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Die deutschen Sparer im Blick

Neuverhandlung: Bundesverfassungsgericht prüft das Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank für Staatsanleihen, nachdem es vom Europäischen Gerichtshof abgesegnet wurde

Aus Karlsruhe Christian Rath

Die Vorwürfe des Bundesverfassungsgerichts an die Europäische Zentralbank (EZB) haben sich fundamental verändert. Früher hieß es, sie betreibe Wirtschaftspolitik ohne Mandat und finanziere Staaten mit billigem Geld. Jetzt kritisieren die Karlsruher Richter, die EZB achte zu wenig auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen ihrer Geldpolitik. Das wurde bei der mündlichen Verhandlung des Gerichts über das EZB-Anleihekaufprogramm deutlich.

Von 2015 bis Ende 2018 kaufte das Eurosystem, zu dem die Zentralbanken aller Euro-Staaten gehören, Staatsanleihen im Wert von bislang rund 2,1 Billionen Euro auf. Das Programm heißt PSPP (Public Se­ctor Purchase Programme) und dient laut EZB geldpolitischen Zielen. Euro-Kritiker wie Bernd Lucke (Ex-AfD) und Peter Gauweiler (CSU) halten die EZB-Begründung jedoch für vorgeschoben. Die EZB betreibe hier unerlaubt Staatsfinanzierung und Wirtschaftspolitik. Sie klagten 2015 in Karlsruhe.

Die Verfassungsrichter hatten sich die Argumente von Gau­weiler und Lucke zunächst zu eigen gemacht und legten deshalb dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) 2017 die Frage vor, ob auch er die EU-Verträge verletzt sieht. Der EuGH erklärte dann im letzten Dezember, das PSPP-Programm verstoße nicht gegen EU-Recht. In einer zweitägigen mündlichen Verhandlung wollte Karlsruhe nun klären, wie es mit dem EuGH-Urteil umgeht.

Der Vorwurf, die EZB betreibe keine Geldpolitik, ließ sich nicht halten. Sowohl die Bundesbank als auch der Bundesverband deutscher Banken und der ordoliberale Wirtschaftsweise Lars Feld bestätigten, dass das EZB-Programm Ziele der Geldwertstabilität verfolge.

Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) konnte auch die Befürchtung ausräumen, dass das Ankaufprogramm einen neuen Verschuldungskreislauf auslöst. Seit 2014, dem Beginn des PSPP-Programms, sei der Schuldenstand in fast allen Euro-Staaten (außer Italien) gesunken. Statt jährlicher Neuverschuldung gebe es nun in allen Euro-Staaten sogar Überschüsse.

Nicht verhältnismäßig

In den Mittelpunkt der Diskussion rückte daher das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die EZB habe ihre geldpolitischen Ziele nicht gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen abgewogen, monierte Verfassungsrichter Peter Huber. Seine Kollegin Christine Langenfeld erinnerte an die „hochdramatischen Folgen“ der Niedrigzinspolitik für die deutschen Sparer. Zu den niedrigen Zinsen trage auch das PSPP-Programm bei. „Wir haben die Interessen der Bürger im Blick“, versicherte dagegen Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle.

Der Sachverständige Lars Feld warnte in der Verhandlung, die EZB solle sich auf ihr geldpolitisches Mandat konzentrieren. Sie könne nicht die Altersversorgung in allen Euro-Staaten berücksichtigen, zumal es von Staat zu Staat sehr große Unterschiede gebe.

Der EuGH hatte zwar eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen, dabei aber vor allem die Geeignetheit und Erforderlichkeit des PSPP-Programms angesprochen. Eine Gegeneinander-Abwägen mit den Interessen der deutschen Sparer fand allerdings nicht statt. Die deutschen Verfassungsrichter halten das offensichtlich für fehlerhaft.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kann den Luxemburger Richterspruch allerdings nicht einfach nach Gusto beiseiteschieben. Schließlich geht es um die Auslegung von EU-Recht, und dafür ist der EuGH ja zuständig. Die Bindungskraft der EuGH-Entscheidung entfalle nur, wenn die EuGH-Auslegung der Verträge „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“ und daher „objektiv willkürlich“ ist, erläuterte Voßkuhle zu Beginn der Verhandlung.

Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

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