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Gastkommentar Polizei auf der FusionTanzen ist kein Verbrechen

Gastkommentar von Katja Kipping

Die Fusion ist ein Ausflug in eine freie Welt. Dass der Polizeipräsident mit einem höheren Gewaltaufkommen rechnet, ist rein politisch motiviert.

Ferienlagerkommunismus also Foto: dpa

E s ist wohl der größte Angriff auf „Deutschlands wildestes Techno-Festival“ (Bild) seit seinem Bestehen. Die Neubrandenburger Polizei will auf dem Gelände der Fusion im mecklenburgischen Lärz zum ersten Mal eine mobile Polizeiwache installieren. Für die Fusion, die wie kaum ein anderes Festival für eine freie, friedliche und ungezwungene (Party-)Kultur steht, könnte das das Ende bedeuten.

Die Fusion ist mehr als ein Gute-Laune-Festival oder Ferienkommunismus – was es aber unbedingt auch ist –, sondern sie ist auch ein Freiraum für all jene, die sich gerade im ländlichen Raum gegen eine rechte Jugend- und Alltagskultur stellen. Und das in einem Ost-Bundesland, in dem die AfD aktuell in den Umfragen bei um die 20 Prozent steht. Auch deshalb unterstützte ich die Fusionist*innen gegen rechten Mief und spießiges Obrigkeitsdenken. Denn die Beschränkung dieser Gegenkultur wäre für viele das Ende ihres jährlichen Ausflugs in eine Welt, wie sie sein könnte: frei, solidarisch und egalitär.

Die Veranstalter haben in den über 20 Jahren, die es die Fusion gibt, nie wirkliche Probleme mit der lokalen Polizei gehabt. Angesichts einer Teil­neh­mer*innenzahl von 70.000 Menschen zeigt das nicht nur, wie gut das Sicherheitskonzept der Veranstalter*innen funktioniert. Die Fusion steht damit auch für einen besonders umsichtigen Umgang der Besucher*innen untereinander.

Dass der neue Polizeipräsident Hoffmann-Ritterbusch jetzt mit einem höheren Gewaltaufkommen rechnet, ist rein politisch motiviert. Am 26. Mai sind nicht nur Europawahlen, sondern auch Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Hoffmann-Ritterbusch gilt als enger Vertrauter des CDU-Innenministers Caffier. Der oberste Landes-Sheriff lässt nicht nur die antifaschistische Rostocker Band „Feine Sahne Fischfilet“ vom Innenministerium beobachten, sondern will sich im populistischen Kontrollwahn gegen die linke Fusion offenbar sein eigenes Denkmal setzen. Es wäre ein Denkmal gegen die Freiheit von Kunst und Kultur.

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9 Kommentare

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  • Jawoll! Schaffen wir friedliche Festivals endlich ab und subventionieren lieber so Schild und Schwert Zeug.



    Die doofen alternativen FreiheitsliebhaberInnen!



    Da bekommt man auch immer so schwer V-Leute eingeschleust!

  • Das Konzept der Fusion baut darauf auf, dass kollektive Erfahrungen in alternativen Räumen - die in Eigenverantwortung geschaffen werden und nach einer anderen als der gesellschaftlichen Logik funktioniert - gemacht werden können. Das ist unter polizeilicher Überwachung nicht mehr möglich.Die Fusion war auch immer ein Experimentierfeld , wie eine Gesellschaft verändert werden kann.

    • 8G
      83421 (Profil gelöscht)
      @Kata:

      Klingt irgendwie esoterisch!

      • 7G
        7363 (Profil gelöscht)
        @83421 (Profil gelöscht):

        Überhaupt nicht esoterisch. Es geht hier einfach um die ganz konkrete Frage von Freiraum vs Gesellschaftskontrolle. Und auch privat vs öffentlich zugänglich.

        Das einzige was esoterisch ist, sind die Erfahrungen die manche auf der Fusion machen wollen. Aber genau um diese Freiheit geht es ja.

  • 8G
    83421 (Profil gelöscht)

    ''Die Neubrandenburger Polizei will auf dem Gelände der Fusion im mecklenburgischen Lärz zum ersten Mal eine mobile Polizeiwache installieren. Für die Fusion, die wie kaum ein anderes Festival für eine freie, friedliche und ungezwungene (Party-)Kultur steht, könnte das das Ende bedeuten.''

    Warum?

  • Die Rechtsstendenzen in einer Gesellschaft haben stets mit neid und Mißgunst zu tun,die aus wachsender Ungleichheit resultiert und durchaus ihre Berechtigung hat,die abergegenüber denen ohnmächtig ist,die wirklich beneidenswert sind und die Mißgunst durchaus verdienen.



    Seit Jahren hören wir,dass die Schere der Ungleichheit in unserer Gesellschaft weiter auseinander geht.Politisch wird das immer weiter geduldet,wenn nicht sogar gefördert.Die AfD fiel nicht vom Himmeldie CDU/CSU war ja "immer" schon da.



    Die AfD rekrutiert sich aus denen,die selbst in der CDU nicht zu den Gewinnern gehören,denn die Spitze der Pyramide der Gewinner ist sehr klein.



    Um zu profitieren von der Ungleichheit,muss man es in der Parteienhierarchie schon ziemlich weit nach oben geschafft haben.



    Wird man ausgebremst oder bleibt in der Parteienhierarchie durch Mißgunst der eigenen "Parteifreunde" stecken,dann eignet man sich nicht für Führungspositionen.Das hat ewas von militärischem Ranggefüge.



    Was hat das alles mit einem Fusionfestival zu tun?



    Erstmal nichts.Aber es drängen die heran,die bei dem hedonistischen Spaß nicht länger zusehen können,aber auch nicht mitmachen können,aus vielerlei Gründen.



    Sei es,dass sie für sowas zu wenig Geld haben,zu wenig Zeit,die falschen Drogen nehmen.Dann beginnt sich dieser Teil der Gesellschaft zu fragen,wieso man sich von denen,vorführen lassen soll?Wieso man das dulden soll,wenn man selbst nicht mitspielen darf.Wie bei den Flüchtlingen durch die kein einziger Hilfeempfänger weniger Zuwendung bekommt,jedoch erlebt,wie einer der neu ins Land kommt all das erhält,wofür er selbst erst gefühlt jahrelang Steuern gezahlt hat.Gefühlt sage ich deswegen,weil er die Hilfe auch bekäme,wenn er selbst nie Steuern gezahlt hätte.Weil man nicht so böse sein will und so mißgünstig das Spektakel ganz zu verbieten,entschließt man sich erstmal,den Leuten,die sich zu dem Ringelpietz versammeln, genauer auf die Finger zu schauen.

    • 7G
      7363 (Profil gelöscht)
      @Markus Müller:

      Sicherlich eine Sichtweise die unter den Empörten zu wenig Verständnis und Anerkennung findet. Die Veranstalter der Fusion waren in der Tat schon immer selbstkritisch und reflektiert. Ich frage mich aber auch inwiefern man sich jetzt gerade mit solchen Fragen von Elitarismus ebenfalls auseinandersetzt. Und schliesslich kann auch eine "neue" Gesellschaft oder jegliches Experiment keine abgeschottete Insel sein. Auch aus rein praktischen Gründen nicht. Die Fusion war nie ein autarkes Gebilde was ohne das Gesellschaftskonstrukt was auch das restliche Jahr funktioniert passieren könnte. Ich denke das sind Fragen der Durchlässigkeit vs Isolation dieses autonomen Raumes. Widersprüche denen sich die Fusion wie jedes andere autonome Projekt immer wieder stellen musste und auch jetzt sollte.

  • Und wenn dann etwas passiert, ist die doofe Polizei mit ihrer Untätigkeit Schuld.

  • Die Fusion ist nicht links, schon gar nicht im Sinne von Frau Kipping. Die Fusion ist weitgehend unpolitisch und ziemlich tolerant, außer vielleicht ggü. Fleischessern.







    Über 20 Jahre blieb sie unter dem Radar, friedlich, kein Krawall, entspannt und selbst für Anwohner kaum merklich.

    Leider ist es mit dem Frieden vorbei. Schade.