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das portraitRassist August Marahrens bald ohne eigene Straße

Anwohner würden ihn gern als Straßennamensgeber behalten: Ex-Landesbischof August Marahrens Foto: Landeskirchliches Archiv Hannover

Wie groß können die persönlichen Verfehlungen sein, um seinen Namen dennoch durch eine Anwohner-Initiative geschützt zu wissen? Der ehemalige Landesbischof von Hannover, August Marahrens (1875-1950), legt die Messlatte hoch. Zwischen 1925 und 1947 war er klerikaler Leiter der Landeskirche Hannover und zentrale Figur des evangelischen Kirchenkampfes.

Als Verfechter der Bekennenden Kirche stellte er sich gegen die nationalsozialistische Einflussnahme auf die Glaubensgemeinschaft. Daraus ausschließen wollte er aber auch die „nicht-arischen“ Christen jüdischer Herkunft. Dieser Antisemitismus, als auch seine sonst bedingungslose Anerkennung der staatlichen Obrigkeit, hätte Martin Luther wohl gefallen.

Zur Ermordung der Juden ließ Marahrens verlauten, dass allein die „politische Führung das Recht hat, die notwendigen Maßnahmen zur Reinerhaltung des deutschen Blutes zu treffen“. Zudem dankte er Gott, dass „der Führer“ während eines Anschlags verschont geblieben war, und befürwortete dessen „entscheidenden Waffengange gegen den Todfeind aller Ordnung“ und „Pestherd“ Russland.

Als Namensgeber der Marahrensstraße in Hannover, erhielt er dennoch einen Platz in der deutschen Erinnerungskultur. Aufgrund der zu großen Nähe zum NS-Staat empfahl der Beirat „Wissenschaftliche Betrachtung namensgebender Persönlichkeiten“ im Herbst, den Straßennamen zu ändern. Eine kürzlich gegründete Anwohner-Initiative hält das für überzogen. Ihr Sprecher räumte zwar ein, „Marahrens sei kein Held gewesen und hatte Ecken und Kanten“, doch schwerwiegende persönliche Verfehlungen seien ihm nicht anzulasten.

Hannovers evangelischer Superintendent Hans-Martin Heinemann sieht das anders. Es sei „beschämend und erschreckend“, dass der Ex-Bischof die Entrechtung und Verfolgung der Juden hinnahm und sich auch nach der NS-Zeit nicht davon distanzierte. Marahrens vertrat damit eine Linie des konservativen Luthertums, nach der die Politik allein Sache des Staates sei.

Für die 70 Unterstützer der Initiative dürfe ein so historisch gewachsener Straßenname nicht einfach geändert werden. Es gäbe schließlich Straßennamen, die an weitaus schlimmere Personen erinnern. Till Wimmer

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