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Biohändler listen AfD-Hirse aus„Kein enkeltaugliches Wirtschaften“

Alnatura, BioCompany, dennree, Weiling, Biomare verkaufen keine Ware der Spreewälder Hirsemühle mehr, weil deren Chef bei der AfD aktiv ist.

Der Rohstoff, mit dem in der Spreewälder Hirsemühle in Kolkwitz-Krieschow gearbeitet wird Foto: Britta Pedersen/picture alliance

Berlin taz | Mehrere Bio-Händler haben Hirse-Produkte eines Unternehmens ausgelistet, weil sein Inhaber AfD-Politiker ist. Sowohl die bundesweit vertretene Öko-Supermarktkette Alnatura als auch die regionalen Konkurrenten BioCompany und Biomare sowie der Fachgroßhändler dennree und Weiling teilten der taz mit, sie würden nicht mehr mit der Spreewälder Hirsemühle zusammenarbeiten. Sie gehört Jan Plessow, Beisitzer im Vorstand der AfD im brandenburgischen Spree-Neiße-Kreis. Die Partei reagiert, indem sie die Auslistung mit dem staatlich organisierten Boykott der Geschäfte von Juden in der Nazi-Zeit gleichsetzt.

„Diese Partei leugnet den menschengemachten Klimawandel. Damit stellt sich der maßgebliche Entscheider der Spreewälder Hirsemühle gegen die Werte von Biomare und der gesamten Bio-Branche“, heißt es auf der Internetseite der Leipziger Kette mit drei Filialen. In ihrem Sortiment hätten „Produkte aus einem Hause, das sich gegen mehrere wichtige Kriterien für Nachhaltigkeit stellt, keinen Platz“. Deshalb verkauft Biomare nicht mehr Hirsekörner- und flocken des Brandenburger Herstellers, die zum Beispiel für Müslis oder Brot verwendet werden.

Die BioCompany (58 Filialen in Berlin, Hamburg und Dresden) schrieb der taz, Mühlenchef Plessow äußere sich öffentlich zu Themen wie Migration und Klimawandel „auf eine Art und Weise, die sich mit unseren Werten und Überzeugungen, wie z.B. Vielfalt und Toleranz, sowie nachhaltiges, enkeltaugliches Wirtschaften nicht vereinbaren lassen“.

AfD-Reaktion: „Linke Meinungsdiktatur“

„Alnatura hat sich gegründet unter dem Leitgedanken, Sinnvolles für Mensch und Erde zu leisten. Der Klimawandel ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen menschengemacht“, erklärte das Unternehmen, das mehr als 100 Geschäfte in Deutschland und der Schweiz hat. Ökolandbau sei eine Möglichkeit, das Klima zu schützen. Die Kette arbeite mit Partnern, „die auf der Erkenntnis dieser wissenschaftlichen Grundlage diesen Weg konsequent mit uns gehen wollen“.

Auch die Kund*innen in Leipzig bekommen eine Begründung für die Auslistung Foto: dpa

Biomare hatte Mühleninhaber Plessow vor der Auslistung die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. In seiner Antwort warf Plessow Biomare-Chef Malte Reupert eine „linksradikale“ Einstellung und „Stasi-Manier“ vor und vermutete, Reupert sei „Westdeutscher“. Nach der friedlichen Revolution 1989 in Ostdeutschland etabliere sich mehr und mehr eine „linke Meinungsdiktatur“.

Auf Reuperts Vorhaltung, dass die AfD den menschengemachten Klimawandel leugne, antwortete der Hirsemüller: „Klimaschutz ist aussichtslos.“ Es sei auch „kompletter Schwachsinn“, alle Atom- und Kohlekraftwerke abzustellen. Plessow bestritt, dass die AfD rassistisch sei, ergänzte aber, „angebliche Flüchtlinge“ würden „durchgefüttert“ und dann auch noch integriert. Er zitierte einen Artikel aus der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit zu „Ausländerkrawallen“ und „Migrantenbanden“. Außerdem fragte er, was das „Engagement eines Menschen in einer Partei mit dem Produkt zu tun hat, das in seinem Unternehmen hergestellt wird“.

Biohändler will „bei sich selbst anfangen mit dem Verbessern“

Tatsächlich ist Biohändler Reupert Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Nordsachsen –„und nach eigenen Angaben „Teilnehmer der friedlichen Revolution 1989 in Leipzig“. Es gebe einen Unterschied „zwischen einer echten Verfolgung mit Gefängnis, Berufsverboten bis hin zu Mord – und einem Widerspruch in einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung“, schreib Reupert dem Hirsemüller. Kaum ein mit der Sache befasster Wissenschaftler habe Zweifel an der Verantwortung des Menschen für den Klimawandel. Deutschland sei „bei Wohlstand, Demokratie, öffentlichen Institutionen, innerer und äußerer Sicherheit und sozialer Absicherung jeweils unter den besten 10 Staaten auf der Welt“. Es gebe Probleme etwa beim Klimaschutz und der Integrationspolitik. „Nur entbindet uns das alles nicht von der Notwendigkeit und Pflicht, bei uns selbst anzufangen mit dem Verbessern.“ Er streiche deshalb nicht nachhaltige Produkte und Hersteller aus seinem Sortiment.

