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Konzept des KlimakabinettsFür Kompromisse bleibt wenig Zeit

Stundenlange Gespräche, wachsender Druck – aber keine greifbaren Ergebnisse. Wie es mit dem Klimaschutz weitergehen soll, bleibt in der Groko umstritten.

Mit dem Dienstwagen unterwegs in Richtung Klimaschutz: Olaf Scholz (SPD) Foto: dpa

Berlin dpa | Die Spitzen der schwarz-roten Koalition wollen bis unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung des Klimakabinetts an ihrem Konzept für den Kampf gegen die Erderhitzung feilen. Sie vereinbarten in der Nacht zum Samstag nach mehr als fünfstündigen Beratungen, sich am kommenden Donnerstag erneut zu treffen, um letzte Hürden für einen gemeinsamen Beschluss aus dem Weg zu räumen.

Am Freitag, den 20. September, will die Bundesregierung Beschlüsse fassen, wie Deutschland die Klimaziele einhalten kann. Es geht unter anderem um milliardenschwere Förderprogramme und einen Umbau des Steuer- und Abgabensystems.

Aus Koalitionskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, die Verhandlungen am Freitagabend seien konstruktiv gewesen. Es seien aber auch noch viele Details zu klären und zu berechnen. Die CDU hat noch kein offiziell beschlossenes Konzept beim Klimaschutz, die Parteispitze will es am Montag verabschieden.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hob die Chancen der Verhandlungen hervor: Zum ersten Mal überhaupt könne eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, um die die Klimaziele 2030 zu erreichen. „Ich will, dass uns mit dem Klimaschutzgesetz der große Wurf gelingt und wir uns nicht im Klein-Klein und in Einzelmaßnahmen verlieren“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD werde darauf achten, dass das Ergebnis sozial verträglich sei.

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser pochte auf klare Vorgaben der Politik: „Schnell raus aus Kohle, Öl und Gas“, sagte er der dpa. Dass es noch keine Einigung gebe, müsse kein schlechtes Zeichen sein. „Die Anreizprogramme vor allem der Union sind unsagbar teuer und beruhen bei der Wirkung auf dem Prinzip Hoffnung“, sagte er. Es brauche ein starkes Klimaschutzgesetz, das den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft Verantwortung zuweise.

Bisher ist nicht klar, wie Herr Scheuer seine ganzen Ideen bezahlen und wie er damit die vereinbarten Einsparziele bei klimaschädlichen Gasen im Mobilitätssektor erreichen will

Sören Bartol, SPD-Fraktionsvize

Zu den Streitthemen gehört, wie der Verkehr klimafreundlicher werden soll. Die SPD im Bundestag forderte von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), seine Pläne nachzubessern. „Bisher ist nicht klar, wie Herr Scheuer seine ganzen Ideen bezahlen und wie er damit die vereinbarten Einsparziele bei klimaschädlichen Gasen im Mobilitätssektor erreichen will“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol der Neuen Osnabrücker Zeitung (Samstag).

Grünen-Politiker Cem Özdemir pochte darauf, im Rahmen des Klima-Pakets das Steuerprivileg für Diesel abzuschaffen. „Zurzeit subventionieren wir immer noch Dieselkraftstoff mit Milliarden Euro pro Jahr. Aber wer Neues fordert, darf eben nicht gleichzeitig auch Altes fördern“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag der Rheinischen Post (Samstag).

Die Grünen, deren Kernthema der Klimaschutz ist, zeigten sich aber auch kooperativ: „Wenn die Regierung am 20. September etwas vorlegt, was wirklich hilft, die Klimaziele einzuhalten, und wenn sie sofort mit der Umsetzung anfangen will, dann sind wir bereit zu verhandeln“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Welt (Samstag).

IG Metall warnt vor ungerechter Belastung der Bürger

Im Lauf der Woche waren beim Streitthema CO2-Preis – also Verteuerung von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas – Kompromisslinien deutlich geworden. Es könnte den von der Union bevorzugten Handel mit Verschmutzungsrechten etwa für Mineralölkonzerne geben, der über Höchst- und Mindestpreise für die Zertifikate reguliert wird. Wo diese Grenzen liegen sollen, ist offen. Davon hängt aber ab, ob und wie der CO2-Preis wirkt. Indem er den Treibhausgas-Ausstoß verteuert, soll er klimafreundlichen Investitionen einen Schub geben.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, forderte für die Unternehmen Zeit zu Umstellung, bevor ein CO2-Preis greift. „Zentral bei einer CO2-Bepreisung ist, dass die Wirtschaft unterm Strich nicht zusätzlich belastet wird“, sagte er der „Rheinischen Post“. Ein wirksamer Ausgleich ließe sich für einen Großteil der Betriebe über die Senkung der Ökostrom-Umlage, genannt EEG-Umlage, erzielen, die auf den Strompreis aufgeschlagen wird.

Vor einer ungerechten Belastung der Bürger über einen CO2-Preis warnte dagegen der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann. „Den Gedanken des Solis aufzugreifen und auf die Finanzierung des ökologischen Umbaus anzuwenden, das wäre sozial gerechter“, sagte er dem „Tagesspiegel“, „weil die hohen Einkommen mehr zahlen, anstatt sich in Rückverteilungsdebatten zu verstricken, die Ungerechtigkeit erzeugen werden.“

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5 Kommentare

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  • Nur Absahnen beim Bürger. Andere Konzepte hat man nicht. Dabei könnte man an vielen Stellun umweltwirksam tätig werden. Bei der Verkehrspolitik, bei der Agrarpolitik, mit der Rücknahme umweltschädlicher Subventionen. Aber die Lobby will ja Neugeschäft generieren und so kommt es zu diesen unsinnigen Konzepten.

  • Es wird medien- und öffentlichkeitswirksam darum gerungen, wie ein "Weiter so!" möglich bleibt: "Allen wohl und niemand Weh". Weder die BürgerInnen noch die Wirtschaft dürfen belastet werden.



    Der "Genug ist nicht genug" Gießkannenansatz "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen" (Faust). passt bei den angekündigten Milliardeninvestitionen und Subventionen besser.



    Es wird manchen Wählerstimmen, manchen größeren Wohlstand, machen größere Umsätze, manchen neue Wachstumschancen, manchen dickere Auftragsbücher, manchen neue Renditen aus CO2-Zertifikaten und manchen, ein gutes Gewissen bringen, durch "klimaneutralen" Konsum im "Weiter so!".

    Was damit nicht erreicht werden kann, ist die Reduzierung der CO2 Emissionen in dem vorgegeben Zeitfenster!

    Das Dobrindtsche "Wirtschaftswunder" - danke lieber Klimawandel!!! - steht vor dem Durchbruch. Wir bauen neue Fabriken, neue Infrastrukturen, neue Filteranlagen, wollen für jährlich 6-10 Mrd Dämmstoffe, Heizungsanlagen, Fenster... für die "energetische Gebäudesanierung" produzieren und einbauen, die Städte (Ladestationen, Hausanschlüsse...) für die E-Mobilität und 5G Digitalisierung vorbereiten...

    Alles zusätzlich zum Bestehenden. Alles aus dem gegenwärtigen Energiemix. Alles bei gedeckelter Einspeisung für PV- und Windanlagen und dem Widerstand gegen die Anlagen und Stromtrassen...

    Klimaschutz? Klar, gibt einen gigantischen Wachstumsschub für unsere Wirtschaft. Und der menschengemachte Klimawandel ist ja sowieso nur eine Erfindung der Chinesen, oder?

  • Es gibt auch noch andere Themen. Bezahlbares wohnen, Grundrente etc. Der, ich sag es ganz offen, sollte diese eigentlichen Prio Themen nicht verdrängen

    • 0G
      0371 (Profil gelöscht)
      @Link:

      Das Prio-Thema ist doch wohl, dass diese Welt bewohnbar bleibt. Wenn das gewährleistet ist, kann man sich auch Gedanken um Miete und vielleicht sogar um Rente machen.

      Oder habe ich jetzt eine falsche Sichtweise auf die Prioritäten, weil ich a) zu jung für die Rente bin und b) ich mir Sorgen um die Zukunft meiner Kinder und Enkel mache und c) Der Klimawandel sowieso nur Fake-News ist?

      • 8G
        84935 (Profil gelöscht)
        @0371 (Profil gelöscht):

        Gut gekontert, sehe ich auch so! Muss sich aber nicht ausschließen, den dieselben (Konzerne, "Eliten", Politiker...) die am Klimawandel verdienen, sind ja auch die, die die sozialen Probleme verantworten.



        Herr Schweizer z.B. will hier ja nichts anderes, als möglichst lange "weiter so". Das kann er seiner Oma erzählen, dass sich jetzt was ändern würde, wenn man mehr Zeit für die Umstellung gibt! Und sein Vorschlag zielt mal wieder auf Belastung der Allgemeinheit statt der Firmen(-Aktionäre)...