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Studie von Pro Quote MedienAlles voller Männer, außer …

Ein Journalismus, in dem Frauen 50 Prozent der Chef*innen sind? Auch heute noch utopisch, zeigt eine neue Studie von Pro Quote Medien.

Das ist die Ausnahme: große Redaktionskonferenz der „Bild“ am Frauentag 2006 in Hamburg Infografik: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Berlin taz | Stellen wir uns Folgendes vor: Eine Welt, in der die Gleichstellung der Geschlechter umgesetzt ist. Eine Welt, in der Frauen 50 Prozent der politischen Ämter, der Wirtschaftsunternehmen, ja, der Zeitungen und Onlinemedien besetzen. Klingt nach Freiheit, oder? Leider ist das noch immer Utopie, denn die Realität, und das wissen vor allem Frauen als Betroffene, sieht sehr männlich aus.

Nehmen wir die Medien: Wie schlecht die Lage für Frauen da tatsächlich ist, untersucht seit 2012 die Initiative Pro Quote Medien. Der Verein erhebt in Untersuchungen den Anteil von Frauen in Führungspositionen in Rundfunk, Print- und Onlinemedien sowie Regionalzeitungen. Ihr Ziel, so formuliert es Pro Quote Medien auf der eigenen Website: „Wir kämpfen dafür, dass aus Chef Chefin wird.“ Um das direkt vorwegzunehmen: Die 50-Prozent-Quote erreichen laut der aktuellen Studie die wenigsten Medienhäuser auch nur annähernd.

Eine erste Untersuchung von Pro Quote Medien hatte sich Ende 2018 mit dem Rundfunk beschäftigt. Am Donnerstag hat der Verein in Hamburg die neue Zählung über die Presse, also Print- und Onlinezeitungen, vorgestellt. Untersuchungsgegenstand waren „Regionalzeitungen, überregionale Tages- und Wochenzeitungen, Publikumszeitschriften, Nachrichtenagenturen und Zentralredaktionen, sowie redaktionell gestaltete Websites“.

Das Ergebnis: Wenngleich an manchen Stellen etwas besser, grundsätzlich schlecht wie immer. „Das Ergebnis der Studie ist in Teilen deprimierend“, sagt Sabine Stamer von Pro Quote Medien. „Angesichts der Tatsache, dass Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – und gerade im Journalismus auch der Nachwuchs zum großen Teil aus Frauen besteht.“

Infografik: Infotext

Um eine eindeutigere Aussage darüber treffen zu können, welche publizistische Macht Frauen tatsächlich haben, hat Pro Quote Medien einen methodischen Begriff eingeführt: den Frauenmachtanteil. Je höher die Hierarchieebene (Ressortleitung, Redaktionsleitung, stellvertretende Chefredaktion, Chefredaktion), desto stärker fällt sie ins Gewicht. Gibt es also beispielsweise fünf Hierarchieebenen, so zählt die Frau oder der Mann auf der höchsten Ebene, also die der Chefredaktion, fünffach, auf der vierten Ebene vierfach, und so weiter.

Pro Quote Medien hat im Printbereich zum Beispiel die überregionalen Tageszeitungen ab einer verkauften Auflage von rund 50.000 Exemplaren untersucht. Sprich: Bild, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Welt – und die taz wurde freundlicherweise auch mit reingenommen, obwohl ihre verkaufte Auflage knapp unter 50.000 liegt.

Im Print ist es allein die taz, die den von Pro Quote errechneten Frauenmachtanteil von 50,8 Prozent erreicht. Platz zwei erzielt die Süddeutsche Zeitung mit 32,1 Prozent. Die Bild, als größte und wohl einflussreichste Zeitung in Deutschland, wird „zu fast drei Vierteln von Männern gelenkt, der Frauenmachtanteil liegt bei 26,8 Prozent“, heißt es in der Studie.

Noch eindrücklicher werden die Zahlen, betrachtet man, wer de facto in den Chefredaktionen sitzt. Zwar wird die Frauenquote besser, je niedriger man in der Hierarchieebene geht. Aber die Spitze ist unangefochten männlich. Die wichtigsten deutschen Zeitungen werden ausschließlich von Männern geführt. Bis vor kurzem gab es mit Digitalchefredakteurin Julia Bönisch allein eine Co-Chefin bei der SZ. Bönisch war den anderen Chefredakteuren gleichgestellt. Ende Oktober hat sie die Zeitung jedoch verlassen, ihre Stelle ist vakant.

Infografik: Infotext

Damit gibt es auf der obersten Ebene keine Chefredakteurin bei einer deutschen Tageszeitung – und übrigens auch nicht bei einer Wochenzeitung. Marion Horn, Chefredakteurin der Bild am Sonntag (BamS), wird nicht mitgezählt, weil mittlerweile alle Bild-Produkte dem Bild-Chefredakteur Julian Reichelt unterstehen. Ähnlich ist es bei der Welt. Dagmar Rosenfeld ist seit dem Frühjahr 2019 Welt-Chefredakteurin. Hierarchisch gesehen steht Ulf Poschardt jedoch über ihr. „Er ist ‚übergreifend verantwortlich für alle Angebote der Gruppe‘“, schreibt Pro Quote Medien.

In den Online-Redaktionen scheint es auf den ersten Blick besser zu laufen als im Print, hier zählt Pro Quote einen Anteil von 30 Prozent Chefinnen. Doch Sabine Stamer warnt vor Euphorie: 30 Prozent seien immer noch ziemlich wenig. Früher forderte der Verein noch eine 30-Prozent-Quote, heute will man 50.

Ein Lichtblick: die Zeitschriften. Bei den 66 untersuchten Publikumszeitschriften liegt der Frauenmachtanteil in den Chefredaktionen bei 48,9 Prozent. Vergleichsweise hoch. Hier lohnt allerdings ein Blick auf die thematische Aufschlüsselung. Sogenannte „Frauenzeitschriften“ und Hefte, die sich schwerpunktmäßig mit Themen wie „Haus und Garten“ oder „Unterhaltung“ beschäftigen, haben größtenteils eine Frau an der Spitze.

Zeitschriften, die sich mit den „harten“ Themen auseinandersetzen, also Technik, Autos, Politik und Gesellschaft sowie Wirtschaft, stehen weiterhin unter männlicher Führung, heißt es in der Studie. Lediglich der Stern erreicht von den großen Politik- und Gesellschaftsmagazinen einen Frauenmachtanteil von 45,8 Prozent. Dass Frauen „Frauenzeitschriften“ redaktionell leiten, ist natürlich keine schlechte Nachricht – und übrigens auch noch nicht immer so selbstverständlich wie heute: Die Brigitte wurde fast 30 Jahre lang von einem Mann geleitet.

Infografik: Infotext

Das Problem bleibt aber im Großen und Ganzen: Die Top-Jobs werden von Männern gemacht. Oder anders ausgedrückt: Da, wo es wirklich um Mitsprache und Macht geht, bleiben die männlichen Kollegen unter sich. Sabine Stamer nennt das „Buddysystem“ als Grund. Männer hätten ein Netzwerk, in das Frauen nicht reinkämen.

Und wer gibt schon gerne Macht ab? Aber Macht abgeben müssten die gegenwärtigen Chefs eigentlich, wenn man die Zahlen anschaut. Oder sie müssen damit klarkommen, dass alle, die an Gleichberechtigung interessiert sind, jeden Tag ihren Ruhestand herbeisehnen.

Weiter gedacht, braucht die Medienbranche übrigens einen intersektionaleren Ansatz. Geschlecht ist nicht die einzige Kategorie, wo es hakt bei der Repräsentation. Redaktionen und Führungsebenen im Journalismus müssen allgemein diverser werden. Das findet auch Pro Quote.

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9 Kommentare

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  • Traditionell steht Erwerbsarbeit im Zentrum männlicher Selbstdefinition und männlichen Selbstwertgefühls.

    Dazu trug nicht zuletzt die (von Mann erwartete) Rolle als 'Ernährer der Familie' bei.

    Traditionelle Männlichkeit und Erwerbsarbeit sind somit aufs engste verbunden.

    Scheitern in der Arbeit und Verlust der Arbeit kann für (in diesem Sinne) traditionelle Männer zu schweren Identitätskrisen führen - und dürfte ebenso lebensverkürzend wirken, wie der Zwang, als Ernährer jede riskante 'Drecksarbeit' anzunehmen.

    Ein Mann ohne Erwerbsarbeit verliert seine männliche Identität.

    Dieses traditionelle Bild ist glücklicherweise am Erodieren - aber immer noch wirkungsvoll genug...

    Frauen stehen in ihrer Selbstdefinition Alternativrollen zur Verfügung.

    Eine Frau ohne Erwerbsarbeit verliert nicht ihre Identität als Frau.





    Und diese Alternativrollen erlauben es den Frauen auch, andere - nicht selten bessere, klügere (!) - Formen der Lebensbestaltung zu finden: weniger 'rat race' um die höchsten Positionen, Niedrigerhängen der Erwerbsarbeit überhaupt, mehr Teilzeit, um mehr Zeit für Anderes , Wichtigeres zu haben.

    Warum weniger Frauen in den höchsten Positionen zu finden sind, ist nur multifaktoriell zu erklären, nicht mit einer einzigen Ursache, wie 'Diskriminierung'.

    Bewußte Wahl der Frauen, Erwerbsarbeit nicht ins Zentrum des Lebens zu stellen, dürfte einer der Gründe sein.

    Wir Männer könnten davon lernen.

    Vorurteile gegenüber Frauen werden in bestimmten Wirtschaftsbereichen gewiß noch Rolle spielen - aber das ist nur ein Faktor.

    Was die Arbeitsfelder betrifft, so scheint es evident, daß Männer im Durchschnitt eher eine Affinität zu Objekten haben, und Frauen eher zu Menschen.

    So sollte es nicht verwundern, daß zum Beispiel in technischen Studienfächern Männer dominieren - in fast allen anderen sind mittlerweile schon die Frauen dominant...

  • Journalismus ist grundrechtlich besonders geschützt. Regelungen zur Arbeitnehmermitbestimmung gelten in journalistischen Verlagen nicht. Es gibt die besondere Anstellungsform der "Festen Freien Mitarbeiter". Die Klage von Frau Meier ist ja erst kürzlich abgewiesen worden.

    Nunden gerade im Bereich des Journalismus wird es eine gesetzliche Quote nie geben.Übrigens aus vergleichbaren Gründen wie bei den Parteien.

  • Oh man, das ist ja echt ein Trauerspiel. Ein Lichtblick die taz und der Stern (bei letzterem hätt ich es nicht vermutet).



    Gut, dass es Kämpferinnen gibt, die sich nicht entmutigen lassen!

    • @Fallmanagerin:

      Blöde Frage: Geht es irgendwem besser, wenn die Chefredakteurin einer wichtigen Zeitung nicht Jonas Müller sondern Johanna Müller heißt - außer Johanna Müller?

  • "Eine Welt, in der die Gleichstellung der Geschlechter umgesetzt ist. Eine Welt, in der Frauen 50 Prozent der politischen Ämter, der Wirtschaftsunternehmen, ja, der Zeitungen und Onlinemedien besetzen. Klingt nach Freiheit, oder?"

    Ich sehe es überhaupt nicht als gegeben an, dass die erste Welt (die mit der Gleichstellung) mit der zweiten (die mit den erfüllten Quoten) identisch sein muss. Genau wie es in der Politik kein Wunder und auch kein Zeichen von brutaler Frauenunterdrückung ist, dass Machtpositionen in den Parteien in etwa proportional zum Anteil der Geschlechter an der Mitgliedschaft verteilt sind, gibt es auch in anderen Bereichen durchaus divergierende Grade an Motivation, überhaupt die angeblich gelschlechterübergreifend so begehrten (aber auch anstrengenden, zeitintensiven, verantwortungsbeladenen) Topjobs zu besetzen.

    Von daher als Antwort auf die Frage: Nein, das klingt nicht nach Freiheit, das klingt nach Statistik-Korsett.

    Der ganze Artikel fußt erkennbar auf dem Postulat, dass gleiche Rechte und gleiche Chancen auch zwangsläufig zu gleichen Ergebnissen führen müssten. Gibt es für diese Grundthese irgendwelche Belege, oder ist das nicht einfach nur so ein Mantra, dass "Pro Quote" und andere Fans der Gleichmachung von oben vor sich hertragen, um nicht die Legitimation zu verlieren?

    Und wenn es schon nicht anders als über platte Zahlenvergleiche geht, seid doch mal bitte so gut und stellt auch mal folgendes Statistik auf: Wieviele Männer und wie viele Frauen gibt es denn in den jeweiligen Medien, die wahnsinnig gerne auf einem der zu quotierenden Chefsessel sitzen WÜRDEN?? Wie viele von denen haben Grund zur Annahme, dass sie da aufgrund ihres Geschlechts NICHT sitzen?

    Zur Frage nach den Gründen: Wer ist eigentlich Sabine Stamer, dass sie so genau weiß, woran es liegt, das es so ist, wie es ist - außer einer Aktivistin, die es gerne ANDERS hätte, als es ist?

  • "Sabine Stamer nennt das „Buddysystem“ als Grund. Männer hätten ein Netzwerk, in das Frauen nicht reinkämen. "

    Lässt sich das irgendwie nachweisen oder ist das nur anekdotische Evidenz?

    Woher wissen wir eigentlich, dass Männer und Frauen in ihren Talenten und Ambitionen so völlig übereinstimmen, dass aus jeder Ergebnisungleichheit auf eine Benachteiligung geschlossen werden kann?

    • @Thomas Friedrich:

      Sie bringen die Frage also auf, ob Frauen eher einen Hang zu schlecht bezahlten, sozialen Berufen, wie Erzieherin neigten? Und ob das nicht einfach Genetisch bedingt sei?

      • @Michi W...:

        Weder die Wahl eines Berufes noch dessen gute oder schlechte Bezahlung sind gottgegeben. Wenig zahlen würde eigentlich so ziemlich JEDER Arbeitgeber gerne. Die Frage ist nur, ob er genügend Leute findet, die für kleines Geld für ihn arbeiten wollen. Und genau das scheint in diesen Berufen leichter zu sein als z. B. im Ingenieurwesen oder der Betriebswirschaft - aber z. B. auch beim Arztberuf, der zunehemnd weiblich dominiert ist.

        Vielleicht kann man den Sachverhalt etwas anders formulieren als Ihre erste Frage das tut: Mehr Frauen als Männer neigen dazu, bei der Wahl ihres BERUFES die Bezahlung nicht so in den Vordergrund zu stellen. Stattdessen suchen sich Frauen tendeziell eher den PARTNER nach Verdienstgesichtspunkten aus, als Männer das tun. Das wieder ist ein wesentlicher Ansporn für



        viel Männer, ihren beruflichen Werdegang weniger nach "weichen " Faktoren wie Work-Life-Balance, menschlichen Kontakt, ethischer Anerkennung, Sicherheit, Arbeitsklima etc. auszurichten und sich stringent auf "Erfolg" zu trimmen. Dieser spezielle Ansportn fehlt umgekehrt bei vielen Frauen. Sie finden im Zweifel nicht leichter einen attraktiven Partner, wenn sie sich im Beruf abplacken und stahlbesetzte Ellbogen ausfahren.

        Ob nun die schlechteren Verdienste in klassischen "Frauenberufen" zuerst da waren oder nur ein Resultat des - im Schnitt - geringeren Interesses der Berufsträgerinnen am Geld sind, ist ein wenig die Frage nach Henne und Ei. Wesentlich ist, dass diese Verhältnisse seit langem sattsam bekannt sind, aber offenbar weniger Frauen als Männer abschrecken, solche Berufe zu ergreifen.

      • @Michi W...:

        Ich halte es für möglich, dass Männer im Durchschnitt karrierefixierter sind, und dass es dafür eine soziobiologische Erklärung gibt.

        Ich bin auch offen für Gegenargumente, finde es aber nicht überzeugend, wenn die vollkommene Gleichheit der Geschlechter einfach vorausgesetzt wird, um dann aus jeder Ergebnisungleichheit auf fehlende Chancengleichheit zu schließen.