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Kommentar ProstituiertenschutzgesetzWider besseren Wissens

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Das Gesetz zeigt nicht die erwünschten Wirkungen. Statt dessen bestätigt eine Studie aus NRW die Vorbehalte die es vor der Einführung gab.

Protest gegen die Sitgmatisierung von Sexarbeiter*innen Foto: imago images /IPON

D ie Bundesregierung sollte auf Menschen hören, die betroffen sind oder sich zumindest auskennen. Das zeigt die erste Evaluation des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen. Die Befürchtungen von Sexarbeiterinnen und Fachberatungsstellen, dass das Gesetz keinesfalls besseren Schutz von Sexarbeiterinnen bedeutet, haben sich bewahrheitet. Die Auflagen sind für viele Sexarbeiterinnen bestenfalls realitätsfremd und haben schlimmstenfalls erschreckende Verschlechterungen für die Frauen zur Folge.

Sollte stärkere Kontrolle der vielfältigen Szene das Ziel gewesen sein, wie vor Einführung des Gesetzes oft vermutet, zeigt sich leider, dass die Bundesregierung auch hier falsch lag: Die Szene wird nur diffuser und schwerer kontrollierbar. Die Bundesregierung schafft durch ein Gesetz, das entweder mit mangelndem Fachwissen oder wider besseren Wissens auf den Weg gebracht wurde und ganz offensichtlich nicht an der Realität orientiert ist, ein Dunkelfeld, das größer ist als bisher. Kriminalisierte Frauen werden für offizielle Stellen in Zukunft kaum noch zugänglich sein.

Die gute Nachricht: Es gibt Ministerinnen wie Ina Scharrenbach (CDU), die eine offenbar an der Sache orientierte Politik macht. Die qualitative Studie, die ihr Ministerium förderte, taucht tief ein in die Szene und beschreibt detailreich und differenziert die Auswirkungen des Gesetzes – und das bei einem Thema, das die Union sonst restriktiv angeht und ohnehin nur mit spitzen Fingern anfasst.

Scharrenbach macht, was die Bundesregierung verweigert: Sie bindet eine Fachstelle in die Evaluierung ein, die in der aufsuchenden Beratung aktiv ist und Forscherinnen Kontakt zu Prostituierten ermöglicht. Sie bezieht sich ohne Berührungsängste auf die Arbeit der vorherigen rot-grünen Landesregierung. Und sie kündigt an, die Ergebnisse der Studie zu nutzen, um Fehlentwicklungen ­entgegenzuwirken. Eine Evaluation der Bundesregierung steht 2022 an. Die Vorarbeit aus NRW sollte unbedingt ihr Vorbild sein.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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9 Kommentare

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  • Die hier in Rede stehende Studie ist revolutionär. Als ich begann, sie zu lesen und sah die Autoren sind katholische Frauen, war ich mehr als skeptisch. Im weiteren Verlauf habe ich das Dokument jedoch verschlungen wie einen Roman von Stephen King. Die Ausführungen sind so etwas von aufschlussreich und Mythen, wie alle Prostituierten werden zu ihrer Tätigkeit gezwungen und/oder sind auf einem Loverboy hereingefallen, wirken auf einmal abwegig. Sexarbeiterinnen wissen eben doch was sie tun und sollten von uns allen geachtet werden.

  • Liebe TAZ, gibt es die Studie irgendwo irgendwie auf dem Internet zu lesen? Falls ja: bitte einen Link dahin einbauen!



    Falls nein - wäre es möglich, die Daten, die diesem Artikel zugrunde liegen, bitte zu veröffentlichen?



    Danke!

  • Nach dem Rezo-Video kann es doch niemand mehr überraschen: Die CDU macht nonstop Politik wider besseres Wissen, in allen Fragen. Ideologie ist bei denen alles. Abwählen.

  • Und schon wieder dieses Dummdeutsch in der Überschrift. Es heißt "Wider besseres Wissen". Das sollte der taz schon seit 5 Jahren klar sein:

    www.taz.de/!5032412/#bb_message_3238850

  • Interessant, ich habe die Debatte verfolgt, aber dass ist auch schon wieder eine Weile her, konkrete Punkte die schlecht laufen hätten mich schon interessiert da ich bisher in keinem anderen Medium über die Studie gelesen habe.

    • @wirklich?:

      Dieser Artikel ist ein Kommentar zu dem Thema.



      Mehr Informationen sind im verlinkten Artikel zu finden.

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Weil sich mensch nicht an ein Gesetz hält, muss es weg ....

    Wir müssen die Beschaffungskriminalität durch die Freigabe von Drogen unnötig machen (und damit wirksam die Mafia austrocknen) und wir müssen wegen der Würde des Menschen verbieten, das unter Ausnutzung von z. B. Armut Täter*innen Menschen vergewaltigen dürfen.

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Die Idee Drogen zu legalisieren gibt es ja schon und angesichts jahrzehntelanger erfolgloser Drogenpolitik scheint diese Idee auch gar nicht schlecht.



      Was Sie mit Menschen vergewaltigen unter Ausnutzung von Armut meinen, erschließt sich mir gerade nicht. Wo gibt es das - oder gibt es das nur in Ihrem Kopf?