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Festgenommene Deutsche bei G7Auf der schwarzen Liste

Vier Deutsche wurden am Rande des G7-Gipfels in Frankreich in einer „Präventivmaßnahme“ festgenommen. Drei sind noch immer in Haft.

Polizeieinsatz am 24. August in Bayonne Foto: ap

Paris taz | Zu seinen persönlichen Erfolgen auf dem G7-Gipfel in Biar­ritz zählt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dass Gegendemonstranten und gewaltsame Protestaktionen von Schwarzen Blöcken ausblieben oder verhindert werden konnten. Der Badeort war dazu von Polizei und Militär weiträumig abgesperrt worden. Unter den Personen, die präventiv festgenommen wurden, befinden sich auch deutsche Staatsangehörige. Die Hinweise dafür wurden den französischen Behörden wohl von BKA und Verfassungsschutz geliefert.

Diese deutsch-französische Kooperation wurde vier Deutschen zum Verhängnis, deren Namen offenbar auf schwarzen Listen standen. Angeblich sind sie bei Demonstrationen „mit internationaler Beteiligung polizeilich in Erscheinung getreten“ oder sollen in diesem Kontext „Kontakte zu ausländischen Aktivisten und Gruppierungen unterhalten“ haben. So wurde auf Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) der polizeiliche Informationsaustausch begründet.

Am 21. August wurde vermutlich dank Informationen aus Deutschland an einer Autobahnmautschranke bei Biarritz das Fahrzeug von drei Deutschen zwischen 18 und 22 Jahren kontrolliert. Da die Polizei nach eigenen Angaben Pfeffer- oder Tränengassprays sowie einen Hammer und linke Propaganda fand, wurden die drei aus Nürnberg inhaftiert.

Zwei Tage später wurden sie im Eilverfahren zu zwei und drei Monaten Haft verurteilt. Für den Staatsanwalt stellten die drei ein „latentes Risiko“ dar. „Wir hatten zwölf Tage keine Nachricht über ihren Verbleib“, beklagt sich Angelika K., deren Sohn E. getrennt von seinen Freunden in einem Gefängnis in Bordeaux sitzt.

Das Urteil hat einen Haken: Die drei hatten vor der Festnahme nichts Illegales getan

Das Urteil hat einen Haken: Die drei hatten vor der Festnahme nichts Illegales getan. Auf ihren Handys wurde kein Hinweis auf geplante Straftaten gefunden. Wie E.'s Mutter telefonisch bestätigte, waren sie auf dem Weg ins spanische Baskenland.

Das Gericht stützte sich auf den umstrittenen Artikel 222-14-2 des französischen Strafgesetzbuchs, der präventive Festnahmen erlaubt und bei der Repression der Gelbwestenbewegung häufig angewandt wurde. Eine „Teilnahme an einer Versammlung in Hinblick auf Sachbeschädigungen oder vorsätzliche Gewalt gegen Personen und Einrichtungen“ ermöglicht eine Verurteilung bereits für vermutete Absichten.

Nach Kehl abgeschoben

Ein Opfer des Austauschs von Überwachungsdaten wurde auch ein 38-jähriger Mitarbeiter von Radio Dreyeckland, der über den Gipfel und die Gegenveranstaltungen in Biarritz und Umgebung berichten wollte. Am 8. August wurde er in Dijon, wo er seit Anfang Juli lebt und arbeitet, unter Hinweis auf ein gegen ihn erlassenes Aufenthaltsverbot als Sicherheitsrisiko festgenommen und am Tag danach über die Grenze nach Kehl abgeschoben.

Das Motiv: Dieser Deutsche sei „mit seinen Aktivitäten in der ultralinken Szene und wegen Teilnahme an gewaltsamen Aktionen“, namentlich beim G20-Gipfel in Hamburg, aufgefallen. Das bestreitet der 38-Jährige, der mit Erfolg die Anordnung angefochten hat.

Da die französische Polizei in Straßburg ihm auf seine Anfrage hin sagte, es liege nichts gegen ihn vor, kehrte er am 20. August nach Dijon zurück. Am 21. fuhr er mit dem Zug in Richtung Hendaye, wo er für den Radiosender über den Gipfel der G7-Gegner informieren sollte. Aufgrund eines ihm nicht bekannten neuen Bescheids der Behörden wurde er in Saint-Jean-de-Luz festgenommen und nach 18 Stunden Haft mit einem Sonderflug nach Stuttgart gebracht. Er habe gegen ein befristetes Einreiseverbot verstoßen.

Wie der Rechtsgelehrte Serge Slama in der Zeitung Libération erklärt, benutze die französische Regierung in diesem Fall gegen einen unliebsamen Reporter „eine Antiterror-Vorschrift. Dieses wurde während des Ausnahmezustands in Kraft gesetzt, um Ausländern und EU-Bürgern die Einreise zu untersagen, weil sie im Verdacht standen, in Frankreich Attentate verüben zu wollen.“

In Nürnberg und im Baskenland fanden Solidaritätskundgebungen für die Opfer der als „willkürlich“ kritisierten Festnahmen und Inhaftierungen von vermeintlichen „Gesinnungstätern“ am Rande des G7 statt. Die französische Menschenrechtsliga LDH protestierte gegen „Einschüchterungsversuche“ der französischen Behörden.

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11 Kommentare

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  • Frankreich ist zum Polizeistaaten geworden. Der "Ausnahmezustand" (2015-2017, schon vor Macron, unter dem sozialistischen Innenminister Valls), seitdem gesetzlich verankert und befestigt, hat einen erheblichen Schritt in dieser Richtung gemacht. Was die verhafteten Deutschen erfahren haben ist das übliche Los vieler Franzosen.

  • "ermöglicht eine Verurteilung bereits für vermutete Absichten."

    Damit fällt jede Reise nach oder über Frankreich aus. Denn das ist kein Rechtsstaat mehr! So agieren nur totalitäre Systeme.

  • Das kann doch nicht sein - wie die TAZ doch vor der letzten Präsidentschaftswahl mehrmals unterstrich, ist Macron doch "linksliberal", insofern kann er doch keine solchen Gesetze erlassen haben.

  • Eine Verhaftung ohne Tatbestand. Das entspricht den westlichen Werten, das entspricht dem Rechtsstaat?

    Sorry, wenn wir das durchgehen lassen, brauchen wir zu Hongkong oderMoskau nichts mehr sagen.

  • Unglaublich, wie heute die bürgerliche Mitte, zumindest in Frankreich, nach rechts abdriftet und Zustände herbei führt, die man fast nicht auszusprechen wagt in diesem Europa der polizeilichen Überwachung, Einschüchterung und Repression.



    Wäre das in Moskau passiert, dann würden die deutschen Leitmedien uns mit ihren Krokodilstränen ertränken.



    Wir reden hier in DE über AFD usw. und über die rechte Gefahr. In Frankreich entwickelt sich das Macron-Regime zum gefährlichen Vorbild eines zukünftigen europäischen Polizeistaates, den bei uns die schwarze Null in Hamburg mit den grünen Koalitionspartnern schon ausprobiert hat.

    Die progressiven Neoliberalen scheinen sind sich einig zu sein, dass Gewalt und Repression ein legitimes Mittel zur Bekämpfung demokratischer Minderheiten ist.



    Bitter bemerkbar macht sich das Fehlen einer linken Bewegung gegen Repression und Polizeigewalt und gegen die neuen Repressionsgesetze, die nichts mehr mit Demokratie gemein haben.

    • @Rolf B.:

      Falls sie es verpassten, auch in Bayern dürfen Menschen jetzt von Verdachtswegen monatelang weggeschlossen werden, dafür müssen sie nicht nach Frankreich.

      "



      Bitter bemerkbar macht sich das Fehlen einer linken Bewegung gegen Repression und Polizeigewalt und gegen die neuen Repressionsgesetze, die nichts mehr mit Demokratie gemein haben."

      Na klar, ich will die Medien sehen wenn Links-Alternative dagegen protestieren.



      Dann heißt es ganz schnell wieder, das sich, wer nichts zu verbergen hat, ja auch nicht fürchten muss

      • @Reyde Lanada:

        Der Unterschied zu Bayern (und anderen Bundesländern): Hier ist es ganz offiziell und entwaffnend ehrlich zur Gefahrenabwehr explizit "vorbeugend" gemeint, nicht als HaftSTRAFE für irgendeine Tat. In Frankreich sind die Leute rechtskräftig für eine NICHT begangene Tat VERURTEILT worden.

    • @Rolf B.:

      Ganz im Ernst war meine Wahrnehmung Frankreichs stets jene eines weit rechts stehenden politischen, allgemeinen Spektrums. Kurzum: Im Westen nichts neues.



      Die Militarisierung der Polizei war hier bereits in den 90ern abgeschlossen und die rassistischen Übergriffe durch Polizisten sind hinlänglich dokumentiert. Stichwort Banlieu.



      Die bürgerliche Mitte ergötzt sich seit jeher am Blutlied der Marseilles und gleichzeitig am Feldzug des Bonapartes als Eckpfeiler einer nationalistischen Identität. Faschismus ist in Frankreich auch nichts neues. Interessant scheint das Thema und auch neuartig dadurch, dass die Mittelschicht nun einen Teil der Polizeigewalt abbekommt. Ich erinnere auch einmal an die Kolonialzeit, welche bis Ende der 70er Henker in Algerien hervorgebracht hat und niemanden hat es interessiert.

      Der Vergleich mit Russland hinkt gewaltig und ist lediglich deinem Drang geschuldet, zwischen zwei Übeln ein gutes auszumachen.



      In Moskau kann nicht einmal ein weitgehend unpolitischer CSD abgehalten werden, ohne dass es zu hunderten von Festnahmen und entsprechender Polizeigewalt kommt.

  • Grossartig.

    Wir sehen immer mehr wie China aus :-(

    • @tomás zerolo:

      Sie waren mit Sicherheit schon lange nicht mehr oder vielleicht sogar noch nie in China.

      • @Martin74:

        Man muss also nach China reisen um eine Entwicklung zum Polizeistaat nach fernöstlichem Vorbild zu sehen?