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Ausbau der WindenergieAltmaier bläst in die Rotoren

Ein „nationaler Konsens“ soll der Windkraft neuen Schub geben. Konkreter werden nur die anderen Teilnehmer des Branchengipfels.

Noch zu seltenes Bild in Südwestdeutschland: Windparks Foto: dpa

Berlin taz | Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will eine Lösung für den stockenden Ausbau der Windenergie suchen. „In den nächsten Wochen werden wir die Punkte ermitteln, die wir angehen müssen“, sagte er am Donnerstag nach einem Krisentreffen mit Ländern, Wirtschafts- und Umweltverbänden sowie Unternehmen. Konkrete Ergebnisse gab es jedoch nicht.

Altmaier erklärte, er werde an einem „Konsens der Betroffenen vor Ort“ arbeiten, um bis 2030 rund 65 Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen zu produzieren. Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) erklärte: „Wir brauchen mehr Flächen für Windräder und eine Straffung der Genehmigungsverfahren.“ Um mehr Raum für neue Windparks zu schaffen, müssten die Raumansprüche der Flugsicherung beschränkt werden, betonte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD). Der bisherige 15-Kilometer-Radius um Sendemasten könnte wie international üblich auf 10 Kilometer verringert werden.

Der Bau neuer Windräder an Land ist derzeit fast zum Erliegen gekommen. Dabei soll gerade die Windkraft einen großen Teil des Stroms liefern, der für Energiewende und Einhaltung der Klimaziele gebraucht wird.

Im ersten Halbjahr 2019 errichteten Windparkbetreiber unter dem Strich nur 35 Rotoren – eigentlich müssten über 1.000 Anlagen jährlich dazukommen. Die wenigen Angebote für neue Windparks, die bei den Versteigerungen der Bundesnetzagentur eingehen, weisen in eine andere Richtung.

Die konkreten Vorschläge

Um die Kosten für die Stromkundinnen und -kunden in Grenzen zu halten, haben die Bundesregierungen der vergangenen Jahre den Ausbau der erneuerbaren Energien selbst gebremst. Während früher beliebig viele Anlagen gefördert wurden, gibt es nun Obergrenzen.

Einige Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen erließen strenge Abstandsregeln, die neue Windräder in der Nähe von Siedlungen verhindern. Viele Behörden lassen sich mehr Zeit bei der Genehmigung neuer Rotoren. Hier machen sich auch zahlreiche Klagen von Umweltschützern und Bürgern bemerkbar, die weitere Windparks ablehnen.

Die grüne Energiepolitikerin Julia Verlinden forderte die Bundesregierung auf, den Ausbau-Deckel anzuheben. Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlug vor, die Ausschreibungsmengen für erneuerbare Energie zu verdoppeln. Neun Wirtschafts- und Umweltverbände regten an, eine abgestimmte Ausbauplanung von Bund, Ländern und Gemeinden in die Wege zu leiten. Ausreichende Flächen für Windparks müssten zur Verfügung gestellt und die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Eine Änderung in Paragraf 45 des Bundesnaturschutzgesetzes solle Ausnahmen vom Artenschutz für Vögel und Pflanzen erleichtern.

Altmaier will weitere Treffen einberufen, auch um möglicherweise Gesetze zu ändern, sagte er.

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10 Kommentare

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  • Eine "Energiewende" ohne Reduktion unseres Verbrauchs ist m. M.nach einfach nicht möglich. Einfach mal Niko Paech zu einer solchen Runde einladen.



    Noch keine 15% unseres Primärenergieverbrauchs kommt aus regenerativen Quellen. Und wie gestern in einem Artikel über den Mekong so schön stand: dort klammert man ob der grossen ökologischen Schäden durch die vielen Staudämme den Strom aus Wasserkraftwerken aus dem Begriff der Erneuerbaren aus. In Norwegen mag das etwas anders sein.

    "The world has enough for everyone's need, but not enough for everyone's greed.”(Ghandi)



    Wir sind die greedy ones, da können wir runde Tische drehen wie wir wollen.

    Wir brauchen komplett neue Lebenskonzepte und eine neue Wirtschaftstheorie. Konjunkturprogramme um wieder Wachstum zu generieren sind ohne eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ökologisch ein schlechter Scherz.

    • 9G
      97088 (Profil gelöscht)
      @Heiner Petersen:

      Wirtschaftssysteme, die auf Gewinnmaximierung und Wachstum ausgerichtet sind, bedienen sich durchaus nachhaltiger und ressourcensparender Prozesse in der Produktion - als Optimierungsleistung. Die VerbraucherInnen mit den offenbar nicht enden wollenden Bedürfnissen sind doch das Problem. Beispiele: Was macht der/die durchschnittliche Deutsche mit einem 5-sitzigen Auto? Er/Sie fährt es leer durch die Gegend, 4/5 der Nutzungszeit steht es. Was macht die Smartphonezielgruppe der 14 - 22-jährigen mit durchschnittlich 3,6 Smartphones? Strom verbrauchen!

      • @97088 (Profil gelöscht):

        "Wirtschaftssysteme, die auf Gewinnmaximierung und Wachstum ausgerichtet sind, bedienen sich durchaus nachhaltiger und ressourcensparender Prozesse in der Produktion - als Optimierungsleistung."

        Nein! Können sie gar nicht, solange Schäden ihrer Produktion nicht eingepreist sind. Recyclingbetriebe können häufig einen Grundstoff nicht zum gleichen Preis anbieten wie Rohstofflieferanten aus dem "mining".



        Das Kilogramm Stickstoff, energieaufwändig aus der Luft gewonnen, ist billiger als ein zurückgewonnen Kilogramm aus Kompost oder Klärschlamm. Usw.

        Und weil die Rahmenbedingungen so sind verhalten sich die Unternehmen ökonomisch rational, mehr aber auch nicht.

        Und bei den Verbrauchern (sagen wir uns?) sind wir uns einig.



        Da brauchen wir etwas was Lust macht ohne Konsum. Da gab es mal die freie Liebe, aber das Thema ist ausgelutscht. Vielleicht ist virtuelles Reisen (keine Ahnung wie genau...) eine Möglichkeit.



        Konsumkontingente?

        Jetzt fahre ich zu denn FFF Jugendlichen und spende einen Kuchen bei ihrer Mahnwache. Aber konkrete Ideen habe ich leider nicht für sie.

        Schönen Tag!

  • Ich verstehe nicht, wie jemand, die/der sich "grün" nennt, ernsthaft für Windräder sein kann. Nicht nur, dass die Umwelt verschandelt wird und es z. T. weitreichende Folgen für Flora und Fauna gibt, auch technisch ein völlig überholtes Konzept. Und jetzt will man wirklich Naturschutzgebiete dafür opfern und "... Ausnahmen vom Artenschutz für Vögel und Pflanzen erleichtern." Das ist so unglaublich für mich, ich kann es kaum in Worte fassen! Wir haben in Deutschland ganz andere fortschrittliche Technologien, die leider zu wenig gefördert werden: die Brennstoffzelle zum Beispiel. Zur Wasserstoffgewinnung könnten Windräder in der Nord- oder Ostsee sinnvoll eingesetzt werden. Und man müsste endlich mal wieder in moderne Atomkraftwerke investieren. Aber die Klientel, die das die letzten 50 Jahre bekämpft hat, kann jetzt schwerlich eingestehen, dass es mittlerweile vielleicht ja doch eine sichere Möglichkeit der Energiegewinnung wäre. Stattdessen steuern wir in eine Unterversorgung mit Strom hinein, die fatale Folgen haben kann. Ich empfehle die Lektüre des Berichts "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen Ausfalls der Stromversorgung" oder für den, der es weniger sperrig mag, "Blackout" von Marc Elberg, das auf den Fakten des vorgenannten Berichts beruht.

    • @Peter Müller:

      Atomkraftwerk neckarwestheim oktober 2018: mehr als 100 Rohre des Dampferzeugers, in dem die Wärme aus dem Primärkreislauf des Kraftwerks an einen Sekundärkreislauf abgegeben wird, haben Risse.Jahresrevision 2019: Sicherheitstechnisch relevante Probleme an 191 Rohren.Finger weg von der Atomkraft die Dinger sind nicht beherrschbar

      • @prius:

        @Prius: Genau das ist das Problem. Neckarwestheim, Technik aus den 1960er Jahren mit Brennstäben. Wie sähe wohl aus, wenn wir seit dieser Zeit konsequent Forschung und Entwicklung dieser Technologie so vorangetrieben hätten, wie wir das in anderen Bereichen, z. B. mobile Kommunikation, gemacht haben? Aber leider kann man über dieses Thema kaum vernünftig diskutieren.

        • @Peter Müller:

          Die Atomtechnik ist theoretisch schon sicher. Nur hat die Erfahrung gezeigt, dass weder Staaten noch Privatunternehmen sicherstellen können, dass wirklich verantwortungsvoll damit umgegangen wird. Und im Fehlerfall sind die Schäden eben extrem hoch. Das hat mich auch zu dem Schluss kommen lassen, dass man auf Atomkraft verzichten sollte, solange es Alternativen gibt.

          "Nicht nur, dass die Umwelt verschandelt wird..."

          Natürlich sind Kühltürme viel, viel schöner :-)

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Theoretisch. Dass Kernkraftwerke sicher seien, geht von der irrigen Annahme Mancher aus, das mensch alle relelvanten Ereignisse, die zu einem schwerwiegenden Unfall führen vorhersehen könnten. Das Max Plank Institut für Risikoforschung war da schon realistischer: 1 Unfall der Stufe 5 (GAU) alle 25 Jahre auf Grundlage aller gemeldeten(!) Unfälle darunter Tschwernobyl, Tokaimura, Fukushima) Der Versuch von Areva in Finland einen sicheren Reaktor zu bauen läuft zeitlich und finanziell aus dem Ruder. Ausserdem ist Kernkraft mit nichten CO2 Neutral. Für die Gewinnung, Verarbeitung, Transport und später Entsorgng der Kernbrennstäbe wird CO2 freigesetzt. Und der strahlende Müll muss über mehrere hunderttausende Jahre sicher endgelagert werden. Archäologen können nicht mal eine Zeit von mehr als ein paar Jahrtausende überblicken mit vielen Katastrophen und Wechseln in der Kultur. Reality bites!

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Beim Ausbau der Windkraft mangelt es an Allem! Am politischen Willen, an der kompetenten Zuarbeit der zuständigen Verwaltungen und an der Akzeptanz in der Bevölkerung. Alle wollen unbedingt Klimaschutz und regenerative Energie, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür, nicht in der Gegend, in der gern die eigene Freizeit verbracht wird und bitte ohne Komfortverlust im hier und jetzt. So läuft das seit Jahren, egal, wieviel Arbeitsgruppen und Ausschüsse noch so gebildet werden. Genervt schlage ich einmal vor: Ein Kernkraftwerk auf Helgoland (vorher natürlich „entwohnen“) und eine HGÜ für den Strom nach Brunsbüttel. Dann ist Saft da, keiner sieht es und der Strom kommt weiter aus der Steckdose.

  • "Neun Wirtschafts- und Umweltverbände regten an, eine abgestimmte Ausbauplanung von Bund, Ländern und Gemeinden in die Wege zu leiten."

    Jetzt schon? Wieso braucht man so viele Jahre, um solche einfache Dinge zu begreifen? Und das Schlimmste ist, dass diese Anregung offensichtlich noch nicht aufgegriffen wurde.