: Flaute bei den Frauen
In St. Peter Ording haben sich Surfer beim Multivan Windsurf Cup gemessen. Auf den Brettern standen fast nur Männer. Sportlerin Lena Erdil kritisiert Bedingungen für Frauen
Von Julika Kott
Es ist der erste Wettbewerb seiner Art in Sankt Peter Ording und trotzdem ist alles so wie eigentlich immer, wenn sich in Deutschland Surfer in ihrer Sportart messen: Auf den Brettern stehen, die bunten Segel fest im Griff, fast nur Männer. Beim Multivan Windsurf Cup, dem Jahresranglistenwettbewerb der German Windsurfing Association (GWA) war Lena Erdil vom 4. bis 7. Juli als einzige Frau dabei.
Das Seebad in Nordfriesland ist der zweite Halt der deutschen Meisterschaftsserie im Windsurfen. An verschiedenen Stationen in unterschiedlichen Orten treten Teilnehmende in vier Disziplinen an, um Punkte zu sammeln – Racing, Slalom, Wave und Freestyle. Die Windsurf-Saison startete Anfang Juni auf Sylt, enden wird sie in Kellenhusen Ende August. Wer am Ende die meiste Punkte errungen hat, gewinnt. So weit, so gut. An der Besetzung des Wettbewerbs gibt es jedoch Kritik.
„Frauen sind im Windsurfen weitestgehend unterrepräsentiert und schlechter bezahlt“, sagt Erdil. Sie ist zweimalige Weltmeisterin der International Funboard Class Association (IFCA), einem der wichtigsten Wettstreite der Welt, sowie dreimalige Slalom-Vizeweltmeisterin. Erdil bedauert, dass sie die einzige Wettbewerberin in Sankt Peter Ording ist. Zwar sei Windsurfing eine männerdominierte Sportart und dementsprechend gebe es weltweit deutlich weniger professionelle Windsurferinnen, aber in anderen Ländern seien die Bedingungen besser als hierzulande. „Da ist etwas schiefgelaufen in Deutschland.“
Erdil spielt damit auf eine Regelung des Deutschen Segler-Verbandes an. Der DSV gibt eine MindestteilnehmerInnenzahl an, damit Regatten in einer Jahresrangliste gewertet werden. Bei Männern seien es zehn Aktive, bei Kindern, Jugendlichen und Frauen fünf, erklärt Bernd Himmer vom DSV. Diese Zahl sei nicht zu hoch.
Mindestens fünf Windsurferinnen müssen sich also für die Serie anmelden, damit sie als Gruppe antreten und eigene Wertungen bekommen können. Ansonsten kommen sie in die Männerwertung. Das macht Windsurferinnen wie Erdil jedoch keinen Spaß: „Selbst ich als World-Cup-Windsurferin habe keine Chance gegen die Profi-Männer.“
Diese Frustration teilt auch Caroline Weber. Die Windsurferin aus Hamburg war Neuntplatzierte beim Windsurf World Cup 2013. Im selben Jahr nahm sie auch am Multivan Surfcup auf Sylt teil – danach nicht mehr. „Das lag daran, dass es keine extra Wettfahrten für Frauen gab und ich das Gefühl hatte, dass es unter den Männern nicht gerne gesehen war“, blickt sie zurück. Sie habe sich von männlichen Surfern oft blöde Sprüche anhören müssen. „Da verliert man die Motivation, in Deutschland bei Wettbewerben anzutreten“, sagt Weber.
In anderen Ländern gibt es Mindestteilnehmerinnen-Regelungen nicht. Auch Matthias Regber, Geschäftsführer der Eventagentur Choppy Water, die den Windsurf Cup ausrichtet, sieht in Deutschland eine negative Entwicklung. Die Zahl der Frauen nehme sogar ab: „Es gab nie mehr als sieben Teilnehmerinnen in den letzten 20 Jahren.“ Sogar die Maßnahmen der positiven Diskriminierung – etwa die geringere Mindestteilnehmerinnenzahl von Frauen im Vergleich zu Männern und ein reduziertes Meldegeld – reichten nicht aus, um Frauen für kompetitives Windsurfen zu begeistern.
Weber und Erdil möchten die aktuelle Mindestteilnehmerregel infrage stellen, da sie den Frauenmangel im Profisport verstärke: Die Voraussetzungen des DSV seien unrealistisch und demotivierten Frauen. Wenn Frauen sich gezwungen sehen, mit Männern fahren zu müssen, sänken die Chancen auf eine gute Platzierung – und der Spaß am Surfen. Lena Baasch von Choppy Water, spricht deshalb von einem „Teufelskreis“.
Durch ihre Teilnahme bei dem Wettbewerb möchte Erdil selbst andere Frauen für das Windsurfen motivieren. Sie engagiert sich für weiblichen Nachwuchs und organisiert sogar ein „Girl’s Camp“, wo junge Mädchen kostenlos Windsurfen lernen können.
In Sankt Peter Ording hat die Sportlerin den 14. Platz von 58 Teilnehmern belegt und surfte damit im vorderen Feld der Männer mit. „Sie ist unglaublich gut gewesen“, sagt Baasch. Einen Ehrentitel als „beste Dame“ bekomme sie als einzige Frau ohnehin. Und auch wenn das manchmal von anderen Teilnehmern belächelt werde,habe sich Erdil die zusätzliche Ehrung mehr als verdient, meint Baasch. „Sie war besser als der Großteil der Männer.“
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