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Designierte EU-KommissionschefinVon der Leyen auf Zuhör-Tour

Die CDU-Politikerin wirbt am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung in Brüssel um die Stimmen der Grünen. Wie stehen ihre Chancen?

Charmeoffensive: Ursula von der Leyen bei Belgiens Ministerpräsident Charles Michel Foto: ap

Brüssel taz | Einen Schreibtisch in der EU-Kommission hat sie schon. Auch ein kleines, siebenköpfiges „Übergangsteam“ steht Ursula von der Leyen in Brüssel zur Verfügung. Beides wird die designierte neue Chefin der EU-Kommission in den nächsten Tagen intensiv nutzen. Denn von der Leyen muss um ihre Mehrheit im Europaparlament kämpfen.

Mindestens 376 Stimmen braucht die CDU-Politikerin, um zur Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker gewählt zu werden. Doch eine Woche vor der Abstimmung, die am kommenden Dienstag in Straßburg stattfinden soll, sind ihr bestenfalls 290 Stimmen sicher. Der Großteil davon entfällt auf die Konservativen von der Europäischen Volkspartei (EVP).

Angeführt vom ehemaligen Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU), haben die 182 Abgeordneten der EVP schon in der vergangenen Woche die weiße Fahne gehisst. Nur einen Tag, nachdem der EU-Gipfel von der Leyen völlig überraschend nominiert hatte, schwenkten die Konservativen auf die Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. Auch die Liberalen dürften kaum Widerstand leisten. Schließlich sind die 108 Abgeordneten der Fraktion Renew Europe mit dem Deal zufrieden, der dem liberalen belgischen Premier Charles Michel den Job des Ratspräsidenten gesichert hat.

Aber woher sollen die fehlenden 86 Stimmen kommen? Wie will die von Skandalen erschütterte Verteidigungsministerin jene Abgeordneten überzeugen, die das „Prinzip der Spitzenkandidaten“ hochhalten?

Darauf hat von der Leyen noch keine Antwort gegeben. Seit ihrem ersten Tweet („Hallo Europa! Hello Europe! Salut l’Europe!“) vor einer Woche sucht man vergeblich nach inhaltlichen Aussagen der künftigen EU-Präsidentin. Von der Leyen ist auf Zuhör-Tour – sie will hören, was den Abgeordneten am Herzen liegt, und erst kurz vor der entscheidenden Abstimmung ihr Programm bekanntgeben.

Eisiges Schweigen bei der SPD

Auf politische Signale warten vor allem die Grünen und die deutschen Sozialdemokraten. Denn aus diesen Formationen kommt der größte Widerstand. „Wir sehen wirklich keine guten Gründe, warum wir für sie stimmen sollten“, sagte die grüne Fraktionschefin Ska Keller nach einem gut einstündigen Gespräch am Montag in Brüssel. Bisher habe von der Leyen keine Vorschläge gemacht.

Eisiges Schweigen herrscht bei den SPD-Europaabgeordneten. Sie werden von der Leyen erst am Mittwoch treffen – nach einer „Abkühlphase“, in der die Genossen den Ärger über das Scheitern ihres Spitzenkandidaten Frans Timmermans herunterschlucken wollten. „Die Europa-SPD wird diesem Vorschlag auf keinen Fall zustimmen“, hatte Jens Geier, Chef der SPD-Gruppe, gleich nach der Nominierung erklärt.

Die deutschen Genossen machen allerdings nur noch eine Minderheit bei den europäischen Sozialdemokraten aus. Den Ton geben mittlerweile die Spanier an – und die präsentieren sich weitaus konzilianter. „Wir fällen unser Urteil erst, nachdem wir die Person angehört haben“, sagte Iratxe García Pérez, die neue Fraktionschefin. Nach harter Ablehnung klingt das nicht: die Sozialdemokraten taktieren.

Wir fällen unser Urteil, nachdem wir sie angehört haben

Iratxe García Pérez, vorsitzende der sozialdemokratischen fraktion

Vor allem spanische und italienische Genossen wollen von der Leyen ihre Stimme geben, denn sie können mit dem Ausgang des Personalpokers zufrieden sein: Der Spanier Josep Borrell wurde zum Außenbeauftragten ernannt, der Italiener David-Maria Sassoli führt das neue Europaparlament. Wenn auch die Sozialdemokraten aus Benelux und Osteuropa mitziehen, könnte es für von der Leyen reichen.

Sicher ist das jedoch nicht. Das Votum ist geheim, eine „Denkzettel“-Wahl nicht ausgeschlossen. Und so geht das Liebeswerben der Deutschen um die Abgeordneten weiter. Am Mittwoch will von der Leyen erneut die Grünen treffen, diesmal in einer öffentlichen Anhörung. Es könnte das entscheidende Meeting in diesem denkwürdigen Wahlkampf werden.

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