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Regierungsbildung in SpanienSánchez verliert zweites Votum

Dem Premier fehlt erneut die Unterstützung der linken Podemos-Partei. Pedro Sánchez muss sie überzeugen – sonst gibt es Neuwahlen.

Schmollend: Ministerpräsident Pedro Sánchez im spanischen Parlament Foto: dpa

Madrid taz | Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat auch im zweiten Durchgang im Parlament nicht die erforderlichen Stimmen für eine Wiederwahl erreicht. Hätte der Sozialist am vergangenen Dienstag die absolute Mehrheit der 350 Abgeordneten gebraucht, so hätten am Donnerstag mehr Ja- als Nein-Stimmen gereicht. Trotzdem erzielte Sánchez, dessen sozialistische PSOE über 123 Abgeordnete verfügt, nur 124 Stimmen. 67 enthielten sich. Die drei Rechtsparteien, die konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) und die rechtsextreme Vox, und mehrere kleine Fraktionen stimmten gegen eine Sánchez-Regierung. Insgesamt gab es 155 Gegenstimmen.

Die Sozialisten hatten die Parlamentsneuwahl am 28. April zwar gewonnen, die absolute Mehrheit aber deutlich verpasst. Der einzig mögliche Bündnispartner wäre die linksalternative Unidas Podemos (UP) mit ihren 42 Abgeordneten gewesen – doch Sánchez war es nicht gelungen, eine Koalition auszuhandeln. UP-Chef Pablo Iglesias hatte auf einen Ministerposten verzichtet, um die Verhandlungen zu erleichtern. Doch er wollte fünf UP-Minister und einen stellvertretenden Ministerpräsidentenposten für Sozialpolitik für die Nummer zwei der Partei, Irene Montero.

Sánchez bot zum Schluss drei Minister an. Kurz vor der Parlamentssitzung willigte UP ein, verlangte allerdings das Arbeitsministerium. Sánchez weigerte sich strikt. „Wir verzichten auf das Arbeitsministerium, wenn wir die Verantwortung für die Beschäftigungpolitik bekommen“, bot Iglesias schließlich an. Auch dies ohne Erfolg. Die UP-Abgeordneten enthielten sich, mit dem Ziel, die Verhandlungen nach der gescheiterten Sitzung erneut aufzunehmen.

Die PSOE-Unterhändler werfen UP vor, „unzulässige“ Forderungen zu stellen und den „Großteil der Staatsausgaben kontrollieren“ zu wollen. UP-Verhandler entgegneten, keine „Dekoration“ in der Regierung sein zu wollen.

„Sie werden es bitter bereuen, diese historische Chance vertan zu haben“, warf der katalanische Unabhängigkeitspolitiker Gabriel Rufian dem Premier Sánchez vor. Rufian, dessen Republikanische Linke Kataloniens (ERC) sich der Stimme enthielt, hatte die letzten beiden Tage versucht, zwischen PSOE und UP zu vermitteln. Er scheiterte. Auch andere kleinere Regio­nalparteien, die sich enthielten, bedauerten das Scheitern der Verhandlungen.

Der Abgeordnete Joan Baldoví warnte davor, dass im Falle von Neuwahlen die drei Rechtsparteien PP, Cs und Vox eine Mehrheit erreichen könnten. Baldoví ist von der Linkspartei Compromis, die in der Region Valencia zusammen mit der PSOE regiert. „Nutzen wir den Sommer, denn viele Menschen wollen eine Regierung, deren Ministerpräsident Sie sind“, richtete er sich an Sánchez.

Jetzt wird der spanische König Felipe VI. erneut alle Parteien zu Gesprächen laden, um dann eventuell einen neuen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Das dürfte erneut Sánchez sein – wenn er sich mit UP geeinigt hat und so glaubhaft versichern kann, dass eine weitere Wahl im Parlament erfolgreich sein wird. Die Frist für eine erneute Abstimmung läuft am 23. September aus.

Gibt es bis dahin keine Regierung, muss der Monarch laut Verfassung das Parlament auflösen und Neuwahlen anberaumen. Diese würden dann am 10. November stattfinden. Es wären die vierten Wahlen in nur vier Jahren

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4 Kommentare

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  • So lange es politische Gefangene und das Maulkorb-Gesetz in Spanien gibt, sollte die EU wie auf Polen und Ungarn Druck ausüben und massiv einwirken.

    Das betretene Schweigen vieler deutscher Politiker macht die Situation nicht erträglicher.

  • Die smarte "Schwiegersohn-Darsteller" Sanchez agiert mit derselben politischen Arroganz, wie die PP-Konservativen. Stimmvieh darf Podemos sein, aber keine relevanten Ministerposten bekommen. Sanchez will die Linken mit der zunehmenden rechten Gefahr, die bei Neuwahlen drohen, kirre machen. Eine Lösung der Autonomie-Debatte in Katalonien und anderswo in Spanien bietet Sanchez nicht - aber steht er in der Tradition seiner Vorgänger an der Spitze der PSOE. 70 Jahre nach dem Sieg Francos haben die Sozialisten nichts gelernt.

    • @Philippe Ressing:

      Sehe ich genauso.

      Der gute Pedro hätte mit Sicherheit auch einen Spitzenposten bei der SPD.



      Würde da jedenfalls gut reinpassen.

  • Tja, es bestätigt sich immer wieder: Hochmut kommt vor dem Fall.