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Frontex und MenschenrechtsverletzungenDie Festung sichern

Eine Recherche deckt Vergehen unter den Augen der Grenzschutzagentur auf. Solche Berichte sind keine Überraschungen, aber dennoch wichtig.

Frontex schaut, dass der Zaun geschlossen bleibt Foto: dpa

Bald 9.000 Kilometer lang ist die Außengrenze der Europäischen Union im Osten, auf dem Balkan und übers Mittelmeer. Stacheldraht, Grenzposten, Kriegsschiffe und Überwachungsdrohnen sollen dort illegale Übertritte verhindern, vor allem von Migrant*innen und Geflüchteten.

Die Grenzschutzagentur Frontex hat den Auftrag, mit den Mitgliedstaaten, aber auch Anrainern, Verletzungen der Grenze wirksam zu unterbinden. Dass die überstaatliche Institution dabei in einem extralegalen Raum nach ganz eigenen Spielregeln operiert, bringen Recherchen von NGOs und Journalist*innen immer wieder ans Licht der Öffentlichkeit, zuletzt das Recherchenetzwerk Correctiv und das ARD-Magazin „report München“.

Das Besondere an dieser Recherche ist, dass die Vorgänge an den EU-Grenzen in diesem Falle nicht mit den üblichen Gedächtnisprotokollen Überlebender oder heimlich gedrehten Videos gezeigt werden, sondern im Wesentlichen Frontex selbst die Geschichten von Menschenrechtsverletzungen und robusten Einsätzen erzählt. Mit Informationsfreiheitsanfragen ist es gelungen, das zumindest teilweise bereits bestehende Bild von Willkür und Menschenverachtung, das die europäische Grenzsicherung prägt, mit Hilfe von Aktenvermerken und internen Berichten nachzuzeichnen.

Das Sterben im Mittelmeer, die brutalen Bedingungen im Transit auf dem Balkan, die unwürdigen Zustände in türkischen Lagern, Folter und Sklaverei in Libyen, illegale Pushbacks: All das ist bekannt. Dass die EU-Staaten und ihre gemeinsamen Institutionen, ob nun an Menschenrechtsvergehen aktiv beteiligt oder diese stillschweigend in Kauf nehmend, kaum einen Finger rühren, um Menschenleben und -würde zu schützen, ist ebenfalls nichts Neues. Der ganze zutiefst rassistische Sicherheitsdiskurs um „Migrationsdruck“ und „Flüchtlingsströme“ hat in einer Organisation wie Frontex seit nunmehr 15 Jahren seine schweigsame behördliche Manifestation gefunden.

Um der geografischen und historischen Zufälligkeit von Grenzen und herbeihalluzinierter geschlossener Kulturräume den Charakter ewiger und unverletzlicher Absolutheit zu verleihen, wird rabiat zugelangt. Frontex lässt Menschen absichtlich im Mittelmeer absaufen, drückt beide Augen zu, wenn in Ungarn Hunde auf Menschen gehetzt werden, schweigt zu jenen, die auf dem Weg über den Balkan erfrieren, verletzt auf Abschiebeflügen das eigene Regelwerk? Keiner dieser Vorwürfe erscheint unplausibel, denn jeder einzelne beschreibt ein Vorgehen im Einklang mit dem Auftrag der Agentur. Der orientiert sich eben nicht an Menschen, sondern an der heiligen Grenze – und an der sind zivile Umgangsformen eher rar gesät.

Dass es innerhalb der EU, dieser unendlich privilegierten Insel, noch immer Menschen gibt, die diesen Zustand als unhaltbar kritisieren, dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, dass Frontex die Flüchtlingsboote nicht einfach versenkt und auf der Balkanroute ein paar Maschinengewehre aufstellt. Stattdessen wird die Verantwortung für das Leben unerwünschter Menschen mit subtileren Methoden abgeschoben, auf Wellengang und Warlords zum Beispiel.

Das kenntlich zu machen, der Grenzschutzagentur Frontex mit ihrem Milliardenhaushalt ganz genau auf die Finger zu schauen, ist deshalb dringend geboten. Es geht dabei nicht um überraschende Entdeckungen. Es geht darum, immer wieder unmissverständlich deutlich zu machen, dass jeder auf dem Weg nach Europa geschlagene, herabgewürdigte, gestorbene Mensch auf der Rechnung dieser Europäischen Union steht und dass alle Verantwortlichen das auch ganz genau wissen.

„report München“, 6. 8., 21.45 Uhr, ARD

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10 Kommentare

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  • Frontex ist nicht dafür zuständig irgendwelche Menschenrechtsverletzungenm welche durch Grenzsschutzbeamten der Mitgliedsstaaten begangen werden, zu unterbinden. Hierfür fehlen Frontex jegliche Kompetenzen. Frontrex ist keine übergeordnete Behörde.

    • @DiMa:

      Anzeige erstatten kann jeder.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Kann jeder, muss aber nicht.

        • @DiMa:

          Gewissen?

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Sie verstehen es nicht, oder?

            Die Tatsache, dass irgendwelche osteuropäischen Grenzschützer möglicherweise irgendwelche Menschenrechte verletzen, wäre heute nicht mal mehr ne Nachricht. Also muss man irgendwelche europäische Behörden ins Spiel bringen um zu skandalisieren, wo es bei näherer Betrachtung wegen der Zuständigkeiten und Kompetenzen überhaupt keinen Skandal gibt.

            Frontex schreibt doch die vorgesehenen Berichte. Sollen die auch noch zum örtlichen Dorfscheriff gehen? Schaut man sich den Bericht auf ARD an, bleibt nix belastendes hängen.

    • @DiMa:

      es hilft, die quellen zu lesen!



      in correctiv.org/top-...ontex-transparenz/ steht: "Frontex hat in seiner Charta stehen, dass es die Grundrechte von Flüchtlingen zu achten hat.



      Eine Beauftrage für Grundrechte soll das sicherstellen. Sie hat nur neun Mitarbeiter, die Agentur gab 2017 15-mal mehr Geld für Medienarbeit als für die Wahrung der Grundrechte aus. Selbst für Briefporto gab die Agentur mehr aus.



      Eines tut die Hüterin der Grundrechte bei Frontex auf jeden Fall: sie schreibt Berichte. Bei ihr laufen sämtliche Vorfälle an Europas Grenzen zusammen, die von Frontex-Beamten gemeldet werden. Es sind dutzende jedes Jahr, die die Beauftragte in sogenannten Mängelberichten festhält. Und diese erhalten Izuzquiza und Semsrott nach und nach, insgesamt 600 an der Zahl."



      noch fragen?!

      • @christine rölke-sommer:

        Wenn Sie, sehr geehrte Frau Rölke-Sommer, Ihren eigenen sicherlich gut gemeinten Rat im Ansatz befolgt hätten, dann hätten Sie schnell bemerkt, dass Frontex überhaupt keine eigene Charta hat.

      • @christine rölke-sommer:

        Sehr geehrte Frau Rölke-Sommer,



        auch aus dem von Ihnen verlinkten Artikel ergibt sich kein Widerspruch zu meiner Aussage. Nur weil in der Charta von Frontex irgendwas von Flüchtlingen und irgendwas von Grundrechten steht, bedeutet das noch lange nicht, dass Frontex Weisungsbefugnis gegenüber den nationalen Grenzschutzbehörden erhält. Daraus ergibt sich noch nicht mal eine Pflicht zum Einschreiten. Ja, Frontex berichtet, so what?

         

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Dieser Artikel spricht mir aus dem Herzen. Er ist auch sehr gut geschrieben. Kompliment.

    Dass Politiker*innen in Deutschland und Europa sehr schnell dabei sind, sich von Trump, seinem Mauerbau und seiner Migrationspolitik zu distanzieren, zeigt die Lebenslüge der europäischen Politik auf. Das Mittelmeer ist schließlich sogar "effektiver" als eine Mauer. Da braucht es gar keinen Schießbefehl und trotzdem gibt es tote Menschen als Abschreckungssignal.



    Es sollte auch einmal diskutiert werden, inwieweit diese Sündenbock-Rhetorik doch vielleicht auch zum Teil strukturell antisemitisch ist. Die Probleme des Kapitalismus auf "ausländische Mächte" abzuwälzen und dabei so zu tun, als würde man selbst durch das eigene politische Handeln die Gewalt nicht auch reproduzieren - das hat eine ethnozentrische oder sogar verschwörungsideologische Funktion. Hier wird ein Feindbild aufgebaut, das letztlich wohl nur der angestrebten geostrategischen Rolle Europas - und damit Deutschlands - dient. Die europäische Migrationspolitik wird währenddessen weiter verschärft.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Was sollten die Politiker auch sonst tuen? Einfach alle hereinwinken die wollen?

      Ich garantiere Ihnen das dann in 10 Jahren nicht die Afd, Lega & Co die Regierenden Parteien sein werden sondern NSDAP-ähnliche.

      Das ganze ist ein riesengroßes Dilemma und wahrscheinlich weitaus komplexer als es dieser einfache Artikel in der Taz darstellt!