Mietendeckel Berlin: Showdown um den Mietendeckel
In zwei Wochen will der Senat über den Mietendeckel entscheiden. Die Mietenbewegung ruft zur Großdemonstration auf.
„Jetzt, wo es wirklich an die Substanz des spekulativen Immobilienmarkts gehen könnte, werden massive Gegenkampagnen aufgefahren“, sagt Jonathan Diesselhorst vom Bündnis Stadt von Unten am Montag. Verschiedene stadtpolitische Initiativen vom Berliner Mieterverein bis zur Enteignungskampagne haben zu einer Pressekonferenz geladen, auf der sie über die für Donnerstag geplante Mietendemonstration berichten, Motto: „Erst richtig deckeln, dann enteignen.“ Der entscheidende Zeitpunkt sei genau jetzt, sagt Diesselhorst: „Wir sehen, wie Teile des Senats Angst vor der eigenen Courage bekommen. Aber wir wollen einen echten Mietendeckel, und werden uns nicht mit einem verwässerten Beschluss zufrieden geben.“
Der Ende August veröffentlichte Referentenentwurf für einen Mietendeckel aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wurde gegenüber einem früheren, weitreichenderen Entwurf bereits in mehreren entscheidenden Punkten verändert. Zuungunsten der Mieter:innen, wie Franziska Schulte vom Mieterverein am Montag betont: „Dass ein Absenken der Miete nur noch auf Antrag und unter eng definierten Bedingungen möglich sein soll, wird dafür sorgen, dass sich gerade für die sozial schlechter gestellten Mieter:innen die Dinge nicht zum Besseren wenden werden“, sagt Schulte. Zudem sei die Kopplung der Absenkungsmöglichkeit ans Einkommen auch rechtlich bedenklich.
Hört man in diesen Tagen dem Regierenden Bürgermeister zu, ist allerdings schon fraglich, ob der Mietendeckel überhaupt eine Absenkungsmöglichkeit enthalten wird. „Wir werden keine Absenkungsmöglichkeit schaffen“, hatte Michael Müller (SPD) bereits vor zwei Wochen in einer Talkshow behauptet, in einem Interview bei Phoenix bekräftigte er diese Marschrichtung.
Die Absenkung ist derweil nicht der einzige strittige Punkt beim Mietendeckel. Auch die Tatsache, dass Modernisierungen, die bis zu 15 Jahre her sein dürfen, die erlaubten Mietobergrenzen erhöhen sollen, stößt unter anderem beim Mieterverein auf Ablehnung: „Diese Modernisierungen sind ja bereits in den Mietspiegel eingeflossen, der die Grundlage für den Deckel ist, zudem haben sie sich in den meisten Fällen längst amortisiert“, sagt Franziska Schulte. Der Mieterverein bezweifle, dass der aktuelle Entwurf Erleichterungen für die Mieter:innen bringen könnte: „Wir fordern deutliche Nachbesserungen vom Senat.“
Aufruf zum Kündigen
Die Seite der Vermieter bläst derweil ungeachtet der Frage, ob der Mietendeckel überhaupt in einer wirksamen Form kommen wird, weiter zum Angriff. In der Branchenzeitung Das Grundeigentum etwa werden Vermieter aufgerufen, bei Inkrafttreten eines Mietendeckels ihren Mietern fristlos zu kündigen. „Die richtige Strategie aus Eigentümersicht ist deshalb, zu überlegen, welche Mieter am Tag des Inkrafttretens des Mietendeckelgesetzes gekündigt werden sollen, weil man unter den neuen gesetzlichen Vorgaben an sie nicht vermietet hätte, und diese Kündigungen dann auszusprechen“, führt der Berliner Mietrechtsanwalt Tobias Scheidecker im entsprechenden Artikel aus.
Aus der Immobilienwirtschaft heraus wird derweil eine wohlklingend benannte Kampagne nach der anderen gestartet: Der Zusammenschluss „Berlin kann mehr“ gibt sich mit dem Aufruf „Mut statt Wut“ das Aussehen einer Bürgeriniative, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen macht schon länger unter dem Motto „Weiterdenken“ mobil, und die Deutsche Wohnen hat eine mehrstufige Kampagne mit dem Titel „Faires Wohnen“ gestartet. „Diese Versuche, mit Fake-Initiativen Bürgerwille zu simulieren, sind angesichts der starken Mieterbewegung zum Scheitern verurteilt“, sagt dazu der Mietenaktivist Michael Prütz.
Die Mietenbewegung kritisiert nicht nur die Verwässerung des Mietendeckels, sondern auch die Verschleppung des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“, das seit Juni zur Prüfung bei der Innenverwaltung liegt. „Es kann nicht sein, dass direkte Demokratie auf diesem Weg ausgehebelt wird, deswegen erhöhen wir jetzt den Druck“, sagt Ralf Hoffrogge, einer der Sprecher des Volksbegehrens.
Mittlerweile sei nicht nur durch zahlreiche Gutachten belegt, dass die angestrebten Enteignungen rechtlich möglich seien, auch die Finanzierung sei kein Problem: „Wenn eine einzelne landeseigene Wohnungsbaugesellschaft völlig überhöhte Spekulationspreise ohne Landeszuschüsse stemmen kann, dann kann die von uns geplante Anstalt öffentlichen Rechts auch die Entschädigungskosten stemmen“, so Hoffrogge mit Blick auf den am Wochenende bekannt gewordenen Riesen-Deal der Gewobag, die für fast eine Milliarde Euro 6.000 ehemals kommunale Wohnungen in Reinickendorf und Spandau zurückgekauft hat. Das Volksbegehren zielt auf die Kommunalisierung von rund 200.000 Wohnungen, deren Mieteinnahmen dann in die Landeskasse fließen würden. Die Entschädigungskosten bezifferte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) zuletzt auf rund 20 Milliarden Euro.
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