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Waldspaziergang im Hambacher ForstBagger kappen Wasser

Hunderte Menschen sind zum Spaziergang ins Braunkohlerevier gekommen. Der Veranstalter warnt, dass RWE den Wald zerstört, ohne ihn zu roden.

Auch ohne dass Bäume gefällt werden, sehen Aktivist*innen den Hambacher Forst in akuter Gefahr Foto: dpa

Hambacher Forst taz | „Ich bin öfters hier und ich sehe die Bagger näher kommen“, sagt der 14-jährige Jamilo. „Dieser Konflikt zwischen RWE und den Kohlegegnern muss enden. Es kann nicht sein, dass RWE hier buddelt und buddelt und niemand sie stoppen kann. Und die Landesregierung und RWE“ – er verschränkt die Finger ineinander – „so zusammenarbeiten.“

Jamilo ist einer von 600 bis 700 Menschen, die diesen Sonntag zum Waldspaziergang in den Hambacher Forst gekommen sind. Aufgerufen hatten auch zahlreiche Umweltverbände. Denn: Der Wald sei in Gefahr.

„Wie geht es dem Wald gerade? Dem Wald geht es schlecht“, sagt Veranstalter Michael Zobel zu Beginn des Spaziergangs. „Wir werden hier nachher Hunderte von toten Fichten sehen. Wir werden im Wald Eichen sehen, die ums Überleben kämpfen, die es vielleicht nicht schaffen. Da sagt RWE immer, damit hätten sie nichts zu tun.“

Der Spaziergang startet im Dorf Manheim. Vernagelte Fenster, verlassene Häuser. Häuser im Abriss, die entweihte Kirche, Stacheldraht. Kaum noch zehn Menschen leben hier. Sie wollen nicht an RWE verkaufen, sagt Zobel.

„Wir müssen hier sein“

Die 19-jährige Roxana engagiert sich bei Fridays for Future und Extinction Rebellion. Sie ist aus München gekommen und zum ersten Mal am Hambacher Forst. „Es regt mich mega auf. Manheim ist wahnsinnig schön, die Häuser sind so alt. Ich studiere Geschichte und ich kann nicht fassen, dass die Kirche abgerissen werden soll. Obwohl hier eh keine Kohle mehr abgebaut wird“, sagt sie.

Viele Menschen, die zum Spaziergang gekommen sind, sagen, sie seien wütend. Denn die Politik tue nichts, um Wald und Dörfer zu schützen. „Wir müssen hier sein, zivilen Ungehorsam ausüben und die Aktivisten unterstützen“, sagt der 53-jährige Steffen.

Rund um den Tagebau senken 1.700 Pumpen das Grundwasser von 15 auf 400 Meter ab

Auf dem Weg vom Dorf in den Wald und zum Tagebaurand, wo ein Bagger kaum noch 50 Meter von den Bäumen entfernt steht, legt Zobel regelmäßige Pausen ein und erklärt die Lage. „Wir sehen hier überall die blauen Container, die grünen Kisten, die Bauzäune. Das sind alles Pumpen. Rund um diesen Tagebau gibt es etwa 1.700 Pumpen, die das Grundwasser von 15 auf 400 Meter abpumpen. Das wirkt sich weit über dieses Gebiet hinaus aus.“

RWE baggert immer näher an den Wald

Der Hambacher Forst lebt nicht vom Grundwasser, sondern nur vom Niederschlag. „Wir haben in Bodentiefen von 6 bis 10 Metern Schichten, die das Wasser stauen“, sagt Zobel. „Wenn aber solche Sommer wie im letzten Jahr kommen, dann gibt es dieses Wasser nicht. Und wenn RWE immer näher an den Wald baggert, werden die niederschlagspeichernden Schichten angeschnitten und das Wasser läuft zur Seite weg.“ Und genau das mache RWE, sagt Zobel. „Sie haben einen Weg gefunden, wie man den Wald vernichten kann, ohne ihn roden zu müssen.“

RWE hat ein Gutachten veröffentlicht, laut dem der Wald nicht gefährdet würde. „Letztes Jahr hieß es von RWE: ‚Nein, auch wenn wir den Wald erhalten wollten, das geht gar nicht. Die Böschung ist jetzt schon zu steil‘“, sagt Zobel. „Da war die Böschung noch 600 Meter weg vom Wald. Jetzt baggern sie bis auf 50 Meter ran.“

RWE hingegen sagt, die Bedingungen hätten sich geändert und die Böschung sei nun doch nicht zu steil. Der Bagger gefährde den Erhalt des Waldes nicht. „Sie wollen den Wald vernichten!“, ruft Zobel. „Und wer sagt Stopp?“

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1 Kommentar

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  • Tatsächlich sinkt durch den Braunkohletagebau der Grundwasserspiegel in einem Radius von ca. 60 km rund um die Gruben immer mehr ab, was schon jetzt katastrophale Auswirkungen auf die Natur zeigt: Viele Kleingewässer und Sumpfgebiete sind längst trockengefallen, Bäche versiegt und Wälder fast ganzjährig so trocken, dass Waldbrandgefahr besteht. Bäume, die mit der Trockenheit nicht klarkommen, nehmen Schaden und ganze Ökosysteme kollabieren, weil der Wandel so schnell stattfindet (übrigens unabhängig von den aktuellen Dürresommern). Die Landwirte sollten sich lieber darüber beschweren als über Aktivisten, die ihre abgeernteten Felder betreten, aber noch können sie ja ihre armdicken Pumpenschläuche in die letzten verbliebenen Gewässer hängen um mit dem gepumpten Wasser ihre Maisfelder zu sprengen bis kein Wasser mehr da ist, danach werden dann neue Tiefbrunnen gebohrt.

    Die Maßnahmen bzw. "Versuche" der RWE, mit Grubenwasser aus dem Tagebau über viele kilometer lange Pipelines den Grundwasserschwund auszugleichen, sind längst an ihre Grenzen gekommen und selbst der Rhein, als Joker gegen Grundwasserschwund geführt, hat nicht mehr genügend Wasser.

    Wir sehen: Es kommt nicht nur auf einen kleinen Restwald oder ein paar evtl. noch zu rettende Dörfer, auf CO2 und andere Klimafaktoren an, sondern es geht um gigantische ganzheitliche Schäden, die weit über die reinen Braunkohletagebaugebiete hinausgehen.