: Angst vor der Insolvenz
Die „Diese eG“ sollte bedrohte Häuser kaufen. Jetzt kämpft die Genossenschaft um ihre Existenz, weil die Finanzierung nicht steht. Senat und IBB entscheiden über Darlehen
Von Erik Peter und Uwe Rada
„Wegen euch verschuldet“ oder „Hausaufgaben gemacht“: Kleine Transparente wie diese haben Mieterinnen und Mieter, meistens Familien mit Kindern, am Sonntag bei einer Kundgebung vor der Berliner Finanzverwaltung mitgebracht. Die etwa 60 DemonstrantInnen gehörten zu den mehr als 200 MieterInnen aus sechs Häusern in Friedrichshain, Kreuzberg und Schöneberg, die seit Wochen um ihre Zukunft bangen. Die Mietshäuser wurden in den vergangenen Monaten über das Vorkaufsrecht von der Genossenschaft „Diese eG“ erworben. Doch bis zuletzt war die Finanzierung der Ankäufe nicht gesichert.
Die „Diese eG“ war im Mai gegründet worden, um auch dann in das Vorkaufsrecht eintreten zu können, wenn öffentliche Wohnungsbaugesellschaften aufgrund eines zu hohen Preises den Kauf ablehnten. Um die aufgerufenen Spekulationspreise stemmen zu können, hatte die Genossenschaft, die über keine eigenen Mittel verfügt, ein Finanzierungsmodell, basierend auf vier Säulen, aufgestellt: ein freiwillig zu leistender Eigenanteil von mindestens 70 Prozent der MieterInnen von 500 Euro pro bewohntem Quadratmeter, Bankkredite, ein Zuschuss des Landes Berlin in Höhe von 10 Prozent des Kaufpreises sowie Darlehen aus einem Programm des Landes Berlin zur Förderung genossenschaftlichen Neubaus und Bestandserwerbs, das von der Investitionsbank Berlin (IBB) verwaltet wird.
Während es aufseiten der MieterInnen und der GLS-Bank keine Probleme gab, erweisen sich die anderen beiden Säulen als brüchig. Zwar beschloss der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses im Sommer, dass Genossenschaften ebenso wie Wohnungsbaugesellschaften einen Zuschuss zum Kauf erhalten können, jedoch nicht rückwirkend.
Fünf Häuser – von dem Kauf eines Gebäudes in der Rigaer Straße ist sie inzwischen zurückgetreten – hatte die „Diese eG“ da schon gekauft und darauf gebaut, dass ihnen die Zuschüsse nachträglich gewährt würden. „Wir haben fest damit gerechnet; der politische Wille, das so zu beschließen, war kundgetan“, sagt Werner Landwehr, Vorstand der „Diese eG“ und Regionalleiter der GLS-Bank. Gemeint ist etwa ein entsprechender Senatsbeschluss vom Mai – vor dem ersten Ankauf der „Diese eG“ –, Genossenschaften beim Vorkauf zu unterstützen.
Die Diese eG wurde mit einem Schlag bekannt, weil sie im Mai dreizehn Häuser in Friedrichshain und Kreuzberg kaufte. Der grüne Baustadtrat Florian Schmidt hatte für die Genossenschaft das Vorkaufsrecht gezogen, nachdem landeseigene Wohnungsbaugesellschaften wegen des Kaufpreises abgewunken hatten.
Weil Genossenschaftsgründungen langwierig sind, hatte Schmidt auf die Diese eG zurückgegriffen, die ursprünglich gegründet wurde, um ein marodes Schwimmbad in Lichtenberg zu retten. Nachdem das gescheitert war, war sie eine "Hülle", die im Mai als "Auffang-Genossenschaft wiederbelebt wurde".
Da die Diese eG kein Eigenkapital hat, war sie von Anfang an auf Darlehen des Senats und Fördermittel sowie Kredite der GLS angewiesen, um die Kaufpreise zahlen zu können. (wera)
Die „Diese eG“ konnte die Zuschüsse also nur für die beiden zuletzt erworbenen Häuser am Heckmannufer und in der Gleditschstraße erhalten. Für die anderen vier musste die entstandene Lücke durch noch höhere Förderanträge an die IBB ausgeglichen werden. Doch die Zusage für Darlehen, die etwa 60 Prozent der Kaufsumme von insgesamt etwa 50 Millionen Euro ausmachen, ließ auf sich warten.
Laut Landwehr weigerte sich die IBB, „einen Beschluss des Senats umzusetzen“ und die Mittel, die „für genau solche Fälle gedacht sind“, zu bewilligen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilte mit, die IBB prüfe die „insgesamt tragfähige Finanzkonstruktion“.
Die Hängepartie hatte sich zuletzt zugespitzt, als der bisherige Eigentümer der Holteistraße 19/19a auf der Kaufsumme in Höhe von knapp 6 Millionen Euro bestanden hatte. Öffentlich hatte er sich darüber beschwert, dass Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) ein erforderliches Negativzeugnis nur nach mehrmaliger Aufforderung ausgestellt hatte und Werner Landwehr erst zum zweiten Beurkundungstermin beim Notar erschienen war. Weil mangels IBB-Bewilligung immer noch kein Geld geflossen war, hatte er der „Diese eG“ einen Vollstreckungstitel in voller Kaufpreishöhe zustellen lassen. Inzwischen soll laut Tagesspiegel der Eigentümer den Bezirk verklagt haben, für den Kaufpreis aufzukommen.
Seit Montag verhandeln Vertreter der Senatsverwaltungen für Finanzen, Wirtschaft und Stadtentwicklung mit der IBB, um eine Lösung zu finden. Diese sollte laut Eva Henkel, der Sprecherin von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), noch am Donnerstag verkündet werden, lag bis Redaktionsschluss allerdings noch nicht vor. Henkel betonte, dass die Häuser wirtschaftlich betrieben werden müssten: „Es darf keine dauerhaften Subventionsträger geben.“
Darüber hinaus würden noch die Eigenkapitalzusagen geprüft. Bis Donnerstag früh hatte es noch keine Nachweise dafür gegeben, dass die Eigenkapitalquote von 10 Prozent erreicht sei. Für den Fall, dass die Darlehen nicht bewilligt würden, sprach Landwehr von einer „furchtbaren Situation“ besonders für die MieterInnen, die zum Teil Kredite aufgenommen haben, um ihren Anteil zu leisten. Landwehr nannte die lange Dauer des Verfahrens einen „politischen Skandal“.
Unklar ist weiterhin, welche Konsequenzen die Rückabwicklung des Vorkaufs in der Rigaer Straße 101 hat. Da in dem Haus ein sehr viel höherer Sanierungsbedarf festgestellt wurde als anfänglich angenommen, hatte das Land den Zuschuss verweigert, und auch mit dem IBB-Darlehen war nicht mehr zu rechnen. Infolgedessen waren „Diese eG“ und Bezirk von dem Kauf zurückgetreten.
Der Eigentümer hatte daraufhin von einer Schadenssummer von mehreren 100.000 Euro gesprochen – aufgrund des gesunkenen Verkaufspreises wegen des geplanten Mietendeckels. Florian Schmidt hatte einen Anspruch auf Schadenersatz angezweifelt.
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