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Sicherheitsdienst in Hamburger HeimenSecurity abgezogen

Kurz nachdem die taz den Einsatz von Wachleuten in Kinderschutzgruppen publik machte, hat Hamburg diese Praxis abgestellt.

Werden in Kinderschutzgruppen derzeit nicht eingesetzt: Sicherheitsleute Foto: Bodo Marks/dpa

Hamburg taz | Es war eine kurze, aber heftige Debatte, als der Linke-Abgeordnete Mehmet Yildiz am 25. April mit Politikern von SPD und Grünen um den Einsatz von uniformierten Wachleuten in Kinderschutzgruppen stritt. Die Linke fordert, dass die Sicherheitsleute nicht mehr eingesetzt werden. Doch die SPD war nicht einmal bereit, den Antrag zur inhaltlichen Diskussion in den Familienausschuss zu überweisen. Doch wie nun eine taz-Rückfrage bei der Sozialbehörde ergab, gab es zum Zeitpunkt der Debatte schon keine Security-Leute in den Kindergruppen mehr.

War der Senat zurückgerudert, ohne es öffentlich einzugestehen? Sozialbehörden-Sprecher Martin Helfrich stellt es so dar: „Der Einsatz des Sicherheitsdienstes in den beiden Kinderschutzgruppen war an besondere Einzelfälle gebunden.“ Mit dem Auszug der „diesbezüglichen Betreuten“ wäre das nicht mehr nötig.

Der Wachdiensteinsatz am Standort Rohrammerweg in Neugraben sei schon Mitte September letzten Jahres beendet worden, der Einsatz am Standort Rothenhäuser Damm in Wilhelmsburg mit dem 31. März. Helfrich wollte allerdings „nicht für alle Zeit ausschließen, dass man wieder so reagieren muss“, sprich, dass ein Security-Einsatz wieder nötig wird.

Die neun Kinderschutzhäuser des Landesbetriebs Erziehung mit 106 Plätzen sind als „Übergangszuhause“ für Kinder gedacht, die vom Jugendamt in Obhut genommen werden. Es gibt Gruppen für kleine Kinder von null bis sechs, und für ältere von sechs bis zwölf. In letzteren waren die externen Sicherheitskräfte tätig.

Wie wirken Uniformierte auf Kinder?

Aus Sozialarbeiterkreisen ist zu hören, dass der Einsatz weniger wegen einzelner Fälle, sondern aufgrund von Personalüberlastung erfolgt sei. Dafür spricht auch die hohe Personal-Fluktuation bei den Pädagogen.

Strittig ist vor allem die Wirkung uniformierter Wachleute auf Kinder. Wie die taz berichtete, kam es laut einer Anfrage der Linken von Beginn des Einsatzes am 28. August bis zum 9. Februar, als die Anfrage gestellt wurde, immerhin 21 Mal vor, dass Kinder von Security-Mitarbeitern festgehalten wurden.

In der Neugrabener Gruppe befand sich zum Zeitpunkt des Einsatzes auch ein Vierjähriger. Der Wachmann trug eine Uniform und war in seiner Rolle „klar erkennbar“, schrieb der Senat. Er habe die Anweisung, sich im Hintergrund zu halten. Zeigten Kinder ein „hoch aggressives und gewalttätiges Verhalten“, könne der Wachmann durch „Präsenz und deeskalierende Intervention“ die Pädagogen unterstützen.

Die Linke-Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus und ihr Kollege Mehmet Yildiz hatten diese Praxis als „nur noch skurril“ kritisiert. „Wir begrüßen es, dass die Behörde jetzt reagiert und die Security abzieht“, sagt Boeddinghaus. Doch weil Hamburg den Wachdienst in 13 Einrichtungen für Jugendliche weiter einsetzt, werde sie weitere Anfragen stellen und „solange nerven, bis auch das aufhört“.

Scheinbar eine Hamburger Spezialität

Der private Sicherheitsdienst kommt laut Behördensprecher Helfrich in sechs Jugendeinrichtungen weiter zum Einsatz, darunter der Kinder- und Jugendnotdienst in Alsterdorf, sowie in den Einrichtungen Tannenweg, Bötelkamp, Jugendparkweg und Hohe Liedt. In weiteren sieben Jugendwohneinrichtungen gibt es zudem Security als „nächtliche Aufsicht“, als sogenanntes „Concierge Modell“.

Die Hamburger Linke sieht sich in ihrer ablehnenden Haltung durch eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag bestätigt. Die Bundesregierung antwortete, dass ihr über die Medienberichte hinaus der Einsatz von Security in der Jugendhilfe nicht bekannt sei. Dies sehe „die Statistik nicht vor“, heißt es. „Aus meiner Sicht macht die Bundesregierung deutlich, dass der Einsatz von Security eine Hamburger Spezialität ist“, sagt Boeddinghaus. „Security hat in der Jugendhilfe nichts zu suchen, deshalb wird dazu auch keine Statistik geführt.“

Der Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller sagt, es wäre zu kurz gegriffen, den Security-Einsatz nur auf fehlende Fachkräfte zurückzuführen. „Der Mangel macht es möglich, doch der Grund ist ein Kulturwandel, weg von Hilfe und Unterstützung, hin zu Kontrolle und Sanktionierung der Jugendlichen“, sagt der jugendpolitische Sprecher der Fraktion. Noch sei es möglich, „diesem gefährlichen Wandel Einhalt zu gebieten.“

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1 Kommentar

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  • 0G
    05437 (Profil gelöscht)

    Es ist richtig, dass es in den Kinderschutzhäusern Kinder gibt, die nichts anderes als Gewalt kennen und nur mit Gewalt reagieren können, der pädagogisch angemessene Umgang ist extrem personalintensiv. Dass in Einrichtungen des LEB Brachiallösungen gefunden werden, die kleinen Kindern Angst machen, ist für alle, die sich mit diesem Laden auskennen, nicht überraschend. Die Arbeitsbedingungen sind unfassbar schlecht, die Bezahlung im unteren Drittel, aufgrund von Sparmaßnahmen (Einrichtungen für geflüchtete Jugendliche werden geschlossen, das Personal muss abgebaut werden) steigt der Druck auf die Angestellten, damit sie von selber gehen. Da werden Leute im Krankenstand zuhause angerufen, Überstunden nicht abgegolten usw.



    Von den Jugendämtern werden Einrichtungen des LEB nur noch im äußersten Notfall belegt, weil eine Unterbringungen in manchen Gruppen institutionelle Kindeswohlgefährdung wäre.