Korruptionsaffäre von Israels Premier: Springer-Chef als Zeuge geladen
Benjamin Netanjahu wird wegen Korruption angeklagt. In der Anklageschrift taucht der Springer-Verlag auf, Mathias Döpfner soll aussagen.
Wer die 63 Seiten der Anklageschrift genau liest, stößt darin auch auf ein deutsches Unternehmen: den Axel-Springer-Verlag, das größte Verlagshaus Europas, das seit jeher eine enge Verbindung zu Israel und seit 2009 eine besonders enge zu Netanjahu pflegt. Am Montag hat die israelische Staatsanwaltschaft eine Liste mit 333 Zeugen veröffentlicht, die vor Gericht aussagen sollen. Neben den Namen von mehreren israelischen Politikern und ausländischen Geschäftsmännern steht dort auch der Name von Mathias Döpfner, des Vorstandsvorsitzenden von Springer.
Die Frage ist, ob Döpfner Netanjahu als Zeuge belasten wird. Und ob Döpfner davon wusste, dass Springers Geschäfte in Israel eine Rolle in Netanjahus mutmaßlich illegalen Absprachen spielten.
Die Zeitungen des Verlags berichten zurückhaltend über die Korruptionsaffäre. In der Welt hieß es etwa: „In einem der Fälle geht es um den Verdacht, dass Netanjahu als Kommunikationsminister dem Unternehmen Bezeq rechtliche Begünstigungen gewährt habe.“ Dass bei diesem Verdacht ein Geschäft mit dem Springer-Verlag eine Rolle spielt, erwähnt die Zeitung nicht.
Es drohen bis zu zehn Jahre Haft
Netanjahu wird in insgesamt drei Fällen angeklagt. Es geht um Bestechung, Betrug und Veruntreuung. Für Bestechung drohen bis zu zehn Jahre Haft, für Betrug und Veruntreuung bis zu drei Jahre.
In einem der drei Korruptionsfälle, der Elovitch-Affäre, geht es um die Beziehung zwischen Netanjahu und dem Geschäftsmann Schaul Elovitch, der Besitzer mehrerer Telekommunikationsfirmen war. Die Beziehung zwischen den beiden Männern wird in der Anklageschrift als ein gegenseitiges „Geben und Nehmen“ bezeichnet. Elovitch soll dafür gesorgt haben, dass auf der Nachrichten-Webseite Walla, die zu seinem Unternehmen gehört, positiv über Netanjahu und dessen Familie berichtet wird. Walla ist eine der größten hebräischen Nachrichtenwebsites. Im Gegenzug soll Netanjahu ihn unter anderem durch Reformen im Medienmarkt begünstigt haben.
Nun kommt Springer ins Spiel. Elovitch wollte eine Kleinanzeigen-Website an den Verlag verkaufen und benötigte dafür die Zustimmung von Netanjahu und von Kommunikationsminister Gilad Erdan, so sieht es das israelische Recht vor. Laut Anklageschrift machte Elovitch bei Netanjahu Druck, um die beiden Unterschriften zu bekommen. Und es ging schnell: Die Website Yad2 (hebräisch für Zweite Hand) wurde im Mai 2014 für 806 Millionen Schekel, etwa 165 Millionen Euro, an Springer verkauft. Neun Tage danach kam die behördliche Genehmigung – eine Geschwindigkeit, die der Staatsanwaltschaft verdächtig vorkommt.
In der Anklageschrift wird problematisiert, dass die staatliche Genehmigung durch Netanjahu in außergewöhnlicher Eile zustande kam. Der Vorgang gilt als einer von mehreren Hinweisen, die zeigen sollen, dass sich Netanjahu von Elovitch korrumpieren ließ. Laut Anklageschrift veröffentlichte Elovitchs Nachrichten-Website Walla kurz vor der Genehmigung Artikel, die von Netanjahu persönlich bestellt wurden.
Der hohe Kaufpreis sorgte damals in Israel für Verwunderung, ein Monat zuvor hatte Elovitch die Website noch für 300 Millionen Schekel zum Kauf angeboten. Springer zahlte mehr als doppelt so viel. Eine „fantastische Summe“, schrieb die israelische Wirtschaftszeitung Globes und fragte, welchen versteckten Wert Springer erkenne, den niemand anders sehe.
Springer hat sich bisher nicht öffentlich dazu geäußert, dass der Verlag in der Anklageschrift gegen Netanjahu auftaucht. Im Jahr 2017 sagte die Springer AG dem israelischen Onlinemagazin für Medienkritik, The Seventh Eye, das ausführlich über die Geschichte berichtete, dass sie „vor der Übernahme von Yad2 im Jahr 2014 ausschließlich mit den Verkäufern und nicht mit Politikern verhandelt“ habe.
„Der sture Deutsche“
Springer spielt auch in einem weiteren Teil der Anklage eine Rolle, der Mozes-Affäre. Hier wird der Verlag nicht in der Anklageschrift erwähnt, er taucht aber in Tonaufnahmen auf, die Gegenstand der Anklageschrift sind. Es geht um die Gespräche zwischen Netanjahu und seinem Rivalen Noni Mozes, dem Herausgeber von Israels größter Zeitung, Jediot Ahronot, die traditionell kritisch über Netanjahu berichtet. Auch in diesem Fall soll Netanjahu eine positive Berichterstattung verlangt und im Gegenzug unter anderem versprochen haben, die Verbreitung einer Gratiszeitung zu begrenzen, der größten Konkurrenz von Jedioth Ahronot. Und: Möglicherweise hat Netanjahu Mozes angeboten, seine guten Kontakte zum Springer-Verlag zu nutzen.
Zwei von den Gesprächen zwischen Mozes und Netanjahu, die nach der Regierungskrise Ende 2014 stattfanden, wurden von einem Berater von Netanjahu aufgenommen und gelangten an die Polizei und schließlich an israelische Medien. Dabei ging es auch um die Vermittlung von möglichen ausländischen Investoren für die finanziell belastete Zeitung durch den gut vernetzten Netanjahu. Bei einem Gespräch im Dezember 2014 fragte Netanjahu, ob „der Deutsche schon angerufen oder etwas geschickt“ habe. Darauf antwortet Mozes, dass er mit den „sturen Deutschen“ in Kontakt stehe und wegen des bevorstehenden Weihnachtsfests einen Termin erst für Januar 2015 vereinbart habe.
Wie israelische Medien berichteten, ist mit „dem Deutschen“ der Verleger Mathias Döpfner gemeint. Channel 2 berichtete aus polizeilichen Ermittlungen, die besagten, dass Netanjahu mit dem Vorsitzenden des Unternehmens, Mathias Döpfner, gesprochen und ihm gesagt habe, dass „es wichtig ist, die Zeitung zu kaufen“. Springer hat das gegenüber israelischen Medien jedoch bestritten. „Axel-Springer hat nie in Betracht gezogen, Jediot Ahronot zu kaufen, eine Verhandlung darüber fand nie statt“, sagte der Verlag dem israelischen Onlinemagazin The Seventh Eye. Der Mitschnitt des Gesprächs weist aber zumindest darauf hin, dass Verleger Noni Mozes mit Springer in Kontakt stand.
Springer wollte sich auf Anfrage nicht zu konkreten Fragen äußern und verweist auf das laufende Verfahren.
Springers Beziehung zu Netanjahu
In der Berichterstattung pflegt Springer seit Langem eine enge Beziehung zu Netanjahu. Als dieser 2009 zum Premierminister gewählt wurde, gab er sein erstes Interview überhaupt der Bild-Zeitung: „Noch bevor er mit den israelischen Medien sprach, gaben wir ihm eine Bühne vor dem deutschen und europäischen Publikum“, erklärte damals stolz Kai Diekmann in einem Interview mit der Ha’aretz. Drei Jahre danach gab Sara Netanjahu der Bild-Zeitung ihr erstes Auslandsinterview und Bild berichtete schmeichelnd über die „First Lady“ Israels.
Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass Springer von den möglicherweise illegalen Absprachen zwischen Elovitch und Netanjahu über den Kauf von Yad2 gewusst hat. Auch eine Investition in Jediot Ahronot kam nicht zustande. Doch selbst wenn dem Springer-Verlag kein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann, ist unklar, warum der Verlag in seinen Berichten über die Korruptionsaffäre nicht transparent mit der eigenen Rolle umgeht.
Benjamin Netanjahu auf Twitter
Springer kann nun bei der Aufklärung helfen, Döpfner könnte den israelischen Gerichten erklären, was er weiß. Auf Anfrage der taz sagt Springer dazu, Döpfner kooperiere “selbstverständlich mit der Staatsanwaltschaft“. Bisher habe man auf einen Transparenzhinweis verzichtet, da nicht gegen Axel Springer als Unternehmen und auch nicht gegen Mitarbeiter ermittelt werde. Vielleicht ändert sich das ja, wenn ihr Vorstandsvorsitzender als Zeuge aussagen soll.
Indessen zeigt sich Netanjahu wenig beeindruckt von der Veröffentlichung der Zeugenliste. Auf Twitter ließ er seine Follower wissen: „Wenn eine Klage wahr ist, braucht man keine 333 Zeugen, und wenn eine Klage falsch ist, werden nicht einmal 333 Zeugen helfen.“
Zumindest bei einer anderen Korruptionsaffäre ist Netanjahu offiziell aus dem Schneider. Wie Ha’aretz berichtet, wird die Staatsanwaltschaft in den kommenden Tagen die Anklageschrift in der U-Boot-Affäre veröffentlichen. Es sollen mehrere Generäle und Personen aus dem engen Kreis von Netanjahu, aber nicht der Premier selbst, wegen Bestechung, Geldwäsche und mutmaßlichen Betrugs angeklagt werden, die in Zusammenhang mit dem Kauf mehrerer U-Boote und Korvetten von ThyssenKrupp Marine standen. In diesem Fall ermittelt auch die deutsche Staatsanwaltschaft, ob Schmiergelder aus Deutschland geflossen sind.
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