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Lage auf der „Open Arms“ eskaliertMenschen springen ins Meer

Der Kapitän hatte davor gewarnt: Nach zweieinhalb Wochen auf dem Mittelmeer liegen die Nerven blank. Nun will Frankreich 40 Geflüchtete aufnehmen.

Der psychologische Druck auf dem Rettungsschiff „Open Arms“ ist zu groß geworden Foto: ap

Madrid dpa | Die dramatische Lage auf dem spanischen Rettungsschiff „Open Arms“ ist nach zweieinhalb Wochen auf hoher See eskaliert. Verzweifelte Menschen sprangen am Sonntag ins Meer – offenbar um zu versuchen, die nahe gelegene italienische Insel Lampedusa schwimmend zu erreichen. Spanien hatte zuvor der „Open Arms“ offiziell Algeciras in Andalusien als sicheren Hafen angeboten. Jedoch würde die rund 1.800 Kilometer lange Fahrt erneut mehrere Tage auf hoher See für die mehr als 100 erschöpften Migranten bedeuten.

„Ich habe veranlasst, dass der Hafen von Algeciras für den Empfang der #OpenArms aktiviert wird“, twitterte der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Option, nach Spanien zu fahren, sei „höchst unwahrscheinlich“, sagte ein Sprecher der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms der Deutschen Presse-Agentur. Die Geflüchteten, die sich in die Fluten stürzten, reagierten offenbar auf die Nachrichten aus Spanien.

Auf einem auf Twitter veröffentlichten Video war zu sehen, wie Helfer versuchten, im Wasser wegschwimmende Menschen aufzuhalten. Sie brachten sie schließlich wieder zurück auf das Schiff. „Wir haben seit Tagen davor gewarnt, die Verzweiflung hat Grenzen“, schrieb Proactiva-Gründer Oscar Camps.

Das spanische Fernsehen zeigte Bilder von Menschen an Bord, die Weinkrämpfe erlitten, andere reagierten wütend. Die Crew versuchte, die Menschen zu beruhigen. „Jetzt wollen sie, dass wir 950 Meilen fahren, weitere fünf Tage (…), zum am weitesten entfernten Hafen im Mittelmeer, mit einer untragbaren Situation an Bord?“, fragte Camps. Die „Open Arms“ müsste von ihrer Position aus noch einmal die gesamte nordafrikanische Küste entlangfahren, um Südspanien zu erreichen.

Die Passagiere drohten mit Selbstmord

Die Regierung in Madrid kritisierte den italienischen Innenminister Matteo Salvini wegen dessen unerbittlicher Haltung scharf und sprach in einer Mitteilung von einer „unfassbaren Reaktion“ des rechten Politikers. Salvini entgegnete auf Twitter: „Wer hart bleibt, gewinnt.“

Obwohl ein Verwaltungsgericht in Rom dem Schiff die Einfahrt in die Territorialgewässer Italiens erlaubt hatte und es seit Donnerstag nur wenige Hundert Meter vor Lampedusa liegt, dürfen 107 Migrant*innen weiterhin nicht von Bord. Salvini hatte am Samstag aber nach wochenlangem Tauziehen 27 unbegleiteten Jugendlichen erlaubt, das Schiff zu verlassen und an Land zu kommen. „Gegen meinen Willen“, wie der Politiker mitteilte – und auch nur, weil Ministerpräsident Giuseppe Conte ihn zu dem Schritt aufgefordert habe.

Unter dem Applaus der Crew und der Geflüchteten waren die Minderjährigen von der Küstenwache abgeholt worden. Jedoch wurden die verbleibenden Passagiere anschließend offenbar wieder von Verzweiflung und Resignation übermannt. Einige Migranten*innen hatten Augenzeugen zufolge schon seit Tagen damit gedroht, Selbstmord zu begehen oder über Bord zu springen.

Der psychologische Druck ist zu groß

„Elend sind all diejenigen, die 107 ‚namenlose‘ menschliche Wesen und eine Handvoll Freiwilliger als Geiseln benutzen, um auf ihre Kosten fremdenfeindliche und rassistische Propaganda zu betreiben“, twitterte Proactiva. Kapitän Marc Reig hatte schon mehrmals vor einer gefährlichen Eskalation gewarnt. „Jede Sekunde, die vergeht, rückt die Explosion dieser Bombe näher. Entweder jemand schneidet jetzt das rote Kabel durch und deaktiviert sie, oder die ‚Open Arms‘ wird explodieren“, sagte er.

Die Menschen harren zum Teil seit 17 Tagen auf engstem Raum aus. Seit die „Open Arms“ in unmittelbarer Nähe von Lampedusa liegt, ist der psychologische Druck noch größer: Die Menschen haben Land in Sicht, das sie aber nicht betreten dürfen. „Die Menschen verlieren die Geduld“, sagte eine spanische Fernsehreporterin an Bord.

Spaniens sozialistische Vizeministerpräsidentin Carmen Calvo bezeichnete das unnachgiebige Verhalten Italiens als „unbegreiflich“ und kritisierte: „Wir erleben hier das, was die Rechte und Ultrarechte in Europa macht.“ Deren Verhalten sei immer besorgniserregender.

„Ocean Viking“ harrt mit 356 Passagieren aus

Frankreich sagte am Sonntag zu, 40 der Migranten aufzunehmen. Allerdings müssten es Geflüchtete sein oder Menschen, die „internationalen Schutz“ benötigen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf das Innenministerium. Sechs EU-Länder, darunter Deutschland und Spanien, hatten sich zuletzt bereits bereit erklärt, Migranten aufnehmen. Dennoch darf die „Open Arms“ bislang nicht in Italien anlanden.

In ihrer zweieinhalbwöchigen Irrfahrt hatte die „Open Arms“ zeitweise fast 160 Migranten*innen an Bord. Jedoch waren einige gesundheitlich so angeschlagen, dass sie in den vergangenen Tagen nach Malta und Italien gebracht wurden.

Südlich von Sizilien wartete auch das Rettungsschiff „Ocean Viking“ mit 356 Migranten*nnen auf die Erlaubnis, in einen sicheren Hafen fahren zu können. Die Organisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen (MSF) hatten die Menschen in mehreren Einsätzen in Sicherheit gebracht. MSF twitterte zuletzt: „Wir wissen, was diese im Meer geretteten Menschen durchgemacht haben. Wir kennen den Horror in Libyen, vor dem diese Menschen fliehen.“

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11 Kommentare

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  • Das Europa, in dem ich leben will, bekämpft Menschenhandel statt ihn zur Staatsräson zu machen, indem es externe Milizen dafür bezahlt, Menschen abzufangen und in brutalen Lagern zu inhaftieren, in denen sie auf allen Ebenen gnadenlos ausgebeutet werden.

  • Nun sind schon wieder zwei Tage vergangen. Die wären schon fast in Menorca!!! Damit gefährden diese NGOs Leib und Leben der Passagiere, vorsätzlich und fortwährend. Das ist pure Provokation auf Kosten der Menschen dort auf dem Schiff. Das Schiff dümpelt also lieber 16 Tage vor der italienischen Küste anstatt drei Tage nach Spanien zu fahren? Aus Italienischen Medien und auch der ANSA ist beunruhigendes zu entnehmen: gemäß des Amtsarztes von Lampedusa, Francesco Cascio der zuständig war bei der medizinischen Evakuierung und Betreuung von 13 als Notfall erklärte Migranten, dass von den 13 Personen bei einem Mittelohrentzündung diagnostiziert wurde und bei den anderen 12 der Befund war, medizinisch nicht auffällig. Man konnte das Interview mit einem Augenzeugen lesen, dass die Schlepper in Libyen telefonischen Kontakt mit den NGOs haben (alarmphone, welcome to europe, afrique europ. interact, borderline europe, noborder marocco, voix des migrants).

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    ".genauso, wie es unfassbar ist, daß der italienische Staat nicht einfach mal auf den Tisch haut, Salvini seines Amtes enthebt und endlich handelt...."

    Diesen reflexhaften Ruf nach dem starken Staat und hartem Durchgreifen hätte ich jetzt eher in einem Kommentar der "Jungen Freiheit" erwartet. Rechtsstaatliche Prozesse sind eben zäh.

  • Ich habe den Eindruck, die NGOs wollen an zwei Fronten kämpfen.



    1. Menschen retten



    2. Gegen Salvini kämpfen

    Wäre die „Open Arms“ gleich Richtung Spanien / Frankreich gefahren, könnten die Geretteten schon längst Festland unter den Füßen haben.

    Ich verstehe deren Handlungen nicht.

    • @Rolf B.:

      Man sollte auch bedenken, dass Spanien den Hafen erst angeboten hat, nachdem die Rettung schon 2 Wochen vergangen war.



      Das Gezeter um ein paar gerettete Menschen ist unerträglich. Was ist das für eine Welt, wo jede Mal darüber diskutiert wird, ob Menschen in Not geholfen wird? Zum Glück gibt es immer noch unzählige andere Leute, auch sehr viele auf Lampedusa übrigens, die widerspruchslos die Menschen willkommen heißen und erste Hilfe leisten. Alle, die hier verständnislos reagieren und hier ihre Hassbotschaften und Fake News / Propaganda verbreiten, sollten mal Menschen kennen lernen, die auf so ein Schlauchboot gestiegen sind. Das macht man nicht einfach so, man sieht, dass die Dinger nicht seetauglich sind, doch in dem Moment wo du vor dem Boot stehst, hast du keine Wahl mehr, und es ist ohnehin die einzige Möglichkeit, den grausamen Verhältnissen in Libyen zu entkommen.

    • @Rolf B.:

      Das internationale Seerecht schreibt vor: aus Seenot Gerettete müssen in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden. Dieser ist im Fall von aus Libyen Geflüchteten fast immer Lampedusa. Keine NGO erwartet, dass Italien vom Rest der EU allein gelassen wird, das ist viel zu lange schon passiert. Italien missachtet internationales Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention.

    • @Rolf B.:

      Bitte schauen Sie mal auf eine Landkarte und lokalisieren Sie den aktuellen Standort des Schiffs vor Lampedusa. Die französischen und spanischen Küsten sind von dort absurd weit weg. Natürlich fährt man nicht direkt dorthin.

  • Warum schicken z.B. die Franzosen nicht einfach ein Militärschiff dorthin, um die Personen zu evakuieren?

    Unfassbar.....genauso, wie es unfassbar ist, daß der italienische Staat nicht einfach mal auf den Tisch haut, Salvini seines Amtes enthebt und endlich handelt....

    • @Juhmandra:

      Vielleicht wird Salvini nicht "entmachtet" weil er demokratisch gewählt wurde und Italien ein Rechtsstaat ist ?



      Und aus Sicht der breiten Masse der italienischen Bevölkerung HAT Salvini richtig gehandelt, allerdings nicht so wie Sie sich das wünschen.



      So ist das halt in Demokratien.

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  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    Warum muss es denn immer ausgerechnet Italien sein? Steckt politisches Kalkül dahinter? Man kann doch Italien nicht verdenken, dass es die Last nicht allein tragen will.