Christian Lüth, Pressesprecher der AfD-Bundestagsfraktion, rückte die Hirsemühle-Auslistung in die Nähe mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, den das nationalsozialistische Regime ab 1933 organisierte. Damals hieß es auf Plakaten: „Deutsche! Wehrt euch! Kauft nicht bei(m) Juden!“ Lüth twitterte nun über das Biomare-Schild zur Hirsemühle: „Ökos! Wehrt Euch! Kauft nicht bei AfDlern!“

„Das ist inhaltlich falsch, weil ich nicht Politik oder Staat oder Medien bin, sondern Unternehmer, der eine Sortimentsentscheidung für sich selber trifft“, sagte Reupert der taz. Die Kriterien lege er „nach den Erwartungen meiner Kunden und meinen eigenen Werten“ fest. Das sei von seiner im Grundgesetz verankerten Gewerbefreiheit gedeckt.

Plessow ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

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19 Kommentare

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  • Meine Nachricht, die ich an Alnatura gesendet habe: "Sehr geehrte Damen und Herren, wie ich der Presse entnehmen kann, entlisten Sie einen Lieferanten aus Ihrem Sortiment wegen dessen Parteizugehörigkeit. Ich bin seit vielen Jahren Vegetarierin und regelmässige Käuferin Ihrer Produkte, insbesondere Tofu. Wenn ich mir in einem Geschäft nicht sicher war, welches Produkt ich kaufen soll, habe ich aufgrund der Marke Alnatura immer Ihr Produkt gewählt.



    Ich bin zutiefst beunruhigt, dass Sie aufgrund Zugehörigkeit zu einer zugelassenen Partei auslisten. Sicherlich war der Druck von der aktivistischen Seite ausschlaggebend dafür. Daher werde ich meine Konsequenzen ziehen und eine Marke, die sich NEUTRAL verhält, finanziell unterstützen. In Zukunft wird leider bei meinen Kaufentscheiden nicht mehr pro Altnatura, sondern contra Alnatura entschieden."

  • Der Markt funktioniert - aber anders als hier erwartet: Die Spreewälder Hirsemühle hat gerade einen fulminanten Anstieg des Absatzes zu vermelden (die PR ist Millionen wert) und die paar kg des Grünen Kreisvorsitzenden vielfach wettgemacht. Und Alnatura hat durch die vorsichtige Stellungnahme schon bedacht, daß gerade AfD-Wähler eine wachsende Marktmacht darstellen.

  • Selten so viel Einigkeit in den Kommentaren erlebt. Schön wenn man einen gemeinsamen Feind hat... Aber:



    Dürfen AfDler eigentlich in Biomärkten einkaufen?



    Muss ich einer Demo fern bleiben, weil auch Menschen falscher Gesinnung dabei sind?



    Mein Vorschlag: Raus aus dem Schwarz-Weiß-Denken, das verträgt sich mit einer vielfältigen Gesellschaft nicht.

  • Gut so! Da hat die Zivilgesellschaft auf sinnvolle Art ihre Muskeln spielen lassen.



    Ich als Konsument habe keine Lust einem AFD Politiker ohne Not Geld in den Rachen zu schmeißen. Die Ereignisse warnen vieleicht den einen oder anderen faschistischen Mitläufer sein Hirsesüppchen bei der AFD zu kochen.

  • Schnell bringt das von den Öko-Ketten aussortierte AfD-Opfer noch seine Schlagwörter unter.

    Vertragskündigungen und Gewerbefreiheit sind „linke Meinungsdiktatur“.



    Nach der friedlichen Revolution 1989 in Ostdeutschland "etabliert sich mehr und mehr" eine neue „Stasi-Manier“.



    Natürlich sind das alles Machenschaften der "Westdeutschen".

    Und dann tauchen die neuen Juden aus dem Spreewald auf : "AfDler" werden boykottiert.

    Da ist ihm der Beifall seiner völkischen Sekte gewiss.

  • Der Kampf der Spreewälder Hirsemühle gegen die Umvolkung durch entartete und fremdländische Anbaufrüchte wird nun vermutlich stocken. Auf der Homepage lassen sich schöne Zitate finden:

    "Doch was geschah mit der besten Frucht gegen den Hunger? Wieso findet man heutzutage nur noch Hirsekorn aus fernen Ländern und nicht mehr aus einheimischem Anbau?"

    "In der Zeit des 17. und 18. Jh. setzte ein Prozess ein, der einen Rückgang des Anbauumfanges von Hirse zur Folge hatte. Mit der Einführung neuer Feldfrüchte, wie der Kartoffel und dem Mais, sowie einer zunehmenden Durchsetzung des Marktprinzips tritt ihre Bedeutung hinter der von Weizen und Roggen zurück."

    Man sieht: Die Hirse ist wie das deutsche Volk: Aus fernen Ländern, gefördert von westlichen Kapitalisten und Krummnasen, wurden und werden fremdländische Kulturen eingeführt und die deutschen verdrängt! Südamerikanische Kartoffeln! Nordamerikanischer Mais! Der AfD und der deutschen Hirse möchte man bemitleidend zurufen: Ach, ihr armen Opfer!

  • 9G
    92153 (Profil gelöscht)

    Das hätte man deutlich eleganter lösen können, die Werbung durch diese Bühne hat die kleine rechtSnationale Mühle nicht verdient.

    • @92153 (Profil gelöscht):

      Das meine ich aber auch, einfach sang- und klanglos auslisten, bei Rückfrage mit „zu teuer“ antworten und gut ist. Was sollte die Aktion bei einer Partei, die und deren Mitglieder sowie Anhänger vom Selbstmitleid und selbst unterstellter Diskriminiertheit leben. Der Typ ist jetzt ein Märtyrer und die AfD kann ihren Verfolgungswahn weiter artikulieren.

  • Die Afd Steht doch auf 'Markt' oder? Der regelt das, wie man hier sieht.

    • @useher:

      So ganz stimmt das aber nicht! Dort wo der Markt den sozialen Aspekt der sog. "soz. Marktwirtschaft" nicht regeln kann, ist die Regierung gefordert und DAS wird von der AFD permanent moniert! Ein Unterschied zur freien Marktwirtschaft ist momentan nicht erkennbar!...

  • Wenn zwei dasgleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Ach, und die Hirse aus dem Ursprungsland China macht Alnatura keine Bedenken. Ich habe lange gebraucht, um eine europ. Alternative zu der immer wieder angebotenen chinesischen Biohirse von Alnatura zu finden, weil genau das keine ökologische Variante ist. Schauen Sie jedesmal auf die Seite der Packung, da steht das Herkunftsland gedruckt drauf.

  • Respekt. Wenn den Mut doch nur mehr hätten ...

  • Die AfD schon wieder in der Opferrolle - die Armen.



    Noch wichtiger, als solche Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, finde ich die Information darüber. Als Verbraucher ist es ziemlich schwer herauszubekommen, welche Produkte man aus moralisch-ethischen oder auch politischen Gründen lieber meiden möchte. Ich versuche das schon seid Jahren bei Nestlé, gar nicht so einfach.

    • @Karin Schmidt:

      Nicht überall, wo Nestlè drin ist, steht auch Nestlé drauf:

      z.B. bei Logona, Santé, Heliotrop, neobio und Fitne. Logona hat sich an L'Oreal verkauft und bei denen ist Nestlè zu 23,9% drin.

      Leider gibt es nur ganz wenige Bio-Märkte, die nach der Übernahme Logona&Co aus ihrem Programm geworfen haben - schade!

  • Sehr gut! Wenn ich im Bioladen einkaufe, will ich auch ethisch korrekte Nahrung kaufen.



    Und ganz bestimmt nicht von einem Klimaleugner und Schwanzeinzieher wie diesem AfDler.



    Dass jemand aus dieser Naziparteidann die Nazikeule schwingt hat schon was extrem Lächerliches.

    • @Mitch Miller:

      Denken Sie ernsthaft, dass die Hirseprodukte aus China unter "ethisch korrekt,en" Bedingungen produziert werden?...



      DAS, MITCH MILLER, ist lächerlich!

  • Der öffentlich gemachte Briefwechsel sollte übrigens Pflichtlektüre an allen Schulen werden, sowohl in Gesellschaftskunde/Politik als auch für Deutsch im Bereich Rhetorik. Die AfD entlarvt sich immer noch am besten selbst.

  • Gratuliere den Märkten! Alle sollten den Mut haben, diese Nazis nicht zu unterstützen.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @joaquim:

      Es werden nicht Nazis nicht unterstützt sondern "Leugner des menschengemachten Klimawandels".

      Was ich bei Autokonzernen gut fände, bei Hirse-Müllern geht mir das zu weit.

      Wenn die allerdings Nazis sind, dann wäre das okay, dann sollte man dass aber auch so benennen - kostet aber wohl zu viel völkische Kundschaft.