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VW baut Autofabrik in der TürkeiGeschenk an Erdoğan

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Verlogen: In Deutschland gibt sich der Konzern ökologisch. Die Klimakiller Diesel und Benziner sollen stattdessen in der Türkei vom Band laufen.

In Deutschland hui, in der Türkei pfui: Diesel und Benziner werden künftig in Westanatolien gebaut Foto: dpa

D ieses große Geschenk hat der türkische Präsident Erdoğan wirklich nicht verdient: Der deutsche Autobauer Volkswagen will im türkischen Manisa bei Izmir ein neues Werk bauen. Wenn die Fabrik in den Jahren 2022/23 den Betrieb aufnimmt, sollen dort jährlich 350.000 Fahrzeuge gefertigt werden. Das bringt richtig viel Geld in die Region und hat Signalwirkung für weitere Großinvestoren. Diese Nachricht kommt dem Autokraten Erdoğan gerade recht. Die wirtschaftliche Lage in der Türkei wird immer schlechter, das kostet ihn AnhängerInnen. Mit der Ansiedlung des VW-Werks kann er richtig punkten.

Es ist fatal, dass Volkswagen und damit der Anteilseigner deutscher Staat Erdoğan auf diese Weise stützen. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich in der Türkei für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil, bräuchte nur den Daumen zu senken und aus der Investition würde nichts. Aber Fehlanzeige. In Sonntagsreden Menschenrechte und Demokratie predigen, bei Entscheidungen aber darauf pfeifen – das ist genau die Haltung, die PolitikerInnen unglaubwürdig macht. Es ist politisch und moralisch falsch, jetzt in der Türkei im großen Stil zu investieren. Und das sollte auch einem führenden SPD-Mann klar sein.

Nicht nur das ist bei diesem Projekt enttäuschend. Volkswagen wird in dem neuen Werk vor den Toren der EU Autos mit Diesel- und Benzinmotoren bauen lassen. Sie sollen in Märkte geliefert werden, in denen es nur wenige Umweltauflagen für Autos gibt. Das Geschäft mit den Klimakillern geht also munter weiter, während sich VW hierzulande als top-ökologische Adresse zu geben versucht.

ManagerInnen und PR-Leute stricken an der Erzählung, dass VW auf dem Weg zu einem grünen Vorzeige-Autobauer ist. Diese unlautere Imagepflege sollten sie sich sparen, solange der Konzern neue Kapazitäten für den Bau von Klimakillern schafft. Denn eins funktioniert nicht: sich hier im Öko-Prestige sonnen und dort mit CO2-Schleudern Kasse machen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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12 Kommentare

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  • Liebe Frau Krüger,

    macht man es sich nicht zu einfach, wenn man nur über Erdogan berichtet, wenn es doch um die Türkei und um die Freundschaft dieser zwei Länder geht? Ich kann ihn persönlich auch nicht leiden, jedoch sollte man nicht negativ über die komplette Türkei berichten. Es gibt auch eine Vielzahl von Menschen in der Türkei, die nicht mit Erdogan sympathisieren. Denen gegenüber wäre es total unfair, pauschal die Türkei, als ein unmodernes Land zu bezeichnen, wo es keine Menschrechte gäbe.

    Außerdem denke ich, das VW nicht in der Türkei investieren würde, wenn es sich finanziell nicht für den Konzern lohnen würde.

  • Das ist typisch VW. Erst betrügen, dann einem Diktator in die Karten spielen. Hoffentlich recht sich diese Strategie.



    Gut, dass es nicht nur VW gibt.

  • Danke an VW für die historische Entscheidung. Es gibt sehr viele türkischstämmige Mitarbeiter bei VW unter anderem meine Papa hat seine Arbeitsleben ca. für 35 Jahre zu Gunsten des Unternehmens bereitgestellt bzw. ein gesetzt. Das Unternehmens wird mit diese Entscheidung definitiv nicht enttäuschen wie einigen Unternehmen die im Lande seit Jahrzehnten profitieren.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Das finde ich gut.

  • İst daß nicht heuchlerisch? Wenn man bedenkt das in Russland,China oder Ägypten auch deutsche Autobauer ihre Fabriken stehen haben. Hat dort Mal ein Hahn danach gekräht.



    İch bin dafür das nirgends eine deutsche Fabrik stehen sollte,wo mit Menschenrechten gespielt wird. Aber bitte konsequent umsetzen. ich würde als Türke von diesem Artikel nur davon ausgehen dass mehr dahinter steckt als nur die einfache Kritik: Autokrat wird von VW unterstützt.

    • @Emil Werder:

      So sieht es aus. Danke für die glasklare Kommentare.

  • Wer ist Großaktionär neben Niedersachsen?

    Na, na....Katar?

    Wer ist der beste Buddy von Erdogan neben dem deutschen Staat?

    Richtig!!! Katar!

    Nein, natürlich wurde es abgewegt und ich bin ein, wie nennt man das Putin-Versteher?...ne, ne, Ver... -Theoretiker...alles Gute und herzlichen Glückwunsch

  • „Dieses große Geschenk hat der türkische Präsident Erdoğan wirklich nicht verdient“



    Man muss kein Freund Erdoğans sein – ich bin es auch nicht – aber den mehreren tausend Arbeitslosen sei es gegönnt, wenn sie in Lohn und Brot kommen. Dank eines Investors aus einem Staat, der dem System Erdoğan bekanntlich kritisch gegenübersteht.



    Wie würden Sie, Frau Krüger, es den Arbeitslosen in Manisa erklären, wenn aufgrund Ihres Kommentars VW dieses Projekt aufgibt und es nun doch nichts wird mit einem festen Job?



    Oder wenn VW das Produktionsprofil im Sinne des Umweltschutzes auf „Elektro“ umstellt? Erdoğan würde sich über diese noch größere „Geschenk“ noch mehr freuen! Aber das böse Erwachen für ihn und vor allem die Autobauer dort käme, wenn das Werk mangels Absatzes schließen muss. Weil die Voraussetzungen für Elektromobilität in der Türkei vermutlich noch schlechter sind, als hierzulande.



    Aber es wird wohl nicht ewig dauern, bis man auch in der Türkei Elektro-Mobil wird. Wenn sich mit Elektrofahrzeugen mehr Profit machen lässt, als mit Diesel und Benzinern, wird VW auch dort die Produktion sehr schnell auf Elektrofahrzeuge umstellen. In diesem Punkt ist auf den Kapitalismus Verlass!

    • @Pfanni:

      Ausserdem VW konnte in 2018 ca. 64.000 Fahrzeuge in der TR absetzen. Denken Sie bitte nach dass TR ein Land mit hohem Marktpotentiale und sehr junge Generation hat.

  • Yay! Deutschland, das Land der Energiewende, des Klima- und Umweltschutzes. Wer's glaubt ... Wer da wohl mal wieder (verantwortliche Parteien) gewählt hat ...

  • Zitat: "In Sonntagsreden Menschenrechte und Demokratie predigen, bei Entscheidungen aber darauf pfeifen"

    Woher die Enttäuschung? Alles beim alten bei der SPD! Ein Kühnert wird für die Jungen ins Rampenlicht geschoben, um eine soziale SPD zu mimen, die so schlicht nicht mehr existiert!

    Man muss schon ziemlich jung sein und wenn älter ziemlich naiv, um dass nicht schon zu wissen!

  • Aber, Frau Krüger, so ist das doch immer: wenn eine Produktionsstrecke in Deutschland durch eine neue ersetzt wird, wird die ausgemusterte in einem anderen Land weiter betrieben. Schauen Sie doch mal nach China oder Brasilien oder Südafrika: dort werden die VW-Modelle von vor 10, 20 oder 30 Jahren weiterhin produziert, nur die neuesten Modelle in Deutschland. Das ist rentable Industrieproduktion, so baut man Kostenvorteile und Weltmarktführerschaft auf. Sie als Wirtschaftsredakteuerin sollten das doch wissen. Und waren VW-Fabriken in Brasilien zur Zeit der Militärdiktatur dort oder Apartheid in Südafrika etwa besser? Immhin ist E. in einer demokratischen Wahl zum Staatspräsidenten gewählt worden und hat sich nicht an die Macht geputscht.