Sanddorn schützt die Küsten, entstresst die Zellen – und ist ein Produkt der DDR

Keine Beeren, keine Erklärung: Ein befallener Strauch (l.) auf dem Hof des Bauern Benedikt Schneebecke (r.) nahe Rostock Fotos: Katharina Elsner

Der Sanddorn ist bei uns ein Spätzünder, die Frucht kommt ursprünglich aus Asien, und einer Legende nach brachte ihn Alexander der Große nach Europa, weil er um die heilende Wirkung wusste. Deutsche Wissenschaftler und Forscher erkannten erst Ende des vergangenen Jahrhunderts den Wert der Früchte als Vitamin-C-Quelle. Großen Anteil daran hatte Hans-Joachim Albrecht, der gelernte Gartenbauingenieur leitete 30 Jahre lang die Zuchtstation Berlin-Baumschulenweg, einen Betriebsteil des VEG Saatzucht Dresden.

Albrecht wurde 1964 beauftragt, Sanddornpflanzen zu liefern – eigentlich für den Küstenschutz. Als er aber Anfang der 1960er Jahre das erste Mal Sanddornsüßmost trank, wollte er mehr aus Sanddorn herausholen, so schreibt es Albrecht in einem Artikel für die Deutsche Dendrologische Gesellschaft.

1979 später vergab das Ministerium für Landwirtschaft der ersten gezüchteten Sanddornsorte Leikora die Zulassungsurkunde. Weitere Sorten folgten. Um die Leikora aufzuziehen, brauchten Albrecht und sein Team Flächen, die fanden sie in Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern. 1980 wurde dort eine der ersten Sanddornplantagen aufgebaut. Frank Spaethe ist heute bei der Firma Storchennest Produktionsleiter, damals hätten seine Vorgänger vor allem Most, Mischsäfte und Konfitüre hergestellt.

Nach der Wende seien die Absätze zunächst eingebrochen, inzwischen sei der Sanddorn aber wieder beliebter, vor allem bei deutschen Kundinnen und Kunden. Es gibt Sanddornöl, -seife, -liköre. Tee, Saft, Aufstriche. Und: der Sanddorn ist in der Wissenschaft angekommen. Doktorand Manuel Gronbach forscht an der Universität Rostock mit Sanddorn. Sei Ziel ist es herauszufinden, ob sekundäre Pflanzenstoffe des Sanddorns, zum Beispiel Flavonoide, helfen können, erbliche Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen zu behandeln.

Diese Flavonoide, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), seien zunächst Farbstoffe, die Trauben blau, Äpfel rot oder Grünkohl grün färbten. Auch wenn die Wirkung der Pflanzenstoffe noch nicht ausgeforscht sei, zeigten Flavonoide in Studien, dass sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten in Lunge und Dickdarm vermindern könnten. Der Rostocker Forscher Gronbach bringt die extrahierten und isolierten Wirkstoffe aus dem Sanddorn mit einem Röhrensystem am Zellkern zusammen. Das ist dafür verantwortlich, Fette zu verdauen, Eiweiße zu zerlegen und Bausteine für neue Eiweiße zusammenzusetzen, ist also auch entscheidend für die Entgiftung von Zellen. Wenn dieses Röhrensystem gestresst ist, kann das ein Grund für die Entstehung der erblichen Krankheiten sein. Gronbach konnte zeigen, dass die ­Sanddornextrakte tatsächlich den Stress des Röhrensystems reduzieren können. Der Weg hin zu einer möglichen Therapie mit Sanddorn ist allerdings noch weit.

2018 wurden in Deutschland auf gut 252 Hektar 935 Tonnen Sanddorn geerntet, 94 Prozent davon in ökologischer Landwirtschaft. Katharina Elsner