piwik no script img

„Schuldenbremse muss aus den Köpfen“

Hamburger Volksinitiative sammelte über 13.000 Unterschriften für eine Verfassungsänderung. Die Hürden dafür sind jedoch hoch

privat

Franziska Hildebrandt

31, studiert Soziale Ökonomie an der Uni Hamburg und ist Mitstreiterin bei „Schuldenbremsen streichen“

Interview Kaija Kutter

taz: Frau Hildebrandt, die Volksinitiative „Schuldenbremse streichen“ gab gestern 13.400 Unterschriften im Hamburger Rathaus ab. Was fordern Sie?

Franziska Hildebrandt: Dass die sogenannte Schuldenbremse aus der Hamburger Verfassung gestrichen wird. Sie führt dazu, dass wichtige Ausgaben für Schulen, Gesundheit, Hochschulen und soziale Infrastruktur der Stadt unterbleiben, obwohl sie dringend nötig sind.

Man will halt den Kindern keine Schulden hinterlassen.

Die Frage ist, was die Kinder davon haben. Sie können mit der schwarzen Null nichts anfangen, wenn die Schulen marode und die Straßen kaputt sind, wenn Bus und Bahn viel zu teuer sind und es keine Spielplätze mehr gibt. Außerdem haben wir derzeit Minuszinsen. Das heißt, der Staat muss weniger zurückzahlen, als er heute an Schulden für die Investition aufnimmt.

Was nützt es, wenn Hamburg die Bremse aus seiner Verfassung streicht, wenn doch im Bund das Grundgesetz den Ländern ab 2020 die Schuldenbremse vorschreibt?

Diese ganze Schwarze-Null-Rhethorik gehört infrage gestellt. Da kann Hamburg den Anfang machen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist auch umstritten, weil sie dort die ersten 20 Artikel und damit auch das Sozialstaatsgebot konterkariert.

Niedersachsen hat die Bremse jetzt gerade erst eingeführt.

Das war sehr umstritten. Auch in Berlin und Brandenburg wird das kontrovers diskutiert und Nordrhein-Westfalen hat ganz darauf verzichtet. In Hamburg wurde offen gesagt, dass die Schuldenbremse auf die Bevölkerung eine „erzieherische Wirkung“ haben soll. Sie soll die Menschen klein halten, damit sie gegen die Kürzungspolitik nicht opponieren. Deshalb sagen wir, wir müssen die Schuldenbremse aus den Köpfen kriegen.

Ist so eine Volksinitiative überhaupt rechtlich möglich?

Wir haben das prüfen lassen.

Aber es gibt für eine Verfassungsänderung hohe Hürden.

Stimmt. Es müssten in der dritten Stufe beim Volksentscheid zwei Drittel dafür votieren.

Kaum zu schaffen ist meist die zweite Stufe, das Volksbegehren. In drei Wochen brauchen Sie 65.000 Unterschriften.

Da sind alle aufgerufen, mitzuhelfen. Wir haben seit dem Start unserer Initiative im Mai den Unterstützerkreis enorm ausgeweitet. Auch Ver.di und die Linke sind beigetreten.

Und der entscheidende Volksentscheid käme dann 2021?

Wenn die Groko hält, ist das der Plan.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen