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Senat beschließt Diesel-FahrverboteTheoretisch gut, praktisch nicht

Kommentar von Stefan Alberti

Ohne realistische Möglichkeit, Umwelt-Ignoranten zu bestrafen, kann der neue Luftreinhalteplan der rot-rot-grünen Landesregierung nicht wirksam sein.

Schilder wie dieses auf dem Bild aus Mainz soll es künftig auch in Berlin geben Foto: dpa

S enatorin Günther setzt also auf Einsicht bei den Diesel-Durchfahrtverboten. Den Betroffenen, so sinngemäß ihre Sichtweise, liege doch selbst etwas an sauberer Luft, und darum würden sie dort, wo künftig keine Auto mit Dieselantrieb mehr unterwegs sein sollen, auch tatsächlich nicht mehr fahren. Und das soll sogar ohne die Aussicht funktionieren, andernfalls spürbar dafür bestraft zu werden und nicht nur mit bescheidenen 25 Euro.

Ohne zynisch werden zu wollen: breite Einsicht in die Notwendigkeit, das eigene Verhalten zu ändern? Da lebt die Senatorin auf einem anderen Planeten. Gäbe es dieses mitverantwortliche Denken, dann erübrigten sich viele Verbote, Gesetze und Strafandrohungen. Es bräuchte weder die Straßenverkehrsordnung noch das Strafgesetzbuch, die Zehn Gebote oder Überlegungen, Flüge teurer zu machen. Jüngstes Beispiel: die medial viel diskutierte, aber im Ferienalltag mit abermals wachsenden Passagierzahlen nicht spürbare Flugscham.

Einsicht ist nicht erkennbar

Dass das mit dem vielen Kerosin für die Triebwerke alles andere als toll ist, hält leider viel zu wenige davon ab, selbst nicht Richtung Übersee-Strand zu fliegen, sondern den Zug an die Adria zu nehmen oder zu viert das Auto. Wofür es dann alle möglichen Ausreden gibt bis dahin, man tue mit dem Fernurlaub schließlich etwas zur Völkerverständigung.

Ein Durchfahrtverbot macht nur Sinn, wenn es realistisch ist, Verstöße ahnden zu können. Das aber bedarf Erkennbarkeit und genug Personal bei der Polizei. Beides ist nicht gegeben. Wenn auf Bundesebene derzeit eine Plakette analog der zur Umweltzone nicht durchsetzbar ist, hätte Berlin eine landeseigene auf den Weg bringen müssen.

Eine Plakette nur für Berlin – 1,4 Millionen wären hier nötig – halte sie „für nicht administrierbar“, sagte Günther. Auswärtige, Pendler, sie alle würden von einer solchen Landesplakette nicht erfasst. Stimmt, dafür aber die, die die ganz, ganz große Mehrheit ausmachen, nämlich Berliner Fahrzeuge. Und das würde der unterbesetzten Polizei zumindest eine Chance geben, die Einhaltung des Verbots zu überwachen.

Verlorene eineinhalb Jahre

So aber bleibt das Durchfahrtverbot reine Theorie. Es demonstriert zwar nach außen hin guten Willen des rot-rot-grünen Senats, den Vorgaben des Gerichtsurteils aus dem vergangenen Herbst nachzukommen, wird absehbar aber nicht genug verändern an den Stickstoff­dioxidwerten. Das für diesen Fall angekündigte Nachsteuern nach einer Überprüfung im Jahr 2021 mag dann vielleicht weiterhelfen – doch bis dahin werden weitere eineinhalb Jahre im Kampf um sauberere Luft verloren sein.

Die anderen Maßnahmen des Luftreinhalteplans – Parken teurer machen, um Fahrzeuge aus der Innenstadt rauszuhalten, mehr auf Tempo 30 zu setzen und die landeseigenen Fahrzeuge umweltfreundlicher zu machen, vor allem die Busse der BVG –, sie verblassen leider, weil die Fahrverbote als meistdiskutierter Punkt reine Theorie bleiben.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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2 Kommentare

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  • Der Senat setzt hier offenbar nur das Minimum unwillig durch, das Gerichte vorgegeben haben. In freier Entscheidung koennte er natuerlich auch effektive, grossflaechigere Zufahrtbeschraenkungen einfuehren.



    Effektiv waere das so oder so mit einer elektronischen Erfassung der Nummernschilder (ohne Datenspeicherung bei legal fahrenden Autos) durchsetzbar.

  • Diese kleinen Verbote von Strecken von ein paar Hundert Metern, die unter 0.05 Prozent des Straßenverkehrs ausmachen, sind absolut lächerlich. In unserem Haus, das an einer vielbenutzten Straße mit hohen Ozon- und Feinstaubwerten liegt, werden wir weiter massiv vergiftet. Umziehen können wir nicht, da wir uns hohe Neumieten nicht leisten können.



    Abgesehen davon, dass Berliner Politiker* immer einen Anlauf von ein paar hundert Jahren brauchen, wird jedoch klar, dass in dieser extrem prolligen Stadt viel zu wenige vernunftbegabte Menschen leben, die gerne zu Fußgängern, Nahverkehrern bzw. Ersatzverkehrern und Radfahrer* mutieren wollen - selbst nach Jahrzehnten kindgerecht verabreichter Ratschläge nicht.



    Heute wieder, bei extremer Hitze im Dauerstau, fressen sie den Vernünftigen den Sauerstoff weg. Dabei machen Blechkisten fett, dumm und träge; mangels Bewegung funktioniert auch die Entschlackung der eingeatmeten Gifte nicht so gut wie bei den anderen Verkehrsteilnehmern. Nun gut, seien wir nicht zu negativ: Die Schrottmühlen haben eine wichtige evolutionäre Funktion, ihr Gebärmutter-Design samt Polstern gewöhnt einen schon früh an die spätere Zeit im Sarg. Ja, manche haben diese bereits vorsorglich auf dem Dach installiert. Sie tragen auch sonst dazu bei, dass Särge Konjunktur haben.