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Schwangerschaftsabbrüche trotz §218Keine Angst vor Lebensschützern

Hannover veröffentlicht landesweit Adressen von Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Viele sind es nicht.

AbtreibungsgegnerInnen bei einer Demonstration in Berlin Foto: dpa

Karin Burkhardt hat keine Angst vor Angriffen. Auch nicht Heiner Frommeyer, so wie auch Irina Zaroban. Die drei MedizinerInnen aus Helmstedt, Osnabrück und Braunschweig führen Schwangerschaftsabbrüche durch. Jetzt stehen ihre Namen auf einer Liste von 22 Ärzt*innen in Niedersachsen, die trotz des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch abtreiben. Die Liste, die das niedersächsische Gesundheitsministerium herausgegeben hat, ist seit Kurzem auf der Seite hannover.de zu finden.

Burkhardt, Frommeyer, Zaroban und die anderen Mediziner*innen gehören zu den wenigen Ärzt*innen, die den Mut haben, mit der Information, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, an die Öffentlichkeit gehen. Andere Praxen verstecken ihre Daten, machen nicht öffentlich, dass sie Abtreibungen vornehmen oder führen erst gar keine (mehr) durch. Grund dafür ist unter anderem der Paragraf 219a, der ein sogenanntes Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche vorschreibt.

In der Vergangenheit mussten sich immer wieder Mediziner*innen vor Gericht dafür verantworten, weil sie auf ihrer Homepage angegeben haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen und mit welcher Methode sie das machen. Im Frühjahr wurde das Verbot zwar gelockert, seitdem dürfen Praxen erklären, dass sie Abtreibungen durchführen, aber nicht, wie. Wer das wissen möchte, muss an Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verwiesen werden.

Zum Werbeverbot kommt eine Stigmatisierung, die vor allem von christlichen und fundamentalistischen „Lebensschützer*innen“ betrieben wird. Diese stehen oft vor gynäkologischen Praxen, halten große weiße Kreuze hoch und Schilder mit Sprüchen wie „Für das Leben der Kinder, denen Tod durch Abtreibung droht“.

Keine Demos vor der Tür

Manche Lebensschützer­*innen bezeichnen Schwangerschaftsabbrüche als „Babycaust“. Vor solchen Angriffen fürchten sich weder Burkhardt noch Frommeyer. Sonst hätten sie ihre Praxisadressen nicht veröffentlicht, sagen sie auf taz-Nachfrage. Beide Mediziner*innen haben vor ihrer Tür bislang weder Demos von Lebensschützer*innen erlebt noch rechnen sie damit, dass diese das demnächst tun werden.

Die Veröffentlichung der Liste auf dem gemeinsamen Internetauftritt der Stadt und der Region Hannover hat einen längeren Vorlauf. Noch im Sommer vor einem Jahr hatte sich die Verwaltung der niedersächsischen Hauptstadt geweigert, diese Informationen öffentlich zu machen. Dagegen hatten Frauen und Beratungsstellen protestiert. Regionspräsident Hauke Jagau lenkte zügig ein. Die Liste sei eine „Hilfestellung für Frauen in Krisensituationen“, erklärte Jagau damals der regionalen Presse.

Nachdem der Bundestag das „Werbeverbot“ Ende Februar gelockert hatte, stellte die Bundesärztekammer eine Liste mit bundesweiten Adressen ins Netz. Diese ist allerdings mangelhaft. Bislang sind darin nicht einmal 100 Einträge verzeichnet. Bundesweit nehmen etwa 1.200 Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche vor.

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2 Kommentare

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  • Nuja - die Veröffentlichung in so einer Liste ist genau NICHT von § 219a bedroht, weil das (noch nie) Werbung war. Insofern finde ich den Seitenhieb in Richtung der Vorschrift und ihrer ach so weitreichenden Folgen etwas neben der Sache.

    Was die Furcht vor den Lebensschützern betrifft - die ist durchaus nachvollziehbar. Aber denen würde man auch mit einem Wegfall des § 219a - oder gar des § 218 - nur sehr bedingt den Wind aus den Segeln nehmen. Denn ihre Demos und Mahnwachen blieben im selben Rahmen erlaubt wie heute, und ihre Meinung entstammt im Zweifel anderen Quellen als dem Strafgesetzbuch und würde sich erst recht nicht ändern, wenn die Rechtslage sich weiter von ihrer Moralvorstellung entfernte (man stelle sich die vor, die AKW-Betreiber hätten ein Problem mit Anti-Atom-Demonstranten und würden als Gegenmittel nach längeren Laufzeiten rufen...).

  • Endlich, so ist es recht! Über Abtreibung selbst mag man ja geteilter Meinung sein. Für einen normalen gesellschaftlichen Umgang mit einem solch extremen Thema ist nüchterne, aktuelle und zugängliche Information aber Grundvoraussetzung. Hoffentlich macht das Beispiel Schule im Rest des Landes. Warum gerade Verwaltungen sich so hartnäckig sträuben ist mir ein Rätsel. Die Liste mit den Beratungsstellen steht hoffentlich gleich daneben.