Kommunalwahl in der Türkei: AKP sabotiert Erfolge der Opposition
Fünf kurdische Bürgermeister haben bei der Kommunalwahl gewonnen. Jetzt sollen sie aber ihr Amt nicht antreten dürfen.
Die HDP ist empört und verweist darauf, dass alle Kandidaten vor der Wahl vom Hohen Wahlrat überprüft und nicht beanstandet worden seien. „Hätte man ihre Kandidatur abgelehnt, hätten wir die Möglichkeit gehabt, andere Kandidaten aufzustellen. Jetzt geht das Amt einfach an den Zweitplatzierten.“
Wie es der Zufall will, sind alle diese Zweitplazierten Vertreter der AKP, die nie eine Chance gehabt hätten, regulär gewählt zu werden. Am eklatantesten ist dies in einem Bezirk der kurdischen Metropole Diyarbakır, wo der HDP-Mann Zeyyat Ceylan 70,43 Prozent und der AKP-Kandidat nur 25,51 Prozent der Stimmen holte.
Insgesamt beklagt die HDP, dass der Hohe Wahlrat keinem der 17 Einsprüchen ihrer Partei stattgegeben habe, aber allen Einsprüchen der AKP. Das ändert nichts daran, dass die HDP die Kommunalwahlen in den überwiegend kurdisch besiedelten Gebieten im Südosten der Türkei haushoch gewonnen hat.
Bürgermeister inhaftiert
Dort hatte die Regierung in den meisten Städten während des Ausnahmezustandes von Juli 2016 bis Juni 2018 die Bürgermeister der HDP durch Anordnung des Präsidenten abgesetzt und durch Staatskommissare ersetzt. Viele dieser Bürgermeister wurden wegen angeblicher Nähe zur PKK inhaftiert, die als Terrororganisation bezeichnet wird.
Die Wähler haben diesen Eingriff in die Demokratie wieder korrigiert und in all diesen Städten erneut Vertreter der HDP gewählt. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte schon vor der Wahl angekündigt, er werde auch neue Bürgermeister mit „Kontakten zu Terrororganisation“ durch Kommissare ersetzen.
Neben der Auseinandersetzung in den kurdischen Gebieten schaut das ganze Land aber nach wie vor gebannt auf Istanbul. Nachdem auch nach der Neuauszählung der Kandidat der Opposition, Ekrem İmamoğlu, mit rund 14.000 Stimmen in Führung liegt, will die AKP jetzt eine komplette Annullierung der Wahl und Neuwahlen in Istanbul durchsetzen. Es gäbe eine „außerordentliche Situation“, behauptet Parteisprecher Ömer Çelik.
Zusätzlich hat die AKP in dem Vorort Büyükçekmece „von einer kriminellen Organisation“ – gemeint sind die Gülenisten – gefälschte Wählerlisten beanstandet. Der Hohe Wahlrat hat Donnerstagabend beschlossen, darüber erst zu entscheiden, wenn die Hauptforderung nach Annullierung der Wahl ebenfalls vorliegt. Juristen werten das als Indiz, dass der Hohe Wahlrat dem Antrag der AKP auf Neuwahlen stattgeben wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos