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Im Dagegen vereint

Der rot-grüne Klimaplan erntet bei der Opposition heftige Kritik: Oft geht es mehr um Stil als um Inhalt

Von Marco Carini

Einen Tag nachdem der rot-grüne Senat seinen Klimaplan vorgelegt hat, wurde das aus 400 Einzel-Maßnahmen bestehende Klimaschutzpaket am Mittwoch in der Bürgerschaft zerpflückt. Während der Senat vom „weitreichendsten Klimaschutzgesetz Deutschlands“ spricht, findet die Opposition das Projekt von SPD und Grünen …

… undemokratisch: Es kommt selten vor, dass CDU-Fraktionschef André Trepoll bei einem Beitrag seiner linken Amtskollegin Cansu Özdemir klatscht. Doch am Mittwoch konnte Trepoll nicht an sich halten, als Özdemir Rot-Grün ein „undemokratisches Verfahren“ vorwarf. Nur 24 Stunden habe die Opposition Zeit gehabt, das bis Dienstag unbekannte Papier – an dem Rot-Grün Monate gearbeitet hatte – zu studieren, sich eine Meinung zu bilden und eine Rede vorzubereiten. „Eine Missachtung des Parlaments“ ist das auch für Trepoll. Sein CDU-Parteifreund Stephan Gamm klagt: „Eine angemessene parlamentarische Beratung ist so ausgeschlossen“. Die Oppositionsparteien wünschen sich eine breite öffentliche Debatte mit Beteiligung der Verbände, statt einem parlamentarischen Ruck-Zuck-Verfahren.

autoritär: „Sie setzen in erster Linie auf Verbote“, wirft Gamm Rot-Grün in Bezug auf das Klimagesetz vor, das langfristig die Pflicht für Solardächer und das Verbot von Ölheizungen und Klimaanlagen festschreibt. Gamm hätte gerne „durch Anreize alle Bürger mitgenommen“. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann wittert sogar „nur den Anfang einer ökosozialistischen Verbotsgesellschaft“.

unsozial: Dass Maßnahmen wie ein ökologischeres Bauen und die Solarpflicht vor allem auf Kosten der MieterInnen gehen, befürchten alle Oppositionsparteien. „Das Wohnen in Hamburg wird viel teurer werden, so spalten sie die Gesellschaft, statt alle mitzunehmen“, kritisiert FDP-Fraktionschefin Anna Treuenfels-Frowein. Unklar sei, wer für die entstehenden Kosten aufkomme.

… undurchsichtig: Dass der Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) noch bei der Präsentation des Klimaplans ankündigte, es werde Nachbesserungen geben, sollten die Grünen nach der Bürgerschaftswahl stärkste Kraft werden, ist für die Opposition skandalös. „Klimapolitik muss verlässlich sein, alle Akteure müssen genau wissen, was auf sie zukommt“, fordert Gamm von der CDU. „Da geht es nicht, wenn die Grünen ihr eigenes Klimagesetz sofort wieder infrage stellen“.

industriefreundlich: „Sie kuschen vor der Industrie“, wirft Özdemir Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor. Denn während die Industrie noch vor dem Verkehr und den privaten Haushalten der größte CO2-Emmitent ist, muss sie den kleinsten Einsparbeitrag leisten. „Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, bleiben sie schuldig“, wirft Özdemir Tschentscher vor.

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