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Koloniales Erbe

Regierungsfraktionen wollen ein Konzeptfür Aufarbeitung und Erinnerung in Berlin

Die Berliner Regierungsfraktionen wollen die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit der Stadt verstärken. Vom Senat verlangen die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen ein gesamtstädtisches Aufarbeitungs- und Erinnerungskonzept. Dies solle „Berlins Rolle und historischer Verantwortung als ehemaliger Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs im Zeitalter des deutschen und europäischen Kolonialismus und Imperialismus gerecht“ werden, heißt es in einem Antrag, der am heutigen Donnerstag im Parlament eingebracht werden soll.

Das Konzept soll die Auseinandersetzung mit der Kolonialismusgeschichte der Stadt intensivieren. Zudem solle es „zur Versöhnung beitragen und würdige Formen des Erinnerns entwickeln“.

Besondere Bedeutung misst der Antrag Berlins Gedenken „an den deutschen Völkermord an den Herero und Nama von 1904 bis 1908 auf dem Gebiet des heutigen Namibia“ zu. Dabei hatten deutsche Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika Aufstände der beiden Volksgruppen grausam niedergeschlagen. Die deutsche Truppen töteten Historikern zufolge etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama. Historiker sehen darin den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Inzwischen spricht auch die Bundesregierung von einem Völkermord. Allerdings sieht die Regierung keine rechtliche Grundlage für materielle Ansprüche Namibias oder der Volksgruppen und lehnt Entschädigungszahlungen oder Reparationen deswegen bisher ab.

Eine Gedenkstätte fehlt

Aus Sicht der rot-rot-grünen Koalitionäre in Berlin fehlt zudem weiterhin eine zentrale Gedenkstätte zur Erinnerung an deutschen Kolonialismus und afrikanische Opfer von Kolonialismus, Rassismus und Versklavung. Dies solle aber nicht auf Berliner Geschichte beschränkt sein. Entsprechend wünschen sich die Abgeordneten eine Abstimmung des Senats mit dem Bund.

Die Kulturminister der Länder hatten sich Mitte März auf Grundlagen einer gemeinsamen Restitutionspolitik im Umgang mit Objekten aus kolonialen Zusammenhängen verständigt. Fünf Länder, darunter Berlin, hatten darüber hinaus Kolonialismus als „System von Herrschafts-, Gewalt- und Ausbeutungsverhältnissen“ bezeichnet, deren nachhaltige Spuren bis heute wirkten. Die Androhung von Gewalt habe Erwerb und Erlangung von Objekten aus kolonialen Kontexten geprägt. Dies müsse bei Restitutionsvorhaben berücksichtigt werden.

Für Deutschland ist das Thema auch aktuell, weil im Humboldt Forum im wiederaufgebauten Schloss ein Großteil der Objekte aus der Kolonialzeit stammt. (dpa)

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