenken, sie gebraucht zu kaufen. Jedes Jahr sind die Geschäfte voll mit schrillen Einhorn-, schwarzen FC-St.-Pauli- oder unförmigen Burgerkugeln. Aber braucht es die wirklich? Wer einen kunterbunten Tannenbaum haben möchte, sollte auf dem Dachboden der Eltern, Nachbarn oder Freunde auf die Suche gehen. Die dort gelagerten blau-silbernen Kugeln aus den 90ern, die rosa Kugeln aus den 2000ern, die roten, die goldenen, die mit Glitzer verzierten, die aus Glas und die mit der Aufschrift Bernhard oder Brigitte kann man mischen. Ist alles da.
Nur für die Lichterkette, das meint auch der Nabu, sollte der gemeine Tannenbaumliebhaber doch noch mal in den Laden stratzen. Denn LED-Lämpchen sind weit stromsparender als die alten Birnen. Manche kann man sogar dimmen, damit es noch gemütlicher wird. Dann kann Heiligabend endlich kommen – und die Geschenke unter de Baum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen