Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Teurer Tee, billige Arbeitskraft
Eine Studie kritisiert die Situation von Pflückerinnen in der indischen Region Darjeeling. Firmen in Deutschland widersprechen den Vorwürfen.
Selbst bei gutem Willen und hohen Ansprüchen geraten Firmen in Konflikt mit den sozialen Problemen der globalisierten Produktion. „Edle Tees für Hungerlöhne“ lautet der Titel einer neuen Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht. Auch teurer Tee, ein Lieblingsgetränk der Deutschen, kommt demnach aus der indischen Region Darjeeling, wo die Pflückerinnen angeblich für erstaunlich wenig Geld und unter teils beklagenswerten Bedingungen arbeiten.
Studienautor Benjamin Luig analysiert die Zustände auf vier Plantagen in der Region südlich des Himalaja-Gebirges, die unter anderem die deutschen Importeure Hälssen & Lyon, Dethlefsen & Balk, Hamburger Teespeicher, Teekampagne, Teegschwendner und Edel Tee beliefern. Die Plantagen konnten oder können Zertifikate der sogenannten Rainforest Alliance beziehungsweise von Fairtrade nachweisen. Diese Organisationen garantieren eine besonders hohe soziale und ökologische Qualität.
Dennoch würden die befragten Tee-Pflückerinnen solche Missstände benennen, heißt es in der Studie: Der Tariflohn von 176 Rupien pro Tag (2,25 Euro) reiche nicht, um die Grundbedürfnisse zu decken. Teilweise müssten die Beschäftigten Arbeitskleidung wie Regenschutz und Gummistiefel selbst bezahlen. Die Unterkünfte auf den Plantagen seien oft marode. Es mangele an Trinkwasser und Toiletten.
Unternehmen widersprechen
Günter Faltin, Gründer der in Potsdam ansässigen Teekampagne, weist die Vorwürfe zurück. Koste ein Kilo Tee im hiesigen Verkauf 32 Euro, flössen davon 17 Euro an die Plantage. „Wir zahlen gute Preise“, so Faltin. Zum Lohn von 176 Rupien täglich müsse man weitere Zahlungen wie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung addieren.
Zu Luigs Forderung, die Plantagen zu jährlichen Bonuszahlungen zugunsten der Arbeiterinnen zu verpflichten, sagt Faltin: „Ich würde gerne die Löhne erhöhen.“ Kirchen und Gewerkschaften in Indien hätten der Teekampagne aber geraten, sich nicht in die „indische Innenpolitik“ einzumischen. Schließlich liege die Tarifpolitik in der Verantwortung der örtlichen Organisationen.
Teegschwendner aus dem rheinischen Meckenheim erklärt: „Wir tragen durch Zahlen von fairen und höchsten Preisen zu einer positiven Entwicklung in den Teeregionen bei.“ Zusätzlich zum Lohn würden die Arbeiterinnen subventionierte Grundnahrungsmittel erhalten und Unterkünfte auf den Plantagen zur Verfügung gestellt bekommen.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung verbindet die Analyse mit der Forderung nach einem „nationalen Lieferkettengesetz“. Der Entwurf dafür liegt schon im Bundesentwicklungsministerium. Bundesdeutsche Produktionsfirmen und Händler würden verpflichtet, Sorge für Menschenrechte und Umweltschutz bei ihren weltweiten Zulieferern zu tragen. Wenn Gewerkschaften und einheimische Unternehmen in einem Land wie Indien freilich unabhängige Tarifverhandlungen führen, ließe sich gegen die vereinbarten Löhne auch mit einem solchen Gesetz wohl wenig ausrichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen