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Anzeige gegen Betreiber von HetzportalFeministin zeigt Frauenfeinde an

Hamburgs Vorsitzende von Pro Familia zeigt das antifeministische Portal Wikimannia an. Die Betreiber verstecken sich hinter Pseudonymen.

Demonstration in Leipzig gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen Foto: Sebastian Willnow/dpa

Hamburg taz | Mit Gerichtsverfahren hat Kersten Artus Erfahrung. Die Vorsitzende von Pro Familia Hamburg wurde bereits von dem Abtreibungsgegner Yannic Hendricks verklagt, weil der nicht wollte, dass sie seinen Namen öffentlich nennt – obwohl er Interviews über sein „Hobby“ gab, Ärzt*innen anzuzeigen. Artus gewann gegen den Mann, der auch weitere Prozesse verlor.

Jetzt geht Artus selbst juristisch gegen eine Internetseite vor, die das Zuhause solcher Abtreibungsgegner*innen ist und hat Strafanzeige gegen die Betreiber der Seite de.Wikimannia.org gestellt. Die Seite nennt sich selbst „eine Wissens-Datenbank über Benachteili­gungen von Jungen und Männern, sowie Be­vor­zu­gun­gen von Maiden und Frauen“. Dort wird unter anderem gegen Feminismus, gegen die Ehe für alle und eben auch gegen Schwangerschaftsabbrüche gehetzt. Und gegen Einzelpersonen, die sich für diese Dinge einsetzen.

Dabei bedienen sich der oder die Betreiber auch am Eigentum derer, die auf der Seite denunziert werden. Im Oktober vergangenen Jahres bemerkte Artus nach eigenen Angaben, dass auf der Seite ein von ihr geschossenes Foto verwendet wird. Es ist bei einer Kundgebung anlässlich der ersten Gerichtsverhandlung gegen die Ärztin Kristina Hänel 2017 entstanden. Darauf zu sehen ist die Gynäkologin Nora Szász. Sie trägt vor sich ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin Ärztin. Ich bin auch angeklagt, weil ich behandle und informiere“. Wikimannia fügte eine verleumderische Bildunterschrift hinzu, laut derer Szász für ihr „Tötungshandwerk“ werbe.

Anlass genug für Artus, rechtlich gegen die rechte Plattform vorzugehen. „Es ist mir wichtig darauf aufmerksam zu machen, wie der Hass im Netz grassiert und wie solche Seiten funktionieren“, sagt Artus. Es sei fatal und offenbare eine Gesetzeslücke, wenn der Betreiber damit durchkomme.

Die Situation ist für viele, die bei Wikimannia an den Pranger gestellt werden, unerträglich

Nora Szász, Gynäkologin

Die Verwendung des Bildes auf der Seite dürfte auch gegen die Persönlichkeitsrechte von Nora Szász verstoßen. „Ich begrüße sehr, dass Kersten Artus sich zu diesem Schritt entschieden hat“, sagt sie zur taz. „Die Situation ist für viele, die bei Wikimannia an den Pranger gestellt werden, unerträglich.“ Sie selbst überlege noch, ob sie gegen die Seite vorgeht. Bisher habe der Rechtsstreit um die Information über Schwangerschaftsabbrüche bei ihr schon viel Raum eingenommen.

Artus indes hatte schon im Oktober 2018 eine Mail an die im Impressum angegebene Adresse geschrieben und verlangt, das Foto zu entfernen, sowie ein Honorar für die bisherige Verwendung des Bildes zu erhalten. Kopien der E-Mails liegen der taz vor.

Ein Mann, der sich selbst „Redakteur der Seite“ nennt und mit dem offensichtlichen Pseudonym „Mus Lim“ unterschreibt, antwortete Artus: Er könne das Bild zwar entfernen, mit allen weiteren Forderungen solle sie sich an das Büro wenden. Zur Bildunterschrift schrieb er, es handle sich um eine „redaktionelle Klarstellung“. Die Parole auf dem Bild sei irreführend.

Das Foto ist immer noch auf der Seite

Artus erhielt kein Honorar und auch das Bild blieb auf der Seite. Es war nur nicht mehr auf dem Server selbst, stattdessen wurde via Hotlink auf Artus’ Webseite verlinkt. Mit dieser Technik werden Medien auf Webseiten eingebettet und für außenstehende wie ein reguläres Bild angezeigt, obwohl die eigentliche Datei auf einem anderen Server liegt. Ein Ausweg, der von den meisten Gerichten als rechtens angesehen wird, wie Artus’ Anwalt Björn Elberling erklärt.

Auf eine erneute Mail mit dem Hinweis, das Foto zu löschen, bekam Artus nach eigenen Angaben keine Antwort mehr. Bis heute ist das Foto auf Wikimannia zu finden. In dem Beitrag über Artus selbst wurde ein Kommentar hinzugefügt. Darin heißt es, Artus gebärde sich „wie ein Nazi, der Nutzungs­rechte für Bilder reklamiert, wenn seine Propaganda-, Mord- und Schandtaten dokumentiert werden“.

Normalerweise könnte Artus zivilrechtlich gegen den Diebstahl ihres Fotos vorgehen, sagt Elberling. „Hier ist das Problem, dass sich die Seite hinter einem Fake-Impressum verbirgt und die Betreiber deshalb für normale Anspruchsgeltendmachung nicht erreichbar sind.“ Laut Impressum von Wikimannia ist ein gewisser Joel Castro Betreiber der Seite. Als Anschrift ist eine Adresse in der Türkei angegeben – laut Elberling eine Briefkastenfirma. Allein das sei schon eine Ordnungswidrigkeit.

Es gibt Hinweise, wer die Seite früher betrieben hat

Die Medienanstalt Hamburg/ Schleswig-Holstein, die für die Einhaltung rechtlicher Bestimmungen bei Internetseiten von Anbietern mit Sitz in den beiden Bundesländern zuständig ist, bestätigt auf Anfrage der taz, dass sie im Fall Wikimannia aufwendig recherchiert hat, den Anbieter der Seite aber nicht ausfindig machen konnte.

Im Impressum der Seite wird unter „Bearbeitung von Beschwerden“ deutlich, wie der oder die Betreiber mit eben solchen Beschwerden umgehen, angelehnt an die Aussagen eines Männerbloggers: Es sei kein Problem, sich verurteilen zu lassen, schreibt dieser. Er würde dann das Urteil öffentlich machen, denn darin seien in den meisten Fällen die strittigen Passagen wiederholt. Und dann noch eine Verlinkung auf eine Archivversion der Internetseite. So sei der vermeintliche Erfolg der Klägerin nichts wert.

Um ihr Recht durchzusetzen, hat Artus am Dienstag Strafanzeige wegen Verstößen gegen das Urheberrecht gestellt. Dabei geht es um den ursprünglichen Diebstahl des Bildes. „Wir machen das, damit nun mit polizeilichen Mitteln ermittelt wird, wer dahinter steckt“, sagt Anwalt Elberling. „Mit den Mitteln der Strafprozessordnung dürfte es eigentlich nicht so schwer sein, herauszufinden, wer die Seite betreibt.“ Laut Elberling gibt es zumindest Hinweise, wer die Seite früher einmal betrieben hat. Zu diesen und anderen Fragen schwieg Wikimannia auf Anfrage der taz.

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6 Kommentare

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  • So unterbindet man das Hotlinking genannte Verwenden der eigenen Ressourcen durch externe Websites: www.redirect301.de...inking-verhindern/

    Damit wäre dieser Weg der Zweckentfremdung unterbunden. Das hindert Leute aber nicht daran, das Bild sonstwo zu speichern. Dann hat man die Aufgabe am Bein, zu überwachen, dass das Bild von den Betreibern dieser externen Speicher auch wieder entfernt wird :(

    Rechtsextreme haben inzwischen leider eine Kunst daraus gemacht, die verschiedenen nationalen Rechtsrahmen auszunutzen, um ihre Identitäten zu verschleiern.

    Dazu wird das Netzwerk rechtsextremer Shop- und Propagandaseiten nach amerikanischem Vorbild kontinuierlich ausgebaut. Wer z.B. rechte Literatur recherchiert, bekommt neben Amazon und anderen ladungsfähigen Seiten inzwischen viele Shops und “Kultur“-Portale angezeigt, auf denen sie angeboten und empfohlen wird.

    Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, die Phrase kennt man, aber wo sie eindeutig im Sinn misogyner Gedankengebäude eingesetzt wird, müsste sie m.E. leider eingeschränkt werden.

    Dazu müsste aber auch juristisch erfasst werden, wie rechte Propaganda in Zeiten des Neuromarketing und Microtargeting psychologisch funktioniert. Z.B. indem man die Leute bei ihren Ängsten und Traumata packt und die an sich gesunde Wutreaktion auf Sündenböcke lenkt. Im Fall von Versicherungen ist das Werben mit Ängsten reguliert, warum das nicht auch bei politischer Kommunikation funktionieren soll, solange eindeutige Kriterien erarbeitet und angelegt werden, erschließt sich mir nicht.

    Da ist vll. die in der Deutschen Burschenschaft organisierte Juristerei vor, deren Mitglieder mindestens in Teilen den Aufbau und die Vernetzung von Organisationen des rechten Spektrums organisieren, aber auch gerne in Ämtern, Behörden, Instituten und sonstigen „Schaltstellen der Macht“ ihren Einfluss geltend machen. Mitgliedschaft in einer solchen Organisation müsste bei Besetzungen längst ein Ausschlusskriterium sein.

  • WhoIs: reports.internic.n...ia.org&type=domain



    Registrar: reports.internic.n...bot&type=registrar



    Bei PSI wird man wohl wissen wer die Domain registriert hat oder zumindest wer die Gebühren für diese zahlt.

  • Die Überschriften "Anzeige gegen Betreiber von Hetzportal" und "Feministin zeigt Frauenfeinde an" erwecken den Eindruck, als richtete sich die Anzeige gegen frauenfeindliche Hetze. In Wirklichkeit geht es aber bei der Anzeige nur um eine Urheberrechtsverletzung, wie sich aus dem Artikel ergibt. Aus dem Artikel geht zudem hervor, dass die anzeigende Feministin ein Honorar für die bisherige Verwendung des von ihr gemachten Fotos verlangt hatte. Die Artikelüberschriften sind daher ziemlich irreführend, denn sie suggerieren, dass Kersten Artus mit der Anzeige gegen Hetze vorgeht. Im seriösen Journalismus ist eigentlich zu erwarten, dass die Überschriften auch von der Berichterstattung gedeckt sind.

    • @Budzylein:

      Mit Verlaub: Sie labern.

  • Wenn man/frau so sieht was für seltsame Typen mit noch seltsameren Hobbies sich auf dieser doch eigentlich ganz schönen Welt und in dem teils echt gruseligen Internet tummeln, dann kann einem das echt schon Sorgen bereiten.



    Bleibt nur zu hoffen, dass solche Psychopathen nie in irgendwelche Machtpositionen kommen und ihr krankes Welt- und Frauenbild ausleben können.

    • @Toulouse31:

      Leider können sie das oft genug. Und auch gegen Tiere.



      Unsere Welt ist dieser düstere Ort, weil wir leider oftmals von Psychopathen regiert wurden und werden.