das portrait: Thomas Müller beschmutzt das Nest
Der Shitstorm habe ihn nicht getroffen, sagt Thomas Müller. „Die Heftigkeit ist auch Ausdruck dessen, dass ich Recht habe.“ Der 63-Jährige war bis vor drei Monaten Polizist in Bremen, dort fast zehn Jahre Integrationsbeauftragter – und wirft der Bremer Polizei rassistische Kontrollen vor. „Racial profiling“ ist der Fachbegriff für diese Praxis, bei der Menschen allein aufgrund ihrer Haut- oder Haarfarbe und angenommenen Herkunft als verdächtig gelten.
Der Vorwurf hat Müller viel Ärger von Kollegenseite eingetragen, „auch unterhalb der Gürtellinie“. Die Bremer Gewerkschaft der Polizei (GdP) entgegnete ihm, die Vorwürfe seien „Verleumdung“ und die Tatsache, dass er die Praxis jetzt als „Ruheständler“ moniere, zeige, dass es hier um „persönliche Motive“ gehe. Müller, so die GdP, könne keinerlei konkrete Vorfälle benennen, um seine Kritik zu untermauern.
Immerhin gab es auch Zuspruch: von KollegInnen, die seinen Mut lobten, Mitgliedern der muslimischen Gemeinden und Menschen aus den afrikanischen Communities. Von diesen Gruppen, so sagt Müller, erhält er die Hinweise auf rassistische Diskriminierung durch die Polizei.
Dass die Arbeit der Polizei belastend und geprägt durch viele negative Begegnungen ist, sei keine Frage. Müller selbst hat 18 Jahre Streifendienst in Bremen gemacht und sich darüber so verändert, dass seine Frau sagte: Du musst etwas anderes machen. Müller studierte Kriminologie und lernte dort, die eigene Rolle zu hinterfragen. „Die große Kunst des Polizeibeamten ist es, den eigenen Vorurteilen nicht zu trauen.“
Eigentlich sah Thomas Müller die Bremer Polizei da auf einem guten Weg – bis zum Herbst 2018, als das Problem racial profiling plötzlich nicht mehr nach außen hin thematisiert worden sei. Warum? Müller glaubt, dass es in Wahlkampfzeiten kein genehmes Thema für die Innenbehörde mehr war. Künftig will er sich noch stärker seiner Arbeit in der Gruppe „Polizei und Menschenrechte“ bei Amnesty widmen – auch das sei keine Rolle, so Müller, mit der man sich nur Freunde bei einer Organisation wie der Polizei mache. Die sei „stark männlich geprägt“– mit wenig Fehlerkultur. Friederike Gräff
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