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heute in hamburg„Falsches Bild von Sicherheit“

Foto: GFF

Sarah Lincoln, 37, studierte Jura in Hamburg und ist Verfahrens­koordinatorin der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

Interview Katharina Gebauer

taz: Frau Lincoln, auf welchen Plattformen kommunizieren Sie?

Sarah Lincoln: Auf dem Handy habe ich Whatsapp drauf. Bei der Arbeit nutze ich Signal, denn das ist verschlüsselt.

Fühlen Sie sich da sicher?

Zunehmend gibt es IT-Sicherheitslücken, die staatlich befördert werden. Sowohl kriminellen Hackern als auch staatlichen Nachrichtendiensten ermöglicht das, auf Handys und Computer zuzugreifen. Diese Lücken sind notwendig, um dort Überwachungs-Softwares, sogenannte Staatstrojaner, zu installieren. Die Anbieter versuchen, diese schnell zu schließen. Der Staat will sie so lange wie möglich offen halten und hält sie deshalb geheim.

Warum das?

Die Sicherheitsbehörden brauchen diese Lücken, um verdächtige Personen auszuspähen. Das ist ein massiver Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person und gefährdet zudem die IT-Sicherheit aller Menschen. Das ist, als ginge die Polizei einfach an einer kaputten Haustür vorbei und merke sich die Adresse für eine spätere Hausdurchsuchung.

Braucht die Polizei weitere Befugnisse, um bei Online-Kriminalität nicht weiterhin immer zehn Schritte hinterher zu sein?

In den Fällen, in denen nicht rechtzeitig eingegriffen wurde, lag das meist nicht daran, dass Polizei oder Geheimdienste nicht ausreichend Überwachungsbefugnisse hatten. Deshalb ist es überhaupt nicht notwendig, diese zu erweitern. Das vermittelt ein falsches Bild von Sicherheit.

Welche Gesetze werden derzeit verschärft?

In Hamburg wird das Polizeigesetz und das Verfassungsschutzgesetz reformiert. Der Verfassungsschutz darf sich dann künftig auch in Handys und Computer hacken und die Kommunikation mitlesen.

Was ändert sich im neuen Polizeigesetz?

Dort ist die automatisierte Datenanalyse vorgesehen. Mit einer speziellen Software werden große Datenmengen ausgewertet: Aus polizeilichen Datenbanken und externen Quellen wie Social-Media-Kanälen. Die Polizei will damit Personen und Netzwerke durchleuchten.

Warum halten Sie automatisierte Datenanalyse für gefährlich?

Dadurch können sich Behörden umfassende Persönlichkeitsprofile von Zielpersonen erstellen. Das verstößt gegen die informationelle Selbstbestimmung und kann sogar die Menschenwürde verletzen. Die Analyse greift lange vor einer konkreten Gefahr ein. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte wird in Hamburg prüfen, ob wir gegen die Verschärfungen eine Verfassungsbeschwerde einlegen.

Vortrag „Staatstrojaner und Datenanalyse“: 18.15 Uhr, Rechtshaushörsaal, Rothenbaumchaussee 33, Eintritt frei

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