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Braune Bande

Gut gehende Geschäfte: In Neumünster etabliert sich eine Mischszene aus Rockern und Rechtsextremen. Altbekannte Szenegrößen tauchen wieder auf

„Bei uns trainieren Hooligans und Ingenieure, ringen Skinheads mit Schwarzafrikanern und Türken“

Tim Bartling, Gründer des Athletik-Klubs Ultra

Von Andreas Speit

In Neumünster haben gleich zwei neue Tattoo-Studios aufgemacht – in bester Lage, knapp fünf Gehminuten voneinander entfernt. Beide Läden, der „Famous Tattoo & Lifestyle Store“ im Einkaufszentrum Holsten-Galerie und das „Notorious Ink“ am Großenflecken, gehören einem Betreiber, der Männer um sich schart, die einer Mischszene aus Rockern und Rechtsextremen angehören. In der schleswig-holsteinischen Stadt wollen sie ihre Macht ausbauen und ihren Markt erweitern.

All das wird deutlich an einer Person: Peter Borchert. Das Mitglied des Motorradklubs Bandidos ist zwar nicht der Inhaber der neuen Läden, mit diesen aber eng verbunden. Im Vorgängerladen in der Holstenstraße ging er ein paar Tage vor dem Umzug ganz selbstverständlich mit „Peter, hallo“ ans Telefon und versprach dann, dass sich der Geschäftsführer melden würde – freundlich darum bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, er gehöre zum Geschäft.

Borchert hat eine markante Erscheinung. Er ist drahtig, aber durchtrainiert und stark tätowiert. In Neumünster ist er lange bekannt. Zunächst jedoch nicht als Rocker, sondern als Rechtsextremist.

In der Szene machte der heute 45-Jährige schnell Karriere. Vom Frühjahr 2001 bis August 2003 hatte er den NPD-Landesvorsitz inne, war bei den Autonomen Nationalisten aktiv und gehörte zu den Machern des „Club 88 – the very last resort“. 1996 eröffnete der Klub mit der eindeutigen Botschaft „Heil Hitler – die allerletzte Zuflucht“ in Neumünster.

Der Laden, der offiziell von einer Frau geführt wurde, machte 2004 dicht, weil sich die Szene umstrukturierte und fortan eher die Gaststätte „Titanic“ besuchte. Diesen Treffpunkt gibt es noch heute.

Borchert engagierte sich mehr und mehr im Rockermilieu. Es ist jedoch nicht bekannt, dass er sich je von seiner rechtsextremen Vergangenheit distanziert hat. Im Gegenteil: Vor zehn Jahren versuchte er als damaliger Vizepräsident des „Probationary Chapter Neumünster“ für die MC Bandidos den Einfluss der Rocker in Neumünster auszubauen und warb um Mitglieder in der rechtsex­tremen Szene. 2010 verbot das schleswig-holsteinische Innenministerium das Chapter. An anderen Orten ist der Motorradklub jedoch weiterhin aktiv, auch unter dem Namen Bandidos. Verboten ist er nur in Neumünster.

Der Grund waren Drogen, Waffen und Prostitution – das Landeskriminalamt zählt die Bandidos zur organisierten Kriminalität. Auch Borchert sei „eine Person, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen“ sei, heißt es von der Polizei Neumünster. Die Eröffnung des neuen Tattoo-Studios im Einkaufszentrum habe man im Blick und auch, wer dahinter stecke.

Der offizielle Mieter des Ladens und Geschäftsführer ist Christian Franz. Der Umzug in die Holsten-Galerie ist nicht bloß ein Imagegewinn. „Strategisch interessanter“, erklärt er die Neueröffnung am besseren Standort auf Nachfrage der taz. Im Impressum der Website taucht dann aber nicht Franz, sondern ausschließlich Matthias Stutz auf, ebenfalls Mitglied bei den Bandidos.

Und es gibt ein Foto, auf dem Stutz und Peter Borchert lässig am Eingang des alten Tattoo-Studios an einer Säule lehnen. Stutz, Spitzname „Lütten Mann“, war anfänglich bei den Hells Angels in Hamburg. Nachdem er diesen Klub verlassen musste, wechselte er zu den Bandidos.

Mit Franz betreibt Stutz nicht bloß das Tattoo-Studio. Am Brunnenkamp in Neumünster führen sie auch die Eckkneipe „The Edge“, die sie selbst „Lifestylebar“ nennen. Der Laden soll gut laufen und längst zu einem Treffpunkt von Mitgliedern, „Fans“ und Junkies geworden sein, heißt es aus der Szene.

Am Telefon wollte Geschäftsführer Franz über die beiden Rocker in seinem Leben und über deren Rolle in seinem Geschäft nicht sprechen. Per Kurznachricht teilte er zuvor mit, dass Stutz zwar „angestellter Mitarbeiter im Bereich Shop-Management“ des Tattoo-Studios sei, dass zu Borchert aber „keine geschäftlichen Verbindungen“ bestünden. Dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass Borchert stärker in die Geschäfte involviert ist.

Bei der Eröffnungsparty des „Famous Tattoo – Lifestyle Store“ war er natürlich dabei. Schon im Vorgängerladen in der Holstenstraße, ebenfalls ein Tattoo-Studio, soll der 45-Jährige ständig anwesend gewesen sein – nicht nur, als die taz anrief.

Eine Person, die auf keinen Fall namentlich genannt werden möchte, berichtet, dass Borchert am alten Laden gemeinsam mit weiteren Männern Anwohner bedroht habe. Auch der vermeintliche Anlass der Drohung solle nicht in der Zeitung stehen, damit Borchert keine Rückschlüsse ziehen könne. Die Angst vor den meist mehrfach vorbestraften Männern ist groß.

Denn es gibt noch weitere einschlägige Personen in der Neumünsteraner Mischzene aus Rockern und Rechtsextremen: Einer von ihnen ist Alexander Hardt. Auch er ist Mitglied der Bandidos, wirkte früher bei den Autonomen Nationalisten mit und besuchte den Club 88.

Täter schmieren „C18“ auf einen Grabstein

Im Jahr 2003 wurde ein Gedenkort in Neustadt/Holstein geschändet, der an die jüdischen Opfer der „Cap Arcona“-Tragödie von 1945 erinnert. Auf einen Grabstein hatten die Täter mit roter Farbe die Zeichen „C18“ auf einen Grabstein geschmiert und ein aufgeschlitztes Ferkel zurückgelassen. Das militante Netzwerk „Combat 18 Deutschland“ bekannte sich auf seiner Webseite zu der Schändung – und auf Hardts Computer fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung Teile des Bekennerschreibens. Hardt wurde jedoch in einem Verfahren freigesprochen.

Zu Combat 18 gibt es auch einen aktuellen Bezug. Zu diesem Netzwerk soll der mutmaßliche Mörder des Regierungspräsidenten in Kassel, Walter Lübcke (CDU), gute Beziehungen gehabt haben. Und auch Bandido Borchert stand mit Combat 18 in Verbindung. Er soll die Gruppe „Combat 18 Pinneberg“ mit Waffen versorgt haben und wurde wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt.

Es war nicht Borcherts erste Verurteilung. Mehr als zehn Jahre seines Lebens saß er schon im Gefängnis. Als Jugendlicher wurde er wegen eines Tötungsdelikts verurteilt. Verfahren wegen Körperverletzungen und Einbrüchen folgten. 2011 verurteilte das Landgericht Kiel Borchert wegen eines Messerangriffs zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Glaubt man den Gerüchten im Rockermilieu, so soll Hardt Borcherts Geschäfte derweil geregelt haben.

Kampfsport ist für Rechtsextremisten wichtig

In Neumünster gibt es noch weitere Strukturen dieser Mischszene: Schon 2002 gründeten Unterstützer des Clubs 88 den „Athletik-Klub Ultra e. V.“, der sich auf seiner Website selbst als „Fight-Club ‚numero uno‘“ bezeichnet. Gründer Tim Bartling versucht mit der Kritik an seinem Kampfsportklub aufzuräumen. Er schreibt auf der Website, dass es wahr sei, dass er aus der „subkulturellen Skinheadbewegung“ stamme, doch auf der Matte seien alle Menschen gleich. „Bei uns trainieren Hooligans und Ingenieure, boxen Rocker mit Zahntechnikern, ringen Skinheads mit Schwarzafrikanern und Türken.“ Und weiter: „Wir verstehen uns als eine Familie, ohne uns selbst dabei aufzugeben.“ 2016 wurde der Athletik-Klub Ultra nach antirassistischen Protesten von einem MMA-Turnier in Berlin ausgeschlossen.

Im aktuellen Verfassungsschutzbericht stellte auch die Bundesbehörde eine „gestiegene Bedeutung von Kampfsport für Rechtsextremisten“ fest. Diese Mischszene, in der auch Kampfsportler mitmischen, gibt es in Neumünster schon seit zehn Jahren. Vor allem im Türsteher- und Security-Geschäft begegneten sich die Szenen, erzählen Insider.

Bei allen Differenzen fänden sich im Gruppenverhalten der Rockerklubs Einstellungen, die Rechtsex­tremen entgegenkommen, erklärt Johanna Sigl vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus.Sie hätten nicht bloß „gewalttätige Männlichkeitsentwürfe“ gemein, die mit einem „Frauenhass“ verbunden seien, sagt Sigl. Beide Gruppen würden sich auch gern als „elitäre Outlaws“ inszenieren. Der Hang zu Waffen als Mittel und Fetisch verbinde.

Borchert stimmte dem in einem Gespräch während einer Verhandlungspause im Gericht einmal unwissentlich zu: „Eine Pistole, die Macht, das hat natürlich etwas“, sagte er gegenüber der taz. Als brutaler Rocker oder dumpfer Rechtsextremer möchte er aber nicht verstanden werden. Im Gefängnis habe er viel über die „Konservative Revolution“ gelesen – eine antiliberale, antidemokratische und antiegalitaristische Geistesströmung der Zwanzigerjahre. Einer der Autoren: Ernst Jünger, der die Figur des Anarch entwarf, eine Person, die sich durch keine Macht, kein Gesetz oder keine Gewalt etwas vorschreiben lässt, sondern „entschlossen Widerstand“ leisten würde.

Für Borchert ist das Rockerleben so auch sein persönlicher „antibürgerlicher Lebensstil“. Dennoch scheint er gute Beziehungen in Neumünster zu haben. Bis heute ist ungeklärt, warum Polizeibeamte bei der Durchsuchung von Borcherts Wagen interne Polizeidokumente fanden – versehen mit dem Kürzel des damaligen stellvertretenden Leiters der Soko Rocker beim Landeskriminalamt.

Bei denen, die in Neumünster leben, rufen solche ungeklärten Vorfälle große Sorge hervor: „Neumünster entwickelt sich zum Rocker-Nazi-Treffpunkt“, sagt die Person, die nicht namentlich bekannt werden möchte. Die Polizei schaue zu, die Behörden handelten aber nicht.

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