Projekttag zu Extremismus: Behörde lässt AfDler auf Schüler los
Der Erfinder des AfD-Petz-Portals „Neutrale Schule“ wurde als Experte für Extremismus an ein Hamburger Gymnasium eingeladen.
Bekannt gemacht hatte dies das Hamburger „Bündnis gegen Rechts“. Diesem lag ein schulinternes Schreiben vor, aus dem hervorgeht, dass die Hamburger Schulbehörde (BSB) Wolf der Klasse empfohlen hat, die an dem besagten EU-Projekttag teilnehmen wollte. „Nun wurde uns von der BSB Herr Dr. Wolf als Experte vermittelt“, heißt es in dem Schreiben an die Eltern, das auch der taz vorliegt.
Mit ihrer Empfehlung mache die Schulbehörde „den Bock zum Gärtner“, kritisiert Bündnis-Sprecher Felix Krebs. Er fragt: „Würde die Behörde auch den Revisionisten Björn Höcke zum Thema Nationalsozialismus empfehlen, wenn er in Hamburg lebte, nur, weil er einer gewählten Partei angehört und als Geschichtslehrer etwas zum Thema zu sagen hätte?“
Die Schule äußerte sich nicht zu dem Vorgang. Schulbehördensprecher Peter Albrecht weist die Darstellung zurück. „Wir empfehlen grundsätzlich keine Person“, erklärte er und sagte gleichzeitig: Die Behörde übernehme bei besagtem EU-Projekttag eine „koordinierende Funktion“ zwischen Politikern und Schulen, die Gesprächspartner suchen. „Jede Schule hat selbstverständlich die Möglichkeit, eine von uns koordinierte Person auch abzulehnen“, so Albrecht. Seines Wissens habe die Klasse abgestimmt und sich für das Gespräch entschieden.
Felix Krebs, Hamburger Bündnis gegen Rechts
„Nach dem Schreiben, dass uns vorliegt, kam die Empfehlung von der Behörde“, betont indes Felix Krebs. „Da steht wohl jetzt Aussage gegen Aussage.“ Zudem sollen auch Schüler, die Wolf zuhörten, im Anschluss vor dem Schultor protestiert haben.
Der Vorgang fällt in eine Zeit, in der Schulsenator Ties Rabe (SPD) ohnehin wegen seines Umgangs mit der AfD in der Kritik steht. Wie berichtet, hat seine Behörde in den Märzferien Antifa-Aufkleber von der Pinnwand einer 12. Klasse der Ida Ehre Schule entfernen lassen, nachdem Alexander Wolf diese in einer Anfrage unter dem Titel „linksextremistische Aktivitäten“ unter „Duldung des Lehrerkollegiums und der Schulleitung“ angeprangert hatte.
Das Hamburger Abendblatt titelte daraufhin: „Linksextremisten agieren ungestört an Schule“ – und übernahm damit die Begriffssetzung der AfD. Die erst nach den Ferien befragte Lehrkraft erklärte, es habe sich bei der Sticker-Wand um ein Kunst-Projekt gehandelt. Die Schule sah sich wegen ihrer antifaschistischen Haltung kriminalisiert.
Grüne auf Abstand
Am Sonntag demonstrierten rund 3.000 Schüler, Eltern und Lehrer unter dem Motto „Antifaschismus ist kein Verbrechen“ zum Rathaus – aus Solidarität mit der Ida Ehre Schule. Inzwischen hat das Abendblatt im Online-Auftritt den Titel durch „Behörde geht gegen Antifa-Werbung an Schule vor“ ersetzt.
Dennoch will AfD-Mann Wolf seinen Erfolg in der Bürgerschaft feiern. Er hat das Thema „Schüler, Lehrer und Eltern sind nicht mehr allein – AfD-Infoportal ,Neutrale Schule Hamburg' wirkt“ zur Debatte angemeldet.
Die mitregierenden Grünen gehen in dieser Frage auf Abstand zum SPD-Schulsenator. „Die Entfernung in der Ferienzeit war übereifrig“, sagt deren Schulpolitiker Olaf Duge. Denn, dass Aufkleber an der Pinnwand in einer Klasse etwas mit Unterrichtsinhalt zu tun haben, sei für ihn als Lehrer naheliegend. Duge: „Die AfD hat das Ziel, mit diesem Portal die Gesellschaft zu spalten.“
Stramm rechts
Ihr Erfinder Alexander Wolf ist seit Jahrzehnten tief im weit rechten Milieu verankert. Der Jurist ist einer der vier Hamburger AfD-Politiker, die das Bundesamt für Verfassungsschutz in ihrem Prüfbericht namentlich erwähnt. Dort ist zu lesen, dass Wolf „in der rechtsextremistischen Münchener 'Burschenschaft Danubia’“ Mitglied ist. Schon vor seinem Einzug in der Bürgerschaft 2015 räumte Wolf gegenüber der taz ein, „Alter Herr“ dieser schlagenden Verbindung zu sein.
Auf seiner Facebook-Seite empfiehlt er den „Flügel“ um den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke, welcher mittlerweile geheimdienstlich beobachtet werden darf. Im Gutachten des Verfassungsschutzes wird auch erwähnt, dass Wolf „Kontakt zur rechtsextremistischen 'Hamburger Burschenschaft Germania’“ unterhält und in seiner Studentenzeit „für die Veröffentlichung eines Buchs mit nationalsozialistischem Liedgut“ verantwortlich war.
Laut Behörde war Wolf nicht der einzige Politiker, der an Schulen „koordiniert“ wurde. Die Linke Abgeordnete Sabine Boeddinghaus hakt nun mit einer Anfrage nach, um genau zu erfahren, welche „Expert*innen“ zu welchen Themen das waren. Sollte es zutreffen, dass die von Schulsenator Rabe geleitete Behörde Wolf für Extremismus-Prävention zuteilte, frage sie sich, ob er „noch der Richtige ist“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuwahlen
Beunruhigende Aussichten
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Grünen-Parteitag in Wiesbaden
Grüne wählen neue Arbeiterführer
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“