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Über Chinakompetenz in DeutschlandMan kann ja nicht alles wissen

Den Deutschen fehlt es an Chinakompetenz. Dabei geht es nicht nur um Sprache und Kenntnisse der Wirtschaft, sondern auch um die Fähigkeit, nicht rassistisch zu sein.

Wenn Sie an China denken, denken sie an Essen? Das ist nicht genug Foto: dpa

W enn Sie Ihre Augen schließen und an China denken, was fällt Ihnen ein? Wirklich, machen Sie mal kurz. Haben Sie? Ich vermute, dass mindestens eines der folgenden Themen dabei war: Handelskrieg, Sozialkreditsystem, Hongkong, irgendein Drache, Ihr Huawei-Smartphone (Pluspunkt für die richtige Aussprache) und natürlich Essen (Pluspunkte für Teigtaschen jeglicher Art). Mir ist klar, dass Ihnen mit mehr Zeit mehr eingefallen wären, und mit Wohlwollen könnte ich sagen: „Man kann ja schließlich nicht alles wissen“, schon gar nicht über ein so großes und diverses Land wie China. Aber etwas mehr wissen könnte man schon.

Das Mercator Institute for China Studies hat letztes Jahr einen Bericht zur Chinakompetenz in Deutschland veröffentlicht. Kompetenz meint für das Bundesministerium für Bildung und Forschung Sprachkenntnisse (Minuspunkte für ein im Vorbeigehen in mein Gesicht geschleudertes nihaokonichiwa), aber auch „interkulturelle Fähigkeiten“ und ein „Grundverständnis von Chinas Wirtschaft, Politik, moderner Geschichte und Gesellschaft“ gehörten dazu. Der Bericht stellt fest, dass es Deutschen an Chinakompetenz fehlt, obwohl diese dringend nötig sei, besonders um wettbewerbsfähig zu bleiben (Level-up für die Erkenntnis, dass der Kapitalismus immer mindestens eine Mitschuld trägt).

Während in Frankreichs Schulen rund 38.000 Kinder Chinesisch lernen, sind es in Deutschland nur etwa 5.000. Aber egal, Sprachkenntnisse allein verbessern noch nicht die Chinakompetenz als ganze. Es bleiben diese interkulturellen Fähigkeiten, also: die Fähigkeit, nicht rassistisch zu sein. Heute nennen sich manche China-Expert:innen noch immer „China-Watcher“, als würden sie eine seltene Tierart beobachten. Früher erzählten Film, Literatur und Theater von unterwürfigen Konkubinen und listigen Opiumhändlern. Heute findet sich in der ZDF-Mediathek der Krimi „In Hamburg essen sie Hunde“, in dem Ermittlerin Melanie den wütenden Hauke darauf hinweist, dass er nicht mehr „Schlitzauge“ sagen darf, da man jetzt korrekterweise von „Asiaten“ spreche.

Sehr weit sind wir also noch nicht gekommen. Dabei gibt es Menschen, die helfen könnten: Medienschaffende, Politiker:innen, Lehrer:innen, Unternehmer:innen. Solche, die den interkulturellen Wissensschatz tatsächlich erweitern, statt Bilder von grillfleischwegkaufenden Chines:innen nachzuzeichnen. Diese Leute würde ich manchmal gern wie Playmobilfiguren an Stellen mit Einfluss setzen.

Klar dürfen Sie jetzt sagen, dass dieses Gedankenspiel absurd ist. Ich kenne diese Leute doch gar nicht. Was so viel Macht wohl aus ihnen machen würde? Und Menschen sind keine Plastikfiguren, und weshalb sollte ausgerechnet eine nölige Nachwuchskolumnistin sich anmaßen, Gott zu spielen?! Leider kann ich darauf keine Antworten geben. Man kann ja schließlich nicht alles wissen.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag.
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8 Kommentare

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  • Lehrer:innen, Unternehmer:innen...



    er:innen ?



    Habe ich wieder mal eine entscheidende Diskursschlaufe nicht mitbekommen?

  • "Wenn Sie Ihre Augen schließen und an China denken, was fällt Ihnen ein? Wirklich, machen Sie mal kurz. Haben Sie? "

    Eine Vidcon mit einer jungen Abteilungsleiterin aus Shenzhen, wo ich gefragt wurde ob wir nur halbtags arbeiten würden und was wir eigentlich für ein Laden wären, der nicht 996 arbeitet.

    Dieser unglaubliche Smog, als ich eine Freundin in Shijiazhuang besucht habe und ich selbst mit Atemschutz Angst hatte keine Luft zu bekommen.

    Mein erster Besuch in Shenzhen, als ich auf dem Ping An Tower stand und ich mir dachte, alles einfach in so kurzer Zeit aus dem Boden gestampft, vor 60 Jahren ein Dorf und jetzt über 11 Millionen Einwohner und ich konnte das Ende des Hafens nicht erkennen.

    Und ja Essen, war auch dabei, Ma La Zi Ji und hinterher kandierte Lotuswurzeln!

    • Lin Hierse , des Artikels, taz-Redakteurin
      @Sven Günther:

      Jetzt vermisse ich kandierte Lotuswurzeln!

  • Oh, mir ist noch Tibet eingefallen. Zählt das auch zu China? ;)

    Ist es eine Beruhigung, wenn es in Deutschland mit der Indienkompetenz, der Brasilienkompetenz oder nur der Polenkompetenz auch nicht weit her ist? Von der Afrikakompetenz mal ganz abgesehen. Aber schön, dass China eine Lobby hat, die das angeht (neben Mercator auch Konfuzius). Den Indern bleiben nur Buddha und Ganeshastatuen als Kulturbotschafter.



    Naja, gut, wenn die Kolumnistin nölig ist und darauf hinweist. Die Kommentatoren sind es ja auch meist.

    • @Marius:

      Aber weder Indien, Brasilien noch Polen ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, sondern die VRC mit 199 Milliarden EUR.

      Sich mit seinen Geschäftspartnern zu beschäftigen, war noch nie verkehrt.

      • 9G
        91491 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        An der Deutsch-niederländisch Grenze gingen die Deutschen in Holland einkaufen weil da vieles günstiger( Kaffee, Tabak usw) und die Holländer sprachen prima deutsch.



        An der Deutsch-dänischen Grenze kommen die Dänen in Deutschland einkaufen, weil vieles für sie günstiger.



        Und nicht etwa die Deutschen sprechen dänisch ,sondern die Dänen prima deutsch.



        Typisch deutsch!

        • @91491 (Profil gelöscht):

          Oder diese Liebe zu Latain als Schulfach, als ob es nicht zehn mal sinnvoller wäre eine Sprache zu lernen, mit der sich wirklich ein Gespräch mit einem anderen Menschen führen ließe...

      • @Sven Günther:

        Außer Mao-am kauf´ich nix bei den Schina-Komponisten! ;-